OGH 15Os139/94

OGH15Os139/9413.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Oktober 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kamptner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Thomas H***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Liesing vom 9.November 1993, AZ U 736/93, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Raunig, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Liesing vom 9.November 1993, AZ U 736/93, mit der Thomas H***** wegen jener Tat, die bereits Gegenstand der rechtskräftigen Verurteilung zum AZ U 472/93 dieses Gerichtes war, erneut des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt wurde, verletzt das Gesetz in dem im XX.Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Diese Strafverfügung wird aufgehoben, der Antrag des öffentlichen Ankläges im Verfahren AZ U 736/93 des Bezirksgerichtes Liesing auf Bestrafung des Thomas H***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB abgewiesen und dieses Strafverfahren gemäß § 451 Abs 2 StPO eingestellt.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem in gekürzter Form (§ 458 Abs 3 StPO) ausgefertigten rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichtes Liesing vom 30.September 1993, GZ U 472/93-6, wurde Thomas H***** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt. Diesem Schuldspruch zufolge liegt ihm zur Last, als PKW-Lenker am 15.Jänner 1993 im 23.Wiener Gemeindebezirk (durch Nichtbeachtung des Rotlichtes der Ampel für seine Fahrtrichtung) fahrlässig einen Verkehrsunfall herbeigeführt zu haben, bei dem Edeltraud B***** leichte Verletzungen erlitt.

Infolge Einschreitens mehrerer Polizeidienststellen kam es zur Erstattung einer weiteren Anzeige wegen desselben Unfalls, die den Gegenstand des Aktes AZ U 736/93 des Bezirksgerichtes Liesing bildete. Da die frühere Verurteilung des Thomas H***** zum AZ U 472/93 des Bezirksgerichtes Liesing im neuen Verfahren nicht aktenkundig war, wurde der Genannte hier mit der (nicht einjournalisierten) rechtskräftigen Strafverfügung des Bezirksgerichtes Liesing vom 9.November 1993, wegen desselben Sachverhaltes abermals des Vergehens nach § 88 Abs 1 StGB schuldig erkannt und wieder zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt.

Diese Strafverfügung steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Sie verstößt gegen den sich aus dem XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft ("ne bis in idem"), weil das bereits mit Urteil des Bezirksgerichtes Liesing am 30. September 1993 im Verfahren U 472/93 ergangene Urteil einer neuerlichen Entscheidung in derselben Sache entgegensteht und demzufolge die bereits rechtskräftig abgeurteilte Tat (von den hier nicht aktuellen Fällen der Wiederaufnahme eines Verfahrens zum Nachteil des Verurteilten abgesehen) nicht Gegenstand einer neuerlichen Verurteilung und Bestrafung sein kann. Diese Gesetzesverletzung wirkte sich zum Nachteil des Thomas H***** aus, weshalb wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden war.

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