OGH 7Ob18/94

OGH7Ob18/9412.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** Gesellschaft mbH *****, vertreten durch Dr.Harald Christiandl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei E***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Werner Masser ua Rechtsanwälte in Wien, sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei K***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Walter Strigl und Dr.Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 382.401,70 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 27.Jänner 1994, GZ 1 R 253/93-40, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 8.September 1993, GZ 34 Cg 38/93-33, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.463,50 (darin S 3.077,25 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte war Transportversicherer des klagenden Transportunternehmens. Im Zeitpunkt des Schadensfalles galten die Allgemeinen Österreichischen Transportversicherungsbedingungen (AÖTB 1988), die auszugsweise lauten:

§ 6 Gemeinsame Ausschlüsse für beide Deckungsformen ... (Abs.2).

Ausgeschlossen sind folgende Schäden: ...

g) Schäden, verursacht durch Fehlen oder Mängel transportgerechter Verpackung - auch bei Stauung im Container - sowie bei Selbstverladung durch den Versicherungsnehmer durch mangelhafte und unsachgemäße Verladeweise ...

(Abs.3) Konnte nach den Umständen des Falles ein Schaden aus einer oder mehreren der in Abs.1 und 2 bezeichneten Ursachen entstehen, so wird bis zum Nachweis des Gegenteils durch den Versicherungsnehmer vermutet, daß der Schaden daraus entstanden ist.

Die Klägerin führte im Jahr 1989 im Auftrag der K***** Gesellschaft mbH den Transport eines ca. 60 Tonnen schweren Glühofens von einer Halle in eine (ca. 300 m entfernte) Halle durch. Dazu wurde der Ofen von der Klägerin mit Hilfe von hydraulischen Zylindern hochgehoben, dann auf einen Tieflader abgesetzt, dort mit einem Kran um 180 Grad gedreht und schließlich in der Nebenhalle wiederum mit Hilfe von hydraulischen Zylindern abgeladen und aufgestellt. Auf der Transportstrecke waren im Werksgelände Unebenheiten, bedingt zB durch Bahngeleise, zu überwinden. In der Zeit zwischen dem Anheben am ursprünglichen Aufstellungort und der Beendigung des Absetzens in der Nebenhalle wurde der Ofen einmal oder mehrmals schockartigen Belastungen ausgesetzt, die zum Abbröckeln der Steinwände im Inneren des Ofens und damit zur klagsgegenständlichen Reparatur führten. Diese Belastungen können beim Verladen am ursprünglichen oder beim Abladen am späteren Aufstellungsort dadurch eingetreten sein, daß die hydraulischen Zylinder schadhaft waren oder schlecht bedient wurden, wobei eine stoßweise Belastung dieser Art genügen würde, um den Schaden in seinem ganzen Ausmaß zu erklären. Die Reparaturkosten am Ofen beliefen sich auf S 354.674,85 zuzüglich USt.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten den Ersatz der Reparaturkosten des Ofens in Höhe von S 382.401,70 s.A. Der Ofen sei sachgemäß ver- und entladen worden. Hilfsweise wird die Bezahlung des Klagsbetrages an die Nebenintervenientin begehrt.

Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung und wendet - soweit dies noch revisionsgegenständlich ist - ein, daß die Klägerin den Ofen unsachgemäß verladen habe, sodaß die Beklagte gemäß § 6 Abs.2 lit.g AÖTB leistungsfrei sei.

Das Erstgericht sprach der Klägerin S 376.794,85 zu und wies (unbekämpft) das Mehrbegehren von S 5.606,85 ab. Es folgerte rechtlich, daß der Begriff "Verladung" nicht mit dem der "Entladung" gleichgesetzt werden könne. Das Umladen sei mit dem Kran während des Transportes erfolgt und könne deshalb nicht dem Verladevorgang zugerechnet werden. Für das Vorliegen einer mangelhaften und unsachgemäßen Verladeweise wäre die beklagte Versicherung beweispflichtig gewesen. Wenn schadensursächlich ein Fehler sein könne, der beim Entladen passiert sei, finde die Beweislastklausel nach § 6 Abs.3 AÖTB keine Anwendung.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Berufungsgericht das restliche Klagebegehren ab. Es erklärte die Revision für zulässig. Es übernahm nur den oben wiedergegebenen unbekämpften Teil der erstgerichtlichen Feststellungen und folgerte daraus rechtlich, daß § 6 Abs.3 der AÖTB dahin auszulegen sei, daß den Versicherer nur die Beweislast dafür treffe, daß der Schaden aus einer mangelhaften Verladeweise entstanden sein könne; dieser Nachweis sei der Beklagten aufgrund der Negativfeststellung des Erstgerichtes gelungen. Es wäre daher an der Klägerin gelegen gewesen nachzuweisen, daß die vermutete Schadensursache unrichtig sei; dies sei der Klägerin aber nicht gelungen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Auszugehen ist davon, daß der Ofen entweder beim Ver- oder beim Entladen einer oder mehreren schockartigen Belastungen ausgesetzt war, die zum Abbröckeln der Steinwände im Inneren führten, weiters daß diese Belastungen durch eine schadhafte oder unsachgemäß bediente Hydraulik verursacht worden sind, wobei bereits eine derartige stoßweise Belastung den gesamten Schaden verursachen konnte. Es kann demnach die Beschädigung sowohl bei dem einen, als auch bei dem anderen Ladevorgang verursacht worden sein, wegen der gleichartig angewendeten Technik aber nicht einem der beiden Vorgänge zugeordnet werden.

Der Sinn der Beweislastregelung im § 6 Abs.3 AÖTB 1988 liegt darin, daß dem Versicherer der Nachweis für den Haftungsausschluß zwar nicht abgenommen, aber doch erleichtert werden soll. Dieser Sinn darf nicht durch unerfüllbare Anforderungen in sein Gegenteil verkehrt werden. Der Versicherer muß im Einzelfall nur tatsächlich vorhandene Gefahrenumstände als mögliche Gefahrenquellen nachweisen. Die an den Nachweis zu stellenden Anforderungen müssen sich nach der Art und der Natur der jeweils vorliegenden Gefahr bzw. der jeweiligen Umstände richten. Je nach der Lage des Einzelfalles können deshalb unter Umständen für eine bestimmte Gefahr bestehende Anhaltspunkte genügen, wenn der regelmäßige Ablauf der Dinge nach der Erfahrung des täglichen Lebens auf diese Gefahr als schadenstiftende Ursache hinweist (vgl. Prölss-Martin VVG25, 1978 sowie VersR 1963, 717).

Im vorliegenden Fall hat die beklagte Versicherung zwar nicht den Nachweis dafür erbracht, daß der Schaden durch eine mangelhafte und unsachgemäße Verladeweise entstanden ist, wohl aber, daß er nach den Umständen des Falls auch durch diese Ursache entstanden sein konnte. Festgestellt wurde, daß die Schäden beim Verladen oder beim Abladen eingetreten sein konnten, ebenso auch zufolge von Unebenheiten auf der Strecke unterwegs. Konnten sie daher beim Verladen entstanden sein, ist bis zum Beweis durch den Versicherungsnehmer davon auszugehen, daß sie auf diese Weise entstanden sind. Sache des klagenden Versicherungsnehmers wäre es entsprechend der völlig eindeutigen Regelung des § 6 Abs 3 AÖTB 1988 gewesen, zu beweisen, daß der schadenstiftende Fehler nicht beim Verladevorgang unterlaufen ist.

Es wird im übrigen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils hingewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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