OGH 4Ob560/94

OGH4Ob560/944.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß in der Rechtssache der klagenden Partei I*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Norbert Kosch und andere Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Reinhard G*****, vertreten durch Dr.Guido Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 22.Dezember 1993, GZ 48 R 954/93-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 27.April 1993, GZ 20 C 1168/92a-14, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Klägerin war Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** mit dem Haus W*****; ihr Eigentumsrecht war am 5.6.1990 einverleibt worden.

Mit Kaufvertrag vom 31.8.1992 verkaufte sie die Liegenschaft an die K***** GmbH; für diese wurde am 14.9.1992 das Eigentumsrecht im Grundbuch vorgemerkt. Am 8.1.1993 erfolgte die Rechtfertigung dieser Vormerkung.

Mit der Behauptung, daß der Beklagte die ihm vermieteten Räumlichkeiten im Hause W*****, nicht mehr zur vertraglich bedungenen geschäftlichen Betätigung benütze, die Räume teilweise weitergegeben und einen räumlich abgetrennten Teil des Bestandobjektes als Wohnung untervermietet habe, hatte die Klägerin dem Beklagten den Bestandvertrag gerichtlich aufgekündigt. Die Aufkündigung vom 13.11.1992 war dem Beklagten am 20.11.1992 zugestellt worden.

Der Beklagte erhob Einwendungen und beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Er bestritt ua die Aktivlegitimation der Klägerin.

Die Erstrichterin hob die Aufkündigung auf und wies das Klagebegehren ab. Gemäß § 438 ABGB bewirke die Vormerkung den Erwerb eines bedingten Eigentumsrechtes. Auf Grund der Rechtfertigung trete der Eigentumserwerb rückwirkend zum Zeitpunkt der Einreichung des Vormerkungsgesuches ein. Die Vormerkung hindere zwar nicht Verfügungen des bisher Berechtigten; diese Verfügungen seien jedoch durch die Rechtfertigung auflösend bedingt. Mit der Rechtfertigung sei die K***** GmbH rückwirkend mit 14.9.1992 Eigentümerin der Liegenschaft geworden und gemäß § 2 MRG in den Mietvertrag eingetreten.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Der gesetzliche Eintritt des Erwerbers der Bestandsache in ein bestehendes Bestandverhältnis (§ 1120 ABGB) werde erst durch die sachenrechtlich wirksame Übergabe der Bestandsache, beim Erwerb eines dinglichen Rechtes an einer Liegenschaft - soweit keine Ausnahme vom Eintragungsgrundsatz vorliegt - also durch die Einverleibung bewirkt. Erst mit der Einverleibung seines Rechtes trete der Erwerber gegenüber einem Bestandnehmer in die Vertragsstellung des Vermieters ein. Erst danach könne er die Befugnisse des Bestandgebers, also vor allem Gestaltungsrechte wie etwa die vorzeitige Vertragsaufhebung nach § 1118 ABGB oder den Rückstellungsanspruch nach § 1109 ABGB geltend machen. Im - maßgeblichen - Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung sei die Klägerin als bücherliche Eigentümerin trotz der bestehenden Vormerkung zu der auf Auflösung des Bestandverhältnisses gerichteten Erklärung berechtigt gewesen; diese sei also wirksam gewesen. Die vorgemerkte Klapholtz GmbH wäre zum damaligen Zeitpunkt - von dem hier nicht einmal behaupteten Ausnahmefall, daß sie durch Übertragung der Verwaltung schon in den Bestandvertrag eingetreten wäre, abgesehen - zur Aufkündigung noch nicht legitimiert gewesen. Auch wenn der Rechtserwerb auf Grund der Rechtfertigung rückwirkend zum Zeitpunkt der Einreichung des Vormerkungsgesuches eintritt, bestehe die bei Zustellung der Aufkündigung vorhandene Aktivlegitimation kraft § 234 ZPO weiter. Da das Erstgericht infolge seiner vom Berufungsgericht nicht gebilligten Rechtsauffassung keine Feststellungen über das Vorliegen der geltend gemachten Kündigungsgründe getroffen hat, sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene "Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs [§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO]) des Beklagten ist nicht berechtigt.

Nach Meinung des Beklagten stehe die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes in einem unauflösbaren Widerspruch zu § 49 GBG. Würde etwa der bücherlich vorgemerkte Eigentümer einem Benützer der Liegenschaft auf sein vorgemerktes Eigentumsrecht ein Bestandrecht bücherlich einräumen, dann könnte mit der Rechtfertigung der Vormerkung auch dieses Bestandrecht endgültig verbüchert werden, während das Eigentumsrecht des früheren Eigentümers bücherlich zu löschen wäre. Wollte man in diesem Fall - im Sinne der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes - die Aktivlegitimation des früheren Eigentümers gemäß § 234 ZPO bejahen, stünde dieser einem grundbücherlich abgesicherten Bestandnehmer gegenüber. Dieser unauflösbare Widerspruch könne nur dadurch gelöst werden, daß § 234 ZPO auf solche Fälle, in denen der Eigentümer einer bücherlich einverleibten Liegenschaft schon all die Urkunden aus der Hand gegeben hat, welche die Vormerkung des Eigentumsrechtes für einen anderen im Grundbuch ermöglichen, nicht mehr angewendet wird. Der einverleibte Eigentümer könne sich eben nach außen nicht mehr als Volleigentümer gerieren. Dem kann nicht gefolgt werden:

Im Zeitpunkt der (Zustellung der) Aufkündigung war die Klägerin - infolge Einverleibung ihres Eigentumsrechts im Grundbuch - Eigentümerin des Hauses W***** und Vermieterin des darin gelegenen Bestandobjektes Tür Nr. 1. Die K***** GmbH, die die Liegenschaft mit dem Haus damals schon mit Kaufvertrag vom 31.8.1992 gekauft hatte, war gegenüber den Bestandnehmern, also auch gegenüber dem Beklagten noch nicht in den Mietvertrag eingetreten, weil der Eintritt des Erwerbers grundsätzlich erst mit der Einverleibung seines Eigentumsrechtes geschieht; erst dadurch wird er auch zur Kündigung legitimiert (SpR 199; SZ 26/2; MietSlg 24.184/14, 36.198; 41.141 uva; Würth in Rummel ABGB Rz 7 zu § 1120). Die Rechtsprechung läßt zwar davon eine Ausnahme für den Fall zu, daß der Erwerber schon vor der Einverleibung seines Eigentumsrechtes ausdrücklich oder stillschweigend in den Bestandvertrag "eingetreten" ist (MietSlg 15.119, 38.218, 41.141 uva; Würth aaO); derartiges wurde hier aber weder behauptet noch festgestellt. Daß das Eigentumsrecht der Käuferin im Grundbuch schon vorgemerkt war (§§ 35 ff GBG), hinderte die Verfügung der Klägerin nicht (Spielbüchler in Rummel ABGB Rz 8 zu § 438). Das ergibt sich gerade aus dem vom Beklagten angeführten § 49 GBG. Nach dieser Bestimmung können im Falle der Vormerkung des Eigentumsrechtes sowohl gegen den einverleibten als auch gegen den vorgemerkten Eigentümer weitere Eintragungen bewilligt werden, doch hängt deren rechtlicher Bestand davon ab, ob die Vormerkung des Eigentumsrechtes gerechtfertigt wird oder nicht (Abs 1); wird die Vormerkung gerechtfertigt, so sind bei Eintragung der Rechtfertigung zugleich alle Eintragungen von Amts wegen zu löschen, die gegen den einverleibten Eigentümer nach dem Einlangen desjenigen Einschreitens erwirkt worden sind, auf das das Eigentumsrecht vorgemerkt worden ist (Abs 2); bei Löschung der Vormerkung des Eigentumsrechtes hingegen sind zugleich alle in bezug auf diese Vormerkung vorgenommenen Eintragungen von Amts wegen zu löschen (Abs 3). Von einer Verfügungsbeschränkung des einverleibten Eigentümers kann also keine Rede sein; die grundbücherlichen Eintragungen stehen allerdings - ebenso wie jene des Vorgemerkten - unter der auflösenden Bedingung der späteren Rechtfertigung (bzw der Löschung) der Vormerkung.

Zur Zeit der Aufkündigung war somit allein die Klägerin und nicht auch die K***** GmbH aktiv legitimiert.

Die Veräußerung einer streitverfangenen Sache oder Forderung hat auf den Prozeß keinen Einfluß (§ 234 ZPO). Diese Bestimmung gilt auch in Kündigungs- und Räumungsprozessen (SZ 23/290; SZ 25/82 ua); der kündigende Hauseigentümer, der das Haus in der Folge verkauft, verliert daher nicht die Berechtigung zur Fortsetzung des Kündigungsprozesses (SZ 10/167). Wird also während des Prozesses das Eigentumsrecht eines Einzelrechtsnachfolgers einverleibt, dann kommt § 234 ZPO zur Anwendung.

Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, daß das Eigentumsrecht der Käuferin zur Zeit der Aufkündigung schon vorgemerkt war. Jede Vormerkung begründet die Erwerbung, Übertragung, Beschränkung oder Aufhebung des dinglichen Rechtes nur unter der Bedingung ihrer Rechtfertigung und nur in dem Umfang, in welchem die Rechtfertigung erfolgt (§ 40 GBG). Die Rechtfertigung der Vormerkung wirkt - wie sich aus § 49 GBG ergibt - ex tunc, wirkt also zurück (SZ 28/170; Spielbüchler aaO Rz 11). Das kann aber die Anwendbarkeit des § 234 ZPO nicht hindern. Auch in einem Fall wie dem vorliegenden ist die Rechtsnachfolge (hier: der K***** GmbH) erst nach der Streitanhängigkeit wirksam geworden. Daß sie auf einen Zeitpunkt vor der Aufkündigung zurückwirkt, ändert nichts daran, daß die Klägerin seinerzeit aktiv legitimiert war und die Veräußerung des Hauses - also der Sache, die streitverfangen Klägerin im Sinn des § 234 ZPO war, weil die Sachbefugnis der Klägerin im Prozeß auf den Rechtsbeziehungen zu dieser Sache beruhte (Fasching LB2 Rz 1196; Rechberger/Oberhammer,§ 234 ZPO - einfach kompliziert ?, ecolex 1994, 456 ff [457]) - erst während des Prozesses (durch Rechtfertigung der Vormerkung des Eigentumsrechtes der Käuferin) wirksam wurde. Erst mit dieser Einverleibung ist die K***** GmbH in den Bestandvertrag eingetreten (vgl EFSlg 31.233, wonach die nach Einbringung der Aufkündigung erfolgte Einverleibung des Eigentumsrechtes des Klägers im Range einer vor diesem Zeitpunkt angemerkten Rangordnung den Mangel der Aktivlegitimation nicht rückwirkend beheben kann; Würth aaO Rz 7 zu § 1120).

Auch das vom Beklagten gebrachte Beispiel, daß nämlich einem bloß nach § 234 ZPO legitimierten Nichteigentümer ein "nach Rechtfertigung der Vormerkung grundbücherlich abgesicherter Bestandnehmer" gegenüber steht, führt zu keinem unauflösbaren Widerspruch; vielmehr entsteht dabei nur die Frage, wieweit der beklagte Mieter gegenüber dem ursprünglichen Vermieter und Kläger die Fortsetzung des Mietvertrages durch den Käufer als materiell rechtliche Einwendung geltend machen kann (vgl SZ 20/248).

Dem Rekurs mußte somit ein Erfolg versagt bleiben.

Ein Kostenausspruch hat zu entfallen, weil der Beklagte Kosten nicht verzeichnet (und die Klägerin keine Rekursbeantwortung erstattet) hat.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte