Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Antrag auf Ergänzung des Urteils nach allfälliger mündlicher Verhandlung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.
Text
Begründung
Mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 5.7.1989 wurde der Anspruch des Klägers auf eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 270 iVm § 253 b ASVG anerkannt; die Pension begann am 1.5.1989 und betrug ab Stichtag S 16.627,20 monatlich. Dabei wurden 456 in Österreich nach dem ASVG erworbene Versicherungsmonate zugrundegelegt.
Mit der dagegen erhobene Klage begehrte der Kläger eine höhere Pension durch Anerkennung weiterer elf Versicherungsmonate. Mit Bescheid vom 28.9.1989 wurde die Alterspension auf Grund zwischenzeitigen Nachkaufes zweier Ersatzmonate neu berechnet; dem Kläger werden nunmehr 458 Versicherungsmonate angerechnet.
Das Erstgericht erkannte die Beklagte in teilweiser Stattgebung des Klagebegehrens schuldig, dem Kläger die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer im gesetzlichen Ausmaß unter weiterer Berücksichtigung von fünf Versicherungsmonaten (9.März bis 8.August 1950) zu leisten. Dieses Urteil wurde dem Klagevertreter am 15.4.1994 zugestellt.
Am 20.4.1994 stellte er den Antrag auf Ergänzung des genannten Urteils durch Auferlegung einer vorläufigen Zahlung gemäß § 89 Abs 2 ASGG in Höhe von monatlich S 150,50 ab 1.5.1989, S 155,-- ab 1.1.1990, S 156,60 ab 1.7.1990, S 164,40 ab 1.1.1991, S 171,-- ab 1.1.1992, S 177,80 ab 1.1.1993 und S 182,30 ab 1.1.1994.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Urteilsergänzung ab. Gemäß § 405 ZPO sei das Gericht nicht befugt, dem Kläger etwas zuzusprechen, was er nicht beantragt habe. Sein Klagebegehren sei ausschließlich auf Anrechnung weiterer Versicherungsmonate gerichtet gewesen. Mangels eines auf eine Geldleistung gerichteten Klagebegehrens könne das Gericht unter Bedachtnahme auf § 405 ZPO dem Kläger keine vorläufige Leistung zuerkennen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes und ergänzte, daß der Kläger während des erstgerichtlichen Verfahrens keinen Antrag auf vorläufige Leistung gestellt habe, obwohl er rechtskundig vertreten gewesen sei, so daß er dies nach Urteilsfällung bzw. nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht mehr nachtragen könne.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert über den es entschieden habe, nicht S 50.000,-- übersteige und daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluß richtet sich der rechtzeitige Revisionsrekurs des Klägers, der entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig ist.
Selbst wenn es sich im vorliegenden Fall um eine Rechtsstreitigkeit über den Bestand von Versicherungszeiten der Pensionsversicherung iS des § 65 Abs 1 Z 4 ASGG handelte, wäre dies ein Verfahren über wiederkehrende Leistungen in Sozialrechtssachen iS des § 46 Abs 3 ASGG (stRsp seit SSV-NF 1/18). In Wirklichkeit liegt aber eine Rechtsstreitigkeit über den Umfang eines Anspruchs auf Versicherungsleistungen iS des § 65 Abs 1 Z 1 ASGG vor, weil der Kläger eine höhere Alterspension begehrt als ihm von der Beklagten mit Bescheid zuerkannt wurde. Rechtsstreitigkeiten über den Bestand von Versicherungszeiten der Pensionsversicherung iS der §§ 247, 247 a ASVG und der übrigen im ersten Klammerzitat des § 65 Abs 1 Z 4 ASGG angeführten Vorschriften sind nur dann Sozialrechtssachen nach der Z 4, wenn und soweit diese Rechtsstreitigkeiten nicht Teil einer Rechtsstreitigkeit über den Bestand, den Umfang oder das Ruhen eines Anspruchs auf Versicherungsleistungen iS der Z 1 sind (Kuderna, ASGG 362 Erl. 8 zu § 65). In Verfahren über wiederkehrende Leistungen in Sozialrechtssachen haben aber Aussprüche des Gerichtes zweiter Instanz nach § 45 Abs 1 bis 3 ASGG zu unterbleiben (§ 45 Abs 4 ASGG). Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist nach § 47 Abs 2 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zulässig und ohne Bindung an die gesetzwidrigen Aussprüche des Rekursgerichtes zulässig. Er ist auch berechtigt.
Die Auffassung des Erstgerichtes, es fehle ein auf eine Geldleistung gerichtetes Klagebegehren ist unrichtig und verkennt die Bestimmung des § 82 ASGG, wonach das von einem Versicherten erhobene Klagebegehren auch dann hinreichend bestimmt ist, wenn es auf Leistungen im gesetzlichen Ausmaß gerichtet ist, wobei insbesondere nicht erforderlich ist, daß das Klagebegehren einen bestimmten Geldbetrag anführt, wenn es auf eine Leistung gerichtet ist. Das Begehren, eine Pension im gesetzlichen Ausmaß zu zahlen, ist daher unzweifelhaft auf eine Geldleistung gerichtet, deren Höhe bloß vom Kläger nicht beziffert werden muß (vgl Fasching, ZPR2 Rz 2308). Das Erstgericht hat mit seinem Urteil ja auch die Beklagte schuldig erkannt, dem Kläger die vorzeitige Alterspension (zweifellos eine Geldleistung) "im gesetzlichen Ausmaß" zu leisten. Dies entsprach freilich nicht dem Gesetz. Das Klagebegehren war auf eine Geldleistung gerichtet, die, was die Anrechnung weiterer Versicherungszeiten betraf, dem Grunde und der Höhe nach bestritten war. Der erstgerichtliche Urteilsspruch ist mangels Verurteilung zu einer Pensionsleistung in einer bestimmten Höhe kein exekutionsfähiges Leistungsurteil, sondern ein unrichtig formuliertes, das Klagebegehren nur als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkennendes, daher lediglich feststellendes Grundurteil iS des § 89 Abs 2 ASGG. Das Erstgericht hätte daher dem beklagten Versicherungsträger auftragen müssen, dem Kläger bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung zu erbringen, deren Ausmaß unter sinngemäßer Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO festzusetzen gewesen wäre. Für die vorläufige Zahlung wäre nach § 409 ZPO eine Leistungsfrist zu setzen gewesen. Ein solcher urteilsmäßiger (vgl SZ 63/5 = SSV-NF 4/4) Auftrag zur Erbringung einer vorläufigen Zahlung in bestimmer Höhe binnen bestimmter Leistungsfrist wäre unter den dort genannten Voraussetzungen ein Exekutionstitel, aus dem nebst der Person des Berechtigten und Verpflichteten auch Gegenstand, Art, Umfang und Zeit der geschuldeten Leistung zu entnehmen wären (SSV-NF 4/26). Verfehlt ist in diesem Zusammenhang die Meinung des Rekursgerichtes, der Kläger hätte einen Antrag auf vorläufige Leistung stellen müssen. Ein solcher Antrag ist im § 89 Abs 2 ASGG nicht vorgesehen; die vorläufige Zahlung ist vielmehr von Amts wegen aufzuerleben (ebenso Klicka, ZAS 1992, 90). Aus der Wendung "kann das Gericht die Rechtsstreitigkeit dadurch erledigen" ergibt sich, daß dieses besondere Urteil nicht als Zwischenurteil sondern jedenfalls als Endurteil anzusehen ist (Kuderna aaO 446 Anm 6 zu § 89 unter Hinweis auf die RV).
Dem Kläger ist daher darin beizupflichten, daß im erstgerichtlichen Urteil ein Anspruch, über den zu entscheiden gewesen wäre, nämlich durch einen die vorläufige Zahlung auftragenden und deren Ausmaß festsetzenden Ausspruch, übergangen wurde, so daß das Urteil nach § 423 ZPO auf rechtzeitigen Antrag durch eine nachträgliche Entscheidung (Ergänzungsurteil) zu ergänzen gewesen wäre. Nach der erst am 1.1.1995 in Kraft getretenen Fassung des § 89 Abs 2 ASGG durch die ASGG-Nov. 1994, BGBl 624, werden die Bestimmungen über das Ergänzungurteil hinsichtlich des vorläufigen Leistungsauftrages sogar dahingehend modifiziert, daß ein solches Ergänzungsurteil auch von Amts wegen gefällt und ein darauf abzielender Antrag nicht nur binnen 14 Tagen, sondern jederzeit gestellt werden kann (RV 1654 BlgNR 18. GP 27). Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an einer solchen Entscheidung besteht bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides (SSV-NF 4/26 mwN; ebenso RV aaO). Daß ein solcher Bescheid inzwischen ergangen wäre, ist nach der Aktenlage nicht ersichtlich.
In Stattgebung des Revisionsrekurses waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.
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