OGH 9ObA190/94

OGH9ObA190/9428.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Barbara Hopf und Mag.Ernst Löwe als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Andrea K*****, vertreten durch Dr.Peter Kaltschmid, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei B***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Josef Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 104.187,82 S sA (Streitwert im Revisionsverfahren 77.711,60 S sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Juni 1994, GZ 5 Ra 101/94-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 14.Februar 1994, GZ 44 Cga 201/93g-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.086,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.014,40 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die Begründung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

Die Revisionswerberin stellt nicht mehr in Frage, daß ihr Verhalten einen Grund für die vorzeitige Beendigung des Lehrverhältnisses erfüllte, sondern vertritt nur den Standpunkt, daß die Entlassung verspätet erfolgt sei. Dem kann nicht beigetreten werden.

Der Geschäftsführer der beklagten Partei erfuhr, nachdem er die Klägerin schon wiederholt wegen ihres Fernbleibens vom Unterricht in der Berufsschule abgemahnt hatte, am 23.6.1993 davon, daß die Klägerin an diesem Tag neuerlich ohne Entschuldigung zum Unterricht nicht erschienen war. Er erkundigte sich bei seiner Interessenvertretung am 24. und 25.6.1993 über die rechtlichen Möglichkeiten und erklärte der Klägerin, nachdem er entsprechende Auskünfte erhalten hatte, am 25.6.1993, sie sei entlassen. Am 29.6.1993 wurde der Klägerin das Entlassungsschreiben übergeben.

Die Entlassung muß, um rechtzeitig zu sein, ohne Verzug, das heißt sofort nachdem der Entlassungsgrund bekanntgeworden ist, ausgesprochen werden, widrigenfalls das Entlassungrecht des Arbeitgebers erlischt. Die rechtsnatur dieses Erfordernisses der Unverzüglichkeit ist eine den die Entlassung aussprechenden Arbeitgeber belastende Aufgriffsobliegenheit. Die rechtliche Wurzel dieser Obliegenheit liegt vor allem im Wesen der vorzeitigen Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses begründet. Voraussetzung für eine (gerechtfertigte) vorzeitige Auflösung aus wichtigem Grund ist das Vorliegen eines die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist auslösenden Grundes. Daraus folgt zwingend, daß die Auflösung aus dem wichtigen Grund ohne Verzug ausgesprochen werden muß. Eine zweite rechtliche Wurzel dieser Obliegenheit liegt in dem auf den vertraglichen Schutzpflichten und der Fürsorgepflicht beruhenden Klarstellungsanspruch des Arbeitsnehmers begründet, der mit Recht wissen will, woran er ist. Bei Prüfung der Unverzüglichkeit der Entlassung ist allerdings den Erfordernissen des Wirtschaftslebens und den Betriebsverhältnissen entsprechend Rechnung zu tragen, wobei dem Arbeitgeber auch eine entsprechende Frist für die Einholung einer Rechtsauskunft zuzubilligen ist (Kuderna, Entlassungsrecht2 13 ff mwN).

Wohl kann der Ausspruch der vorzeitigen Auflösung des Lehrverhältnisses nur schriftlich erfolgen (§ 15 Abs 1 BAG), doch kann die schriftliche Entlassungserklärung hier nicht isoliert gesehen werden. Diese erfolgte wohl erst am 29.6.1993, doch hatt der Geschäftsführer der beklagten Partei, nachdem er sich bei seiner Interessenvertretung über die Rechtslage informiert hatte, der Klägerin bereits am 25.6.1993 erklärt, daß sie entlassen sei. Ausgehend von dieser Erklärung, die wohl als bloß mündliche Mitteilung nicht wirksam war, mußte der Klägerin klar sein, daß die beklagte Partei nicht bereit war, ihr Verhalten hinzunehmen. Die Klägerin hat auch tatsächlich in der Folge bei der beklagten Partei nicht mehr gearbeitet. Daß beide Teile davon ausgingen, daß das Lehrverhältnis beendet werde, ergibt sich auch daraus, daß sich die Klägerin bereits am 28.6.1993 (Montag) mit Zustimmung des Geschäftsführers zum Arbeitsamt begab, um sich nach einer neuen Arbeitsstelle umzusehen. Unter diesen Umständen führte der Umstand, daß die schriftliche Entlassungserklärung der Klägerin erst am 29.6.1993 ausgehändigt wurde, nicht zum Verlust des Entlassungsrechtes.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

Stichworte