OGH 9ObA139/94

OGH9ObA139/9428.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Barbara Hopf und Mag.Ernst Löwe als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Djordo T*****, Facharbeiter, ***** vertreten durch Dr.Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, Kliebergasse 1a, 1051 Wien, vertreten durch Dr.Gustav Teicht und Dr.Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 55.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.April 1994, GZ 5 Ra 73/94-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 24.November 1993, GZ 46 Cga 80/93b, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.871,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 811,84 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 12.10.1981 bei der I***** Baugesellschaft mbH beschäftigt, wobei sein Beschäftigungsverhältnis bis 19.1.1987 die üblichen witterungs- und betriebsbedingten Unterbrechungen in der Winterzeit aufweist. Im Betrieb des Dienstgeberunternehmens ist es üblich, daß Arbeitnehmer nach einer Betriebszugehörigkeit von 5 Jahren Stammarbeiterschaft erlangen. Auch der Kläger war seit Vollendung der fünfjährigen Betriebszugehörigkeit Stammarbeiter und erhielt eine Stammarbeiterzulage. Der Kläger arbeitete im Frühjahr 1992 zuletzt am 30.4.1992 (Donnerstag). Für die folgenden freien Tage (1.5. Feiertag sowie Samstag und Sonntag) fuhr der Kläger in einem privaten Kleinbus in seine Heimat nach Jugoslawien (Bosnien) und wollte wieder so rechtzeitig zurückkehren, um am Montag die Arbeit wieder aufzunehmen. Von seiner Fahrt nach Bosnien über das verlängerte Wochenende informierte er sein Dienstgeberunternehmen nicht. Zum Zeitpunkt der Abfahrt des Klägers nach Bosnien fanden in der Gegend des Heimatortes des Klägers keine Kampfhandlungen statt. Auf der Rückfahrt wurde der Bus, mit dem der Kläger unterwegs war, in der Gegend von Banja Luka vom Militär angehalten und wieder zum ca 100 km von Banja Luka entfernten Heimatort des Klägers zurückgeschickt. Es gab keine andere Möglichkeit für die Rückkehr nach Österreich als über diesen Korridor, über den der Kläger in seine Heimat gelangt war, der jedoch bei seiner Rückkehr vom Militär gesperrt war. In der Folge war dieser Korridor zu nicht feststellbaren Zeiten nur für wenige Stunden offen. Ab Mitte August war er wieder frei benützbar. Der Kleinbus, mit dem der Kläger in seine Heimat gelangt war, war zwischenzeitig vom Militär beschlagnahmt worden. Der regelmäßige Autobuslinienverkehr wurde Ende April/Anfang Mai eingestellt. Im Sommer 1992 gab es einige unregelmäßige Fahrten von Banja Luka nach Tirol, die über das örtliche Radio bekanntgegeben wurden. Der Kläger hatte davon keine Kenntnis, weil er die Radiosendungen zufolge von Stromabschaltungen bzw mangels der Möglichkeit, Batterien zu erwerben, nur selten verfolgen konnte. Auch die Telephonverbindungen funktionierten nur zeitweise. Immer wieder gerieten solche Busse ins Kriegsgeschehen oder wurden vom Militär zurückgeschickt. In der fraglichen Zeit konnten sich nur einzelne Personen als "Einzelkämpfer" aus dem Großraum Banja Luka nach Tirol durchschlagen.

Nach Öffnung des Korridors verließ der Kläger Ende August bei erster Gelegenheit seinen Heimatort und kam mit einem Linienbus nach Tirol. Am 31.8.1992 meldete er sich bei seinem Dienstgeberunternehmen, wo ihm der Leiter des Lohnbüros die Arbeitspapiere übergab. Eine Erklärung über sein Fernbleiben gab der Kläger nicht ab; er wurde danach auch nicht gefragt. Über Betreiben des Betriebsrates wurde der Kläger aber bereits mit 31.8.1992 wieder beschäftigt, und zwar als Neueintritt ohne Stammarbeiterzulage.

Nachdem der Kläger ab 4.5.1992 nicht zur Arbeit erschienen war, wurden ihm ab diesem Tag fünf Arbeitstage an Resturlaub angerechnet und er per 10.5.1992 unter Angabe des Beendigungsgrundes "vorzeitiger Austritt" bei der Krankenkasse abgemeldet, was auch der beklagten Partei mitgeteilt wurde. Der Kläger hatte nicht den Willen, vorzeitig auszutreten.

Der Kläger ist mit seinem Dienstgeberunternehmen in der Zeit vom 30.4.1992 bis 31.8.1992 nicht in Kontakt getreten. Dies war auch nicht möglich, weil wegen der Kriegsereignisse keine Telephonverbindung bestand, keine Post befördert wurde und auch sonst keine Kommunikationsmöglichkeit bestand.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß der Zeitraum von der Woche 14/92 bis zur Woche 19/92 (sechs Wochen) und der Zeitraum von der Woche 4/87 bis 13/1992 (sohin weitere 271 Wochen) für die Berechnung seiner Abfertigung zugrundezulegen seien. Die erstgenannte Lücke sei im Hinblick auf die Stammarbeitereigenschaft des Klägers und die mündliche Wiedereinstellungszusage nicht abfertigungsschädlich. Durch den Nichtantritt der Arbeit ab Anfang Mai 1992 sei das Beschäftigungsverhältnis nicht beendet worden. Er habe nie den Willen gehabt, auszutreten.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Sie bestritt die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens, weil gar nicht gewiß sei, ob der Kläger je eine Abfertigung erhalten werde. Im übrigen bestünde für die genannten Zeiten keine Anwartschaft auf eine Abfertigung, weil der Dienstgeber des Klägers gemeldet habe, daß der Kläger mit 10.5.1992 unberechtigt vorzeitig ausgetreten sei. Dadurch seien dem Kläger die im Klagebegehren bezeichneten Anwartschaften verloren gegangen.

Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers statt. Ein Austrittswille könne dem Kläger nicht unterstellt werden. Bei Auflösung von Arbeitsverhältnissen sei wegen der besonderen Rechtsfolgen an das konkludente Verhalten der Vertragsparteien ein strenger Maßstab anzulegen; es dürfe kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, daß der Wille auf Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge vorliege. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Nichtantritt der Arbeit durch den Kläger wegen kriegsbedingter Unmöglichkeit der Rückreise nach einem Wochenendbesuch bei seiner Familie in einem Krisengebiet, als Erklärung des vorzeitigen Austrittes zu werten sei. Auch daß der Kläger nach seiner Rückkehr zu seinem Dienstgeber seine Abwesenheit nicht sofort gerechtfertigt habe, ändere daran nichts, zumal ihm auch keinerlei diesbezügliche Fragen gestellt worden seien; er habe sich sofort gemeldet und auch die Arbeit umgehend wieder aufgenommen. Da daher das Dienstverhältnis des Klägers nicht beendet worden sei, seien die Zeiten für die Ermittlung der Abfertigung durchgehend zu berücksichtigen. Das erhobene Feststellungsbegehren sei auch zulässig, weil der Kläger ein Interesse daran habe, daß für Zwecke der Berechnung einer allenfalls in Zukunft anfallenden Abfertigung die Anwartschaft festgestellt werde; daß derzeit noch nicht sicher sei, ob der Kläger überhaupt einmal eine Abfertigung erhalten werde, stehe dem nicht entgegen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es erachtete die gegen die Richtigkeit der Feststellungsgrundlage vorgetragenen Einwände nicht für berechtigt, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte auch dessen rechtliche Beurteilung.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Strittig ist im Revisionsverfahren nur, ob das Dienstverhältnis des Klägers durch vorzeitigen Austritt beendet wurde. Zur Lösung des Dienstverhältnisses bedarf es einer auf vorzeitige Auflösung gerichteten Willenserklärung, die von einem Teil dem anderen gegenüber bestimmt, deutlich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise abgegeben werden muß. Auflösungserklärungen können mündlich, schriftlich, ausdrücklich oder konkludent erfolgen, doch müssen sie die ernsthafte und zweifelsfreie Absicht erkennbar zum Ausdruck bringen, das Arbeitsverhältnis sofort für alle Zukunft zu beenden (Martinek-Schwarz-Schwarz, AngG7 547 mwN). Unbestritten ist, daß eine ausdrückliche Erklärung des vorzeitigen Austrittes durch den Kläger nicht erfolgte. Die beklagte Partei vertritt in ihrer Revision weiterhin den Standpunkt, der Umstand, daß der Kläger ab 4.5.1992 nicht mehr gearbeitet habe, sei als schlüssige Erklärung des vorzeitigen Austrittes zu werten. Dem kann nicht gefolgt werden.

Alle zuvor dargestellten, an die Willenserklärung zu stellenden Kriterien sind dann, wenn eine konkludente Erklärung in Frage steht, an das zu beurteilende Verhalten anzulegen. Nur wenn nach verständiger Würdigung aller Umstände des Verhaltens kein Grund übrig bleibt, daran zu zweifeln, daß der Partner mit seinem Verhalten seinen Willen in einer bestimmten Richtung zum Ausdruck bringen wollte, kann von einer schlüssigen Erklärung ausgegangen werden. Dabei ist für die Frage, ob eine schlüssige Willenserklärung vorliegt, nicht die innere Absicht der Parteien, sondern nur ihr objektives Verhalten von Belang. Es gilt die Vertrauenstheorie, wonach der Erklärende an seine (schlüssige) Äußerung gebunden ist, wenn der Partner auf sie berechtigt vertrauen durfte. Ob ein bestimmtes Verhalten als konkludente Willenserklärung zu werten ist, hängt daher nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern welche Schlüsse der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung abzuleiten berechtigt war. Es entscheidet nicht die innere Absicht, sondern das objektive Verhalten (SZ 58/11 mwN ua). Der Umstand, daß der Kläger nach den Feststellungen nicht die Absicht hatte, das Dienstverhältnis durch vorzeitigen Austritt zu beenden, ist daher nicht entscheidend.

Die Vorinstanzen sind aber auch zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß dem Verhalten des Klägers bei Würdigung aller Umstände die Erklärung des vorzeitigen Austrittes nicht unterstellt werden kann. Der Oberste Gerichtshof hat zwar in Arb 8341 ausgesprochen, daß eine schlüssige Austrittserklärung im Einzelfall auch im Fernbleiben vom Arbeitsplatz gelegen sein kann, dies jedoch nur dann wenn das Verhalten des Dienstnehmers unter strenger Anlegung der Grundsätze des § 863 ABGB diesen Schluß zulasse. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall war der Dienstnehmer zur Dienstleistung nicht erschienen und war ein neues Dienstverhältnis mit einem anderen Dienstgeber eingegangen. Über die bloße Unterlassung der Dienstleistung hinaus lagen daher weitere Umstände vor, aus denen die Absicht des Dienstnehmers erschlossen werden konnte. Das bloße Nichterscheinen am Arbeitsplatz rechtfertigt für sich allein diesen Schluß jedoch nicht. Dazu kommt, daß im vorliegenden Fall Umstände vorlagen, die berechtigten Grund zum Zweifel boten, daß der Nichtantritt der Arbeit ab 4.5.1992 auf einem freien Willensentschluß des Klägers beruhte. Beim Kläger handelt es sich um einen von mehreren bei der Bauunternehmung beschäftigten jugoslawischen (bosnischen) Gastarbeitern. Nach den Verfahrensergebnissen war es regelmäßig der Fall, daß diese über verlängerte Wochenende (diese fielen im Hinblick auf die Arbeitseinteilung jede zweite Woche an) in ihre Heimat fuhren. Da die Kriegsereignisse in Jugoslawien (Bosnien) in Österreich im Mittelpunkt der Medienberichterstattung standen, mußte jedenfalls die Möglichkeit ernstlich in Betracht gezogen werden, daß der Kläger durch diese Ereignisse gehindert wurde, nach Österreich zurückzukehren, als er nach einem verlängerten Wochenende nicht zur Arbeit erschien; dies umsomehr als nach den Ergebnissen des Verfahrens auch andere bosnische Gastarbeiter zu dieser Zeit die Arbeit nicht aufnahmen. Der Nichtantritt der Arbeit durch den Kläger am 4.5.1992 kann daher nicht als schlüssige Erklärung des vorzeitigen Austrittes gewertet werden. Ob das Dienstgeberunternehmen im Hinblick auf das längerfristige Unterbleiben der Arbeitsleistung durch den Kläger von sich aus zur vorzeitigen Lösung des Dienstverhältnisses berechtigt gewesen wäre, kann unerörtert bleiben, weil als Beendigungsgrund ausschließlich der vorzeitige Austritt des Klägers behauptet wurde.

Die Revisionswerberin verweist im weiteren darauf, daß der Kläger nach seiner Rückkehr bezüglich seiner Abwesenheit keine Erklärung abgegeben habe. Abgesehen davon, daß er hiezu nicht befragt wurde und im Hinblick auf die Mehrzahl gleichgelagerter Fälle auch davon ausgehen konnte, daß das Dienstgeberunternehmen vom Grund seiner Abwesenheit Kenntnis hatte, ist hieraus für die beklagte Partei nichts gewonnen. Ist das Fernbleiben des Klägers nicht als vorzeitiger Austritt zu qualifizieren, so kommt dem Umstand, daß er nach seiner Rückkehr seine Abwesenheit nicht von sich aus rechtfertigte, keine entscheidende Bedeutung zu. Hieraus kann eine konkludente Austrittserklärung zu einem davor liegenden Zeitpunkt nicht abgeleitet werden. Auch daß dem Kläger die Arbeitspapiere ausgefolgt wurden und er in der Folge zwar weiterbeschäftigt, von seinem Dienstgeber aber als Neueintritt behandelt wurde, ist nicht entscheidend. Wurde nämlich das Dienstverhältnis zuvor nicht beendet, so war die Vorgangsweise des Dienstgeberunternehmens unberechtigt. Hieraus kann aber die beklagte Partei für ihren Standpunkt nichts ableiten.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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