OGH 12Os96/94

OGH12Os96/9422.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.September 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Reinhart als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Patrizio R***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1, 2 und 3 Z 3 SGG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23.März 1994, GZ 4 d Vr 16451/93-23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Hauptmann, und des Verteidigers Dr.Breitenfeld, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Der (italienische Staatsangehörige) Patrizio R***** wurde (A) des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 (erster und zweiter Fall), Abs 3 Z 3 SGG und (B) des dazu eintätig verübten Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt. Demnach hat er (A) am 20.Dezember 1993 in Wien (Flughafen Wien-Schwechat) den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande Suchtgift in einer Menge, welche "die in § 12 Abs 1 SGG angeführte Menge bei weitem um das 25-fache übersteigt" (sohin mehr als das Fünfundzwanzigfache der in § 12 Abs 1 SGG angeführten Menge ausmacht), nämlich 10.000 Gramm Kokain in seinem Reisegepäck verborgen aus Frankfurt kommend nach Österreich eingeführt und (B) hiedurch diese eingangsabgabenpflichtige Ware vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen (strafbestimmender Wertbetrag: 2,621.000 S).

Die aus § 281 Abs 1 Z 5, 5 a, 10 und - inhaltlich einzelner Berufungseinwände auch - Z 11 StPO allein gegen den Schuld- und Strafausspruch nach dem Suchtgiftgesetz erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Der im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) unternommene Versuch, die tatrichterlichen Feststellungen zur gewerbs- und bandenmäßigen Deliktsverwirklichung nach § 12 Abs 2 SGG unter isolierter Bezugnahme auf bruchstückhaft hervorgehobene Urteilspassagen (Offensichtlichkeit der Tätigkeit des Angeklagten als Drogenkurier der italienischen Mafia - US 5, Anführung der Grundlage der Sachverhaltsfeststellungen als bloßer Einleitung der Ausführungen zur Beweiswürdigung - US 8 unten, US 10 zweiter Absatz, abschließende Resümierung des Ergebnisses der Beweiswürdigung - US 10 unten und 11) als unzureichend begründet zu problematisieren, scheitert schon daran, daß er sich nicht an der Gesamtheit der dazu maßgebenden Urteilserwägungen orientiert. Stützen sich doch die Urteilsgründe zu den Tatsachengrundlagen der nach § 12 Abs 2 SGG qualifizierenden gewerbs- und bandenmäßigen Tatbegehung auf mehrere Verfahrensergebnisse (Details der eigenen Verantwortung des Angeklagten, in der Hauptverhandlung erörterte sicherheitsbehördliche Erhebungsberichte), die sich im Sinn ihrer würdigenden Beurteilung durch das Erstgericht als für die relevierten Qualifikationskriterien tragfähig erweisen. Mag auch der Angeklagte gewerbsmäßige Absicht ebenso bestritten haben wie seine Tateinbindung als Mitglied einer Bande, so ließ seine Verantwortung doch faßbare Anhaltspunkte für eine detaillierte Vorbereitung und Abwicklung des inkriminierten Suchtgifttransportes erkennen, die - auch dem Angeklagten evident - international vernetzte, demnach organisiert zentral gelenkte Täterkontakte voraussetzte. Den dazu wesentlichen Verfahrensergebnissen trugen die Tatrichter aber auch formell mängelfrei Rechnung, soweit sie zur gewerbs- und bandenmäßigen Tatbegehung zudem auf den Umfang und den Wert der transportierten Suchtgiftmenge, die Höhe der dem Angeklagten teils überlassenen, teils zugesicherten Geldbeträge und die sinnfällige Affinität der hier aktuellen Tatmodalitäten (Flugbuchung, Reiseroute, Art und Ausmaß des Kokainschmuggels) zu den Begleitumständen einer 14 Tage zuvor unterbundenen Schmuggelaktion (AS 15, 135 f) abstellten. Dies umso mehr, als die hier ermittelten Tatdetails nach der Aktenlage jenen Fakten entsprechen, die nach den sicherheitsbehördlichen Erfahrungen bei der internationalen Bekämpfung groß angelegter Suchtgifttransaktionen als regelmäßige Indikatoren entsprechender krimineller Organisation anzutreffen sind (AS 137). Diese erweisen sich im Zusammenhang mit der eigenen Verantwortung des Angeklagten, den Auftrag wegen seiner wirtschaftlich schlechten Lage (mehrmonatige Arbeitslosigkeit, hohe Schulden) übernommen zu haben (AS 143), insbesondere auch als hinreichend tragfähig, soweit sie der Feststellung gewerbsmäßiger Tatausrichtung zugrunde liegen.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) wendet gegen die Bejahung bandenmäßiger Tatbegehung die Möglichkeit der Einbindung unwissender Dritter in die mafiose Abwicklung krimineller Suchtgifttransaktionen ein, läuft mit der Reklamation für den Angeklagten günstigerer Varianten tatrichterlicher Beweiswürdigung auf die Ausführung einer hier gesetzlich nicht vorgesehenen Schuldberufung hinaus und vermag vor dem Hintergrund der zur Mängelrüge bereits erörterten Verfahrensergebnisse keine wie immer gearteten Bedenken gegen die Richtigkeit des bekämpften Tatsachenausspruches zu erwecken.

Als gleichfalls nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt erweist sich die Subsumtionsrüge (Z 10), weil sie unter Außerachtlassung der ausdrücklichen tatrichterlichen Feststellung, daß der Angeklagte der Mafia angehörte und für diese als Drogenkurier tätig war (US 5, 8, 10 bis 11), Feststellungsmängel zu den subjektiven Qualifikationskriterien bandenmäßiger Deliktsverwirklichung geltend macht.

Eine - demgegenüber gesetzmäßige - Ausführung des materiellen Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO ist hingegen dem Berufungsvorbringen insofern zu entnehmen, als dort - wenn auch bei der hier gegebenen Fallkonstellation der Sache nach unbegründet - eine Verletzung des Doppelverwertungsverbotes (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) behauptet wird:

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten "unter Anwendung nach § 28 Abs 1 StGB" nach dem § 12 Abs 3 SGG sieben Jahre Freiheitsstrafe sowie "unter Anwendung des § 22 Abs 1 FinStrG" nach § 35 Abs 4 FinStrG 250.000 S Geldstrafe, im Fall der Uneinbringlichkeit zweieinhalb Monate Ersatzfreiheitsstrafe. Dabei wertete es "nach StGB und FinStrG" das Tatsachengeständnis, den bisher ordentlichen Lebenswandel sowie die Sicherstellung des Suchtgiftes als mildernd, als erschwerend hingegen die selbst "die Übermenge" um ein Vielfaches übersteigende Menge einer "harten" Droge hervorragender Qualität sowie "nur nach StGB zusätzlich: die Tätigkeit als Drogenkurier, nämlich das Handeln aus Gewinnsucht mit gewerbsmäßiger Absicht, ohne selbst süchtig zu sein, sowie das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen".

Einen bei dieser Strafbemessung unterlaufenen Gesetzesverstoß erblickt der Rechtsmittelwerber allein darin, daß "die Tätigkeit als Drogenkurier, nämlich das Handeln aus Gewinnsucht mit gewerbsmäßiger Absicht, ohne selbst süchtig zu sein" zum Strafausspruch nach dem StGB (gemeint: SGG) als zusätzlicher Erschwerungsgrund gewertet wurde, ist damit aber nicht im Recht. Weder die gewerbsmäßige noch die bandenmäßige Begehung des Suchtgiftverbrechens (§ 12 Abs 2 erster und zweiter Fall SGG) waren für die hier zum Tragen gekommene Strafdrohung nach § 12 Abs 3 SGG bestimmend, weil nicht der Strafsatz des zweiten, sondern der vergleichsweise höhere Strafsatz des dritten Absatzes des § 12 SGG zur Anwendung gelangte. Das - im § 12 Abs 3 Z 3 SGG begrifflich nicht vorausgesetzte - Vorliegen einer Qualifikation nach § 12 Abs 2 dieser Gesetzesstelle war daher ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot bei der Strafbemessung zusätzlich mitzuberücksichtigen.

Der erstgerichtliche Strafausspruch stand jedoch - wie von der Generalprokuratur zutreffend aufgezeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang, soweit das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen (sinngemäß allein zum Strafausspruch nach dem SGG) als erschwerend gewertet wurde. Bei (hier: eintätiger) Konkurrenz eines Finanzvergehens mit einer strafbaren Handlung anderer Art ist nämlich gemäß § 22 Abs 1 FinStrG die Strafe für das Finanzvergehen gesondert von jener für die andere strafbare Handlung zu verhängen. Wegen der danach vorgesehenen Kumulierung gesonderter Strafen kommt im konkreten Fall auch für das Suchtgiftdelikt die Berücksichtigung des Erschwerungsgrundes nach § 33 Z 1 StGB nicht in Betracht (Mayerhofer-Rieder3 ENr 4 a zu § 22 FinStrG). Ungeachtet dieser bei der erstgerichtlichen Strafbemessung - isoliert betrachtet zum Nachteil des Angeklagten - unterlaufenen Gesetzesverstoßes sieht der Oberste Gerichtshof hier jedoch keinen Anlaß für eine Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO, weil in erster Instanz andererseits - den Angeklagten begünstigend - übersehen wurde, daß infolge der Strafbemessung nach § 12 Abs 3 SGG auch die - wie bereits dargelegt diese Strafdrohung nicht mitbestimmende - bandenmäßige Tatbegehung zusätzlich als erschwerend ins Gewicht fällt. Ein im Ergebnis faßbarer gesetzwidriger Nachteil, der dem Angeklagten aus dem bekämpften Strafausspruch erwachsen wäre, liegt demnach nicht vor.

Auch der vom Angeklagten außerdem ergriffenen Berufung, mit der er eine Aufwertung der ihm zustatten kommenden Milderungsgründe und davon ausgehend eine Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe nach dem Suchtgiftgesetz anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Angesichts des (nicht nur im Inland) sinnfällig eskalierenden Anstieges kapitaler Suchtgiftdelinquenz, deren fatale gesellschaftliche (wirtschaftlichen wie sozialen) Auswirkungen keiner näheren Erörterung bedürfen, insbesondere aber auch unter Bedachtnahme auf die massive Sogwirkung der notorischen Gewinnträchtigkeit international organisierten Vertriebes bedeutender Suchtgiftquanten und der mit steigender Frequenz im zwischenstaatlichen Verkehr jedweder Art wachsenden Schwierigkeit seiner Bekämpfung stehen vor allem generalpräventive Überlegungen im Vordergrund der einschlägigen Sanktionsfindung. Vor dem Hintergrund dieses aus grundsätzlichen Erwägungen einschneidenden Unwertes von Suchtgiftdelikten der in Rede stehenden Art, dessen Gewicht in der hier aktuellen gesetzlichen Strafdrohung von bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe deutlich zum Ausdruck kommt, stellt sich der bekämpfte Strafausspruch dem Berufungsstandpunkt zuwider keineswegs als unbillige Härte, vielmehr als nach dem Gesagten zur wirksamen Bekämpfung gerade dieser Verbrechenssparte gebotene, sohin sachgerechte Sanktion dar.

Der Berufung war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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