OGH 11Os122/94

OGH11Os122/9420.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.September 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Krumholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef P***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 18.Mai 1994, GZ 17 Vr 254/94-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef P***** (zu 1.) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (im Urteil irrtümlich: § 201 Abs 1 StGB) und (zu 2.) des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in der Nacht zum 20.Dezember 1993 in St.V***** seine geschiedene Ehegattin Anita P*****

(1.) außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, nämlich durch Versetzen von Schlägen, Herabreißen ihrer Jeanshose vom Körper und gewaltsames Entkleiden gegen ihren Willen sowie durch die Worte "Jetzt bringe ich dich endgültig um", zur Vornahme und Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich zur Durchführung eines Oralverkehrs, und

(2.) durch Gewalt und gefährliche Drohung, nämlich Versetzen von Schlägen in das Gesicht mit den Worten "Ich erschlag dich", mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz (US 4 und 6) zu einer Handlung, nämlich zur Unterfertigung einer Verzichtserklärung betreffend die Benützung der im Erdgeschoß des Hauses E***** 24 gelegenen und von ihr seit der Ehescheidung benützten Wohnung, genötigt.

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Z 3, 5, 9 lit a und b sowie 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die jedoch in keinem Punkt berechtigt ist.

Den erstangeführten Nichtigkeitsgrund erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die Aussage der sich in der Hauptverhandlung berechtigt gemäß § 152 Abs 1 Z 2 StPO entschlagenden Zeugin Anita P***** im Urteil verwertet worden sei.

Tatsächlich hat jedoch das erkennende Gericht als Entscheidungsgrundlage ausschließlich die eigene Verantwortung des Angeklagten herangezogen (US 3 und 5), der nicht nur nach Vorhalt der ihn belastenden Angaben der Anita P***** im Vorverfahren (13 ff, 33 ff) den Tathergang als von ihr richtig geschildert zugestand, sondern auch ausdrücklich erklärte, daß er seiner geschiedenen Ehefrau "mehrere Schläge" und "einige Hiebe mit der flachen Hand ins Gesicht" versetzt habe (22 f), daß es zu einem Mundverkehr gekommen sei (44, 62) und "sie schon so eingeschüchtert" gewesen sei, "daß sie alles gemacht hat" (60, 62). Der behauptete Verstoß gegen das Verwertungsverbot (§ 252 Abs 1 Z 2 a bzw Abs 4 StPO) liegt daher nicht vor.

Mit der Mängelrüge (Z 5) vermag die Beschwerde keinen formalen Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen; sie versucht vielmehr lediglich nach Art einer Schuldberufung und damit auf eine im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Weise die beweiswürdigenden Überlegungen der Tatrichter anzugreifen und zu anderen als den von ihnen getroffenen Feststellungen zu gelangen. Tatsächlich hat sich das erkennende Gericht mit der Verantwortung des Angeklagten bezüglich der von ihm konsumierten Alkoholmengen und seinen angeblichen Erinnerungslücken auseinandergesetzt und begründet dargelegt, warum es eine volle Berauschung zur Tatzeit nicht angenommen hat (US 5 und 6). Daß der Angeklagte auch in der Hauptverhandlung zugab, "nicht so stark berauscht gewesen" zu sein (63), sei in diesem Zusammenhang nur noch der Vollständigkeit halber bemerkt.

Soweit im übrigen eine Undeutlichkeit bzw Aktenwidrigkeit der Urteilsgründe behauptet wird, vermag der Beschwerdeführer weder darzutun, inwieweit in den Entscheidungsgründen als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angeführt worden sei, was nicht deren Inhalt bildet oder inwieweit der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels im Urteil unrichtig wiedergegeben wurde.

Wenn der Beschwerdeführer vermeint, das Erstgericht hätte das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft zum Tatzeitpunkt prüfen müssen, so übersieht er die das Vorliegen einer außerehelichen Lebensgemeinschaft (im Sinn einer der Beziehung miteinander verheirateten Personen gleichkommenden Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft) ausschließenden Urteilskonstatierungen (66 = US 3 der Urteilsausfertigung), wonach es zwischen ihm und seiner getrennt lebenden geschiedenen Frau (wegen des gemeinsamen Kindes) damals bloß zu fallweisen "(auch geschlechtlichen) Kontakten" gekommen ist. Im übrigen wäre es der Verteidigung freigestanden, in Ausübung des in § 249 Abs 1 StPO vorgesehenen Fragerechtes eine allenfalls wünschenswert erschienene weitere Klärung herbeizuführen und die Durchführung der dazu notwendig erscheinenden (zusätzlichen) Beweise zu beantragen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die - unter Wiederholung der Ausführungen zur Mängelrüge - teils unter Übergehen wesentlicher Urteilsfeststellungen, teils auf verfahrensfremder Grundlage materielle Feststellungsmängel einwendet, orientiert sich nicht am gesamten Urteilssachverhalt und gelangt damit nicht zur gesetzmäßigen Darstellung (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 E 26). Dies gilt namentlich für die Ausführungen zur vollen Berauschung, wobei sich die Beschwerde über die gegenteiligen Urteilsannahmen (S 3 ff) hinwegsetzt.

Gleiches gilt für die gestützt auf Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO aufgestellte Behauptung des Vorliegens eines Verfolgungshindernisses nach § 203 Abs 1 StGB. Auch mit diesem Einwand übergeht die Beschwerde die auf die Lebensumstände bezogenen, eine außereheliche Lebensgemeinschaft ausschließenden Urteilsannahmen (US 3) und baut somit ihre Überlegungen auf urteilsfremden Annahmen auf.

Schließlich vermag auch die Strafbemessungsrüge (Z 11) nicht durchzuschlagen, weil der Beschwerdeführer bei der Behauptung, auf ihn wäre § 203 Abs 2 StGB anwendbar, abermals nicht von den Urteilsfeststellungen ausgeht.

Die übrigen Ausführungen zur Strafbemessungsrüge, in welcher, um Wiederholungen zu vermeiden, (auch) auf die ("Schuld-", ersichtlich gemeint Straf-)Berufung verwiesen wird, stellen zur Gänze ein Berufungsvorbringen dar; sie erschöpft sich nämlich in der Aufzählung von Milderungsgründen. Damit werden aber ausschließlich Gründe geltend gemacht, deren Prüfung dem Berufungsverfahren vorbehalten ist (Mayerhofer-Rieder aaO § 281 Z 11 E 1 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufung wird der hiefür gemäß § 285 i StPO zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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