OGH 11Os109/94(11Os110/94)

OGH11Os109/94(11Os110/94)20.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.September 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Krumholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Kurt W***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 15.Juni 1994, GZ 8 Vr 814/93-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Bassler, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Wageneder zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten wird teilweise Folge gegeben und die Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Seiner Berufung im übrigen und jener der Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kurt W***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG schuldig erkannt, weil er in der Zeit von Frühjahr bis Ende 1993 in Mattighofen dadurch, daß er mehrere indische Hanfpflanzen aufzog und hieraus 4.034 Gramm getrocknetes Cannabiskraut (mit einem Reingehalt von mindestens 183 Gramm THC) gewann, den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge erzeugt hat.

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5, 5 a sowie 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt der Beschwerdeführer zunächst die Abweisung seines Antrags auf Einholung eines chemischen oder pharmakologischen Gutachtens zum Beweis dafür, daß das von ihm in der Hauptverhandlung vorgezeigte Spritzmittel zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung bereits Substanzen der beschlagnahmten Cannabis- oder Hanfpflanzen enthalten habe (116). Diese Beweisaufnahme konnte, wie schon das Erstgericht zutreffend erkannte (117), ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten des Angeklagten unterbleiben, weil selbst das angestrebte Beweisergebnis nicht geeignet wäre, eine entscheidende Änderung der Beweislage zugunsten des Beschwerdeführers herbeizuführen; könnte doch der Nachweis der Verwendung einer geringen Menge an Haschischsubstanz im Rahmen der behaupteten Forschungstätigkeit die für den Schuldspruch maßgebliche Urteilsannahme der Erzeugung einer im Sinn des § 12 Abs 1 SGG großen Menge von Cannabiskraut nicht in Frage stellen.

Verteidigungsinteressen des Beschwerdeführers konnten aber auch durch die Abweisung seines Antrages auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens (116) nicht geschmälert werden. Dieser Antrag betraf nämlich keine beweisbedürftige rechtserhebliche Tatsache, sondern diente nur der Klärung der Rechtsfrage, ob die vom Beschwerdeführer gezogene Menge von 4.033 Gramm Cannabiskraut (mit 183 Gramm THC Reingehalt) geeignet war, im (gedachten) Falle ihrer Weitergabe in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen (§ 12 Abs 1, 2.Satz SGG). Rechtsfragen, über die allein das erkennende Gericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes zu entscheiden hat, sind aber einer Beweisaufnahme nicht zugänglich.

Aber auch die Mängelrüge (Z 5) erweist sich als nicht zielführend.

Mit dem Vorbringen, das Erstgericht habe Teile der Verantwortung des Beschwerdeführers wie auch der Angaben des dem Verfahren beigezogenen Sachverständigen Amtsrat W***** sowie der Zeugen Insp. Sch***** und Insp.H***** mit Stillschweigen übergangen, wird keine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung aufgezeigt, weil die vom Beschwerdeführer angeführten und im Ersturteil nicht näher erörterten Beweisergebnisse keine entscheidungswesentlichen Umstände betreffen. Daß nämlich der Sachverständige W***** dem Hanf eine gewisse Eignung als Schädlingsbekämpfungsmittel nicht absprach bzw zehn am Komposthaufen entdeckte verrottete Cannabispflanzen nach Darstellung des Beschwerdeführers wegen mangelnden Bedarfs von ihm weggeworfen wurden, ist für die Lösung der Schuldfrage ebensowenig von Belang wie einzelne von den zuvor genannten Gendarmeriebeamten bekundete Details über die beim Beschwerdeführer vorgenommene Hausdurchsuchung. Entgegen dem in der Beschwerde vertretenen Standpunkt hat der Sachverständige W***** jedenfalls bekräftigt, daß die von der Kriminaltechnischen Zentralstelle vorgenommene Untersuchung der sichergestellten Pflanzenteile (siehe 39 ff) wissenschaftlich gesicherten Richtlinien entsprach, sodaß das Ergebnis dieser Untersuchung eine taugliche Grundlage für die Gutachtenserstattung bildete (112 und 114).

Unbeachtlich ist auch der weitere Einwand der Mängelrüge (Z 5), daß die erstgerichtliche Annahme eines im Sinn des § 12 Abs 1 SGG deliktsspezifischen Vorsatzes des Beschwerdeführers mit dessen Verantwortung Cannabisharz "kein Suchtgiftpotential einzuräumen" in Widerspruch stehe; in diese Richtung zielen auch die Beschwerdeeinwände rechtlicher Natur (Z 9 lit a und b), mit denen dem Erstgericht vorgeworfen wird, Feststellungen über die Vorstellungen des Beschwerdeführers von der Gesundheitsgefährlichkeit von "4 kg Hanf" unterlassen zu haben. Soweit der Beschwerdeführer überdies der Sache nach einwendet, er habe über die Gefährlichkeit der hier aktuellen Menge an Cannabiskraut bzw über den in dieser Menge enthaltenen THC-Gehalt geirrt, sodaß ihm ein Tatbildirrtum zuzubilligen sei, verkennt er die Rechtslage: Seit der Änderung des § 12 SGG durch die Suchtgiftgesetznovelle 1985, BGBl 184, ist die Herbeiführung einer abstrakten Gemeingefahr durch die im § 12 Abs 1 SGG angeführten Begehungsformen nicht mehr Tatbestandsmerkmal. Die Gemeingefahr ist nach der neuen Rechtslage nur mehr als Mittel der Quantifizierung der "großen Menge" von Bedeutung (Kodek, SGG, 47). In subjektiver Beziehung setzt der Verbrechenstatbestand nach § 12 Abs 1 SGG daher nur voraus, daß sich der (zumindest bedingte) Vorsatz des Täters auf die Suchtgifteigenschaft des (von ihm erzeugten, aus- bzw eingeführten oder in Verkehr gesetzten) Stoffes sowie darauf erstreckt, daß die Menge nach ihrer Größe für den gedachten Fall der Weitergabe für einen großen Personenkreis gefährlich werden kann (Kodek aaO, 55 und 56; Foregger-Litzka, SGG, § 12 Erläut VI). Das Vorliegen dieser für die subjektive Tatseite des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG erforderlichen Voraussetzungen hat aber das Erstgericht - bei dem bereits einschlägig vorbestraften Beschwerdeführer - mit mängelfreier Begründung bejaht (vgl US 2, 3 und 4).

Die weitere Rüge einer offenbar unzureichenden Begründung der Feststellung, daß die dem Schuldspruch nach § 12 Abs 1 SGG zugrunde liegende Tathandlung mit Beziehung auf eine große Menge begangen wurde, betrifft (erneut) keine (nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO) entscheidende Tatsache; ob nämlich eine Suchtgiftmenge als "groß" im Sinn des § 12 Abs 1 SGG anzusehen ist, stellt keine Tat-, sondern eine Rechtsfrage dar, bei deren Lösung sich das Erstgericht auf die ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofes stützen konnte, derzufolge die große Menge (Grenzmenge) iS des § 12 Abs 1 SGG bei Cannabiskraut ab einem THC-Gehalt von 20 Gramm einsetzt. Von dieser Rechtsprechung abzugehen, bietet auch der vorliegende Fall keinen Anlaß.

In der Tatsachenrüge (Z 5 a) vermag der Beschwerdeführer an Hand des Akteninhaltes keine erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Sachverhaltsannahmen aufzuzeigen. Zum Einwand, der Anbau von Hanf zu gärtnerischen und gewerblichen Zwecken sei legal, genügt der Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 2 und 3 Abs 2 SGG. Die Verantwortung des Beschwerdeführers, den Hanfanbau nur zwecks Gewinnung eines natürlichen Schädlingsbekämpfungsmittels betrieben zu haben, hielt das Erstgericht mit überzeugender Begründung für widerlegt (US 3).

Letztlich versagt auch der Vorwurf, der bekämpfte Schuldspruch sei rechtsirrig, weil Cannabisharz an sich (und demzufolge auch die vom Schuldspruch erfaßte Menge von 4.034 Gramm Cannabiskraut mit mindestens 183 Gramm THC Reingehalt) kein Suchtgift sei (Z 9 lit a).

Nach § 1 Abs 1 SGG sind unter Suchtgift Stoffe und Zubereitungen zu verstehen, die durch die Einzige Suchtgiftkonvention vom 30.März 1961 zu New York in der Fassung des Protokolls vom 25.März 1972 zu Genf, BGBlNr. 531/1978, Beschränkungen hinsichtlich der Erzeugung (Gewinnung und Herstellung), des Besitzes, Verkehrs, der Ein-, Aus- und Durchfuhr, der Gebarung oder Anwendung unterworfen sind. Gemäß § 1 Abs 4 SGG unterliegen nach Maßgabe der Vorschriften der Einzigen Suchtgiftkonvention und dieses Bundesgesetzes auch ..... Cannabispflanzen den in Abs 1 angeführten Beschränkungen (vgl auch die Suchtgiftverordnung 1979, BGBlNr. 390, § 1 Abs 1 und Abs 2 in Verbindung mit Anhang I und Anhang V; ferner § 1 Abs 3 lit k SGG).

Angesichts dieser klaren und eindeutigen gesetzlichen Regelung kann daher nicht zweifelhaft sein, daß Haschisch (Cannabiskraut) unter den Begriff Suchtgift im Sinn des § 1 Abs 1 SGG fällt. Der Beurteilung des dem Schuldspruch zugrunde gelegten Tatverhaltens als Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG haftet demzufolge kein Rechtsirrtum an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 12 Abs 1 SGG eine Freiheitsstrafe von einem Jahr. Dabei wertete es als erschwerend die "mehreren einschlägigen Vorstrafen, wenngleich diese zumindest teilweise längere Zeit zurückliegen", als mildernd das Tatsachengeständnis; die Gewährung bedingter Strafnachsicht lehnte es mit dem Hinweis auf die "Überzeugungstäterschaft" des Angeklagten aus spezial-, aber auch aus generalpräventiven Erwägungen ab.

Mit seiner dagegen erhobenen Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe sowie deren bedingte Nachsicht an. Die von der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung angemeldete Berufung (118) blieb unausgeführt.

Berechtigt ist die Berufung des Angeklagten, soweit sie die Gewährung bedingter Strafnachsicht begehrt.

Vorerst ist anzumerken, daß das Erstgericht das "Tatsachengeständnis" zu Unrecht als mildernd gewertet hat. Denn der Angeklagte hat lediglich den Anbau der Cannabispflanzen zugestanden, die im Zuge einer Hausdurchsuchung am 6.Oktober 1993 vorgefunden wurden, sich im übrigen jedoch stets damit verantwortet, daß er Cannabis nicht als Suchtgift betrachte. Da das Leugnen des Anbaus der Cannabispflanzen vorliegend keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, kann in dieser Verantwortung auch kein (wesentlicher) Beitrag zur Wahrheitsfindung erblickt werden (Mayerhofer-Rieder StGB4 § 34 E 51).

Der Angeklagte zeigt keine Umstände auf, die eine Reduktion des bekämpften Strafmaßes rechtfertigen könnten. Soweit er auch im Rahmen der Berufung ins Treffen führt, er halte Hanf für eine wichtige Nutzpflanze und bewerte die Gefährdung durch dieses Suchtgift als gering bzw als überhaupt nicht bestehend, genügt der Hinweis auf den rechtskräftigen Schuldspruch. Die Bezugnahme auf in anderen Verfahren verhängte Strafen hinwieder, ist - mangels Vergleichbarkeit des Sachverhaltes - von vornherein nicht zielführend.

Im übrigen hat das Erstgericht die Strafzumessungsgründe vollständig erfaßt und bei der aktuellen Strafdrohung des § 12 Abs 1 SGG - Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren - eine Unrechtsfolge geschöpft, die sowohl dem Unrechtsgehalt der Straftat als auch der bedeutenden personalen Täterschuld des Berufungswerbers Rechnung trägt und somit keiner Änderung bedarf.

Berechtigt ist die Berufung des Angeklagten allerdings, soweit sie die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt.

Die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten liegen mehrere Jahre zurück, bisher wurde er - mit einer Ausnahme - immer zu Geldstrafen verurteilt. Schlägt man noch hinzu, daß er nunmehr als selbständiger Gärtner seinen glaubhaften Angaben zufolge erstmals berufliche Erfolge erzielt. bedarf es nach Lage des Falles doch noch nicht des Vollzuges der Freiheitsstrafe, um den Berufungswerber von weiteren (gleichartigen) strafbaren Handlungen abzuhalten und der Begehung (derartiger) strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Es liegen vielmehr - auch unter dem Aspekt der Erhaltung und Festigung der allgemeinen Normentreue - alle Voraussetzungen des § 43 Abs 1 StGB vor, sodaß die Strafe bedingt nachzusehen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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