OGH 10ObS185/94

OGH10ObS185/9420.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Fellner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Renate Klenner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Jovica M*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Peter Zawodsky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. April 1994, GZ 31 Rs 20/94-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 8. März 1993, GZ 17 Cgs 111/92-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 27.2.1962 im ehemaligen Jugoslawien geborene Kläger war in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1.8.1991) 86 Monate als Hilfsarbeiter und nach einer Ausbildung im Jahr 1990 weitere 9 Monate als Fassader tätig. Er kann nach dem medizinischen Leistungskalkül - hauptsächlich als Folge eines im Jahr 1991 erlittenen Verkehrsunfalles - nur mehr leichte Arbeiten ausschließlich im Sitzen leisten. Gelegentliches Gehen und Stehen sind möglich. Die Anmarschwege sind bis 1.000 m pro Wegstrecke bis zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel beschränkt. Ständiger besonderer Zeitdruck scheidet aus.

Das Erstgericht wies das auf Gewährung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab dem 1.8.1991 gerichtete Klagebegehren ab. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus stellte es fest, daß an gleichwertigen und mit einer großen Anzahl von Dienstposten ausgestatteten Verweisungstätigkeiten Tischarbeiten in der Elektro- bzw. Elektronikindustrie sowie im Rahmen der Werkstückmontage von Klein- und Kleinstmaterialien (zB Kunststoff- oder Metallbranche) in Frage kommen. Daraus folgerte das Erstgericht rechtlich, daß der Kläger nicht invalid iS des § 255 Abs 3 ASVG sei, weil er noch die angeführten Verweisungstätigkeiten ohne Einschränkung inhaltlicher oder zeitlicher Art ausüben könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Der Kläger könne noch die angeführten Verweisungstätigkeiten ausüben und ein Einkommen in der Höhe des kollektivvertraglichen Lohnes erzielen. Daß die angeführten Verweisungstätigkeiten in ausreichender Zahl auf dem Arbeitsmarkt vorkämen, sei entgegen der Ansicht des Klägers offenkundig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpft der Kläger die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß er noch imstande sei, ein Einkommen in der Höhe des kollektivvertraglichen Lohnes zu erzielen. Dies würde nämlich voraussetzen, daß er in der Lage wäre, eine Verweisungstätigkeit ohne jede Einschränkung inhaltlicher oder zeitlicher Art auszuüben. Der Kläger sei aber nur mehr für leichte Arbeiten ausschließlich im Sitzen geeignet, ständiger besonderer Zeitdruck scheide überhaupt aus.

Ist ein Versicherter in der Lage, eine Verweisungstätigkeit ohne jede Einschränkung inhaltlicher oder zeitlicher Art auszuüben, so ist davon auszugehen, daß er in der Lage ist, ein Einkommen in der Höhe des kollektivvertraglichen Lohnes zu erzielen (ständige Rechtsprechung seit SSV-NF 1/11). Der Kläger könnte daher nur dann den kollektivvertraglichen Lohn nicht erzielen, wenn es keine Verweisungstätigkeiten gäbe, die mit dem Leistungskalkül (leichte Arbeiten im Sitzen unter Ausschluß von ständigem besonderem Zeitdruck) vereinbar sind. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers ist aber offenkundig, daß es solche Verweisungstätigkeiten gibt, beispielsweise die vom Erstgericht genannten Tischarbeiten, mit denen ständiger besonderer Zeitdruck keineswegs verbunden ist. Wie aus dem vom Erstgericht eingeholten berufskundlichen Sachverständigen- gutachten hervorgeht, kommt ständiger Zeitdruck (Akkord- und Fließbandarbeit) nur betriebsspezifisch bei den Montage- und Bearbeitungsberufstätigkeiten vor, überhaupt nicht bei den angeführten Berufstätigkeiten im Rahmen der optischen Werkstück- und Produktkontrolle in der Elektro- oder Elektronikindustrie. Es handelt sich dabei um Arbeiten mit nur leichter körperlicher Belastung in sitzender Körperhaltung; kurzes Stehen und Gehen kommen maximal fallweise vor, hauptsächlich bei den Arbeitspausen. Es sind dies Hilfstätigkeiten, die vom Kläger auch unter Berücksichtigung, daß er bisher in gänzlich anderem Berufsmilieu gearbeitet hat, nach einer zwei- bis dreiwöchigen innerbetrieblichen Arbeitsplatzunterweisung beherrscht werden können. Daraus folgt aber, daß er am Stichtag erst 29 Jahre alte Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung einer Invaliditätspension nach § 255 Abs 3 ASVG nicht erfüllt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Kosten des Revisionsverfahrens wurden nicht verzeichnet.

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