OGH 13Os125/94

OGH13Os125/9414.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.September 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Krumholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Srdjan C***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 7.Juni 1994, GZ 30 d Vr 524/94-75, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Hauptmann, des Angeklagten und der Verteidigerin Dr.Zauner-Grois zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 20 (zwanzig) Jahre herabgesetzt.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, angefochtenen Urteil wurde Srdjan C***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB

(1.) und des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (2.) schuldig erkannt. Darnach hat er am 13.Jänner 1994 in Wien Franz W*****

(zu 1.) vorsätzlich getötet, indem er dem Genannten mit einem Hammer 21 Schläge gegen den Kopf sowie vier Messerstiche - teilweise gegen die rechte Nierenregion, teilweise gegen das Gesäß - versetzte, wodurch dieser vier Stichwunden sowie zahlreiche tiefreichende Rißquetschwunden im rechten Hinterhaupt und im Scheitelbereich sowie eine Zertrümmerung des Schädeldaches und eine umfängliche Hirnquetschung erlitt, welche zu einer Atem- und Hirnlähmung und dadurch zum Tod führten, und

(zu 2.) eine fremde bewegliche Sache, und zwar eine Porzellanfigur, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mordes richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der indes keine Berechtigung zukommt.

Soweit der Beschwerdeführer in der Rechtsbelehrung zur (unbeantwortet gebliebenen) Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlages (§ 76 StGB) Erläuterungen darüber vermißt, daß die Ursache der heftigen Gemütsbewegung nicht in einer gegenüber dem Leben anderer ablehnenden oder gleichgültigen Einstellung des Täters, also in einem Gesinnungs- oder Charaktermangel bestehen darf, sondern lediglich in besonderen äußeren Umständen der konkreten Lebenssituation zu suchen ist, übergeht er in prozeßordnungswidriger Weise wesentliche Teile der Belehrung nach § 321 Abs 1 StPO. In dieser wurde sogar wiederholt (s S 8 Mitte, 9 oben) in Einklang mit der in Lehre und Rechtsprechung hiezu vertretenen Auffassung (Leukauf-Steininger, Komm3 § 76, RN 12 f) zutreffend hervorgehoben, daß die Ursache der Gemütsbewegung nicht im Charakter (psychisch abnormen Persönlichkeitsbild) des Täters oder in allenfalls vorhandenen verwerflichen Eigenschaften und Neigungen liegen dürfe, sondern "vielmehr in äußeren Umständen" gelegen sein müsse (S 8), da nur dann, wenn dem Täter kein sittlicher Vorwurf gemacht werden könne, daß er in den psychischen Ausnahmezustand geraten ist, die Gemütsbewegung allgemein begreiflich (iSd § 76 StGB) sei. Von einer einer Unrichtigkeit gleichkommenden Undeutlichkeit, Unvollständigkeit oder Unverständlichkeit der Rechtsbelehrung kann daher - der Beschwerde zuwider - keine Rede sein.

Dies gilt auch für den weiteren Beschwerdevorwurf der Ungenauigkeit, der dem erklärenden Hinweis darauf anhafte, ein Durchschnittsmensch müsse sich, solle die Gemütsbewegung allgemein begreiflich sein, vorstellen können, auch er wäre unter den gegebenen Umständen in eine solche Verfassung geraten. Es trifft zwar zu, daß unter der Maßfigur im Sinne des § 76 StGB ein rechtstreuer Mensch von der geistigen und körperlichen Beschaffenheit des Täters in der spezifischen Tatsituation zu verstehen ist: die Maßfigur muß sich also dem individuellen Täter hinsichtlich sozialer Stellung, Lebenskreis, Alter, Gesundheit, Beruf, Bildung, Herkunft usw möglichst annähern, wobei allerdings auf die durchschnittliche Rechtstreue (Verbundenheit mit den rechtlich geschützten Werten) abzustellen ist (Mayerhofer-Rieder StGB4, ENr 8 zu § 76). Das Fehlen hierauf besonders eingehender Erläuterungen konnte jedoch keine unrichtige Beantwortung der hier aktuellen Rechtsfragen nach sich ziehen; denn der überwiegend in Österreich (im Elternhaus) aufgewachsene Angeklagte ist den psychologischen und psychiatrischen Sachverständigengutachten zufolge (ON 35, 37) geistig normal entwickelt, verfügt über eine nicht sonderlich differenzierte, aber doch einigermaßen genügende intellektuelle Begabung, weist keine Zeichen einer konstanten psycho-physischen Beeinträchtigung auf und ist auch neurologisch unauffällig; er weicht daher insoweit nicht von der Norm ab. Jene Auffälligkeiten des Angeklagten, die in Frustrationsintoleranz, erhöhten Aggressionspotentialen, verminderter Anstrengungsbereitschaft im Arbeits- und Sozialbereich sowie Neigung zum Drogen- und Alkoholmißbrauch bestehen, sind Charaktermängel, die - soweit sie überhaupt außerhalb der auch bei durchschnittlich rechtstreuen Menschen bestehenden Toleranzbreite liegen - in den - wie bereits dargelegt - individualisierten, jedoch in rechtsethischer Hinsicht objektiv-normativen Maßstab (ENr 8 aaO; 12 Os 137/93; Leukauf-Steininger, Komm3 § 76 RN 12) nicht aufzunehmen sind. An der sittlichen Verwerflichkeit solcher abnormen charakterlichen Eigenarten besteht kein Zweifel; daher lag kein Anlaß für die in der Beschwerde (in Anlehnung an Moos in: WK Rz 38 zu § 76) geforderte zusätzliche Erläuterung vor, abnorme psychische Eigenschaften als Ursache eines heftigen Affekts schlössen nur dann dessen allgemeine Begreiflichkeit aus, wenn sie eine "asoziale" (Moos: antisoziale) Gesinnung erkennen ließen.

Den vom Beschwerdeführer vermißten Ausführungen über die Anwendbarkeit des § 76 StGB auch auf Fälle der Affektauslösung aus einem scheinbar geringfügigen Anlaß kam nach der Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung (AS 68/III unten und f), gegen Franz W***** auf dessen Ankündigung einer telefonischen Mitteilung an die Gattin des Angeklagten über den unmittelbar zuvor stattgefundenen homosexuellen Verkehr mit einer "Kurzschlußhandlung" reagiert zu haben, keine Aktualität zu; ist doch das angeblich angekündigte Verhalten in aller Regel zu einer schweren Gefährdung der Ehe des Denunzierten geeignet und konnte daher von den Geschworenen keinesfalls als bloß geringfügiger Anlaß betrachtet worden sein. Es bestand sohin auch kein Grund, im Sinne der weiteren (auf Moos aaO, Rz 45 und 47 gestützten) Beschwerdeausführungen auf die Frage der Erheblichkeit des Verschuldens eines aus einem Bagatellanlaß handelnden Krisentäters an der affektträchtigen Entwicklung der Vorgeschichte einzugehen.

Ebensowenig bedurfte es eines Hinweises darauf, daß eine besonders verwerfliche Begehungsweise der Tat die allgemeine Begreiflichkeit der Gemütsbewegung nicht hindert, derartige Aggressionsentladungen vielmehr geradezu typischer Ausdruck eines heftigen Affekts sind (Moos aaO Rz 51). Einerseits ist es eine - keiner juristischen Begründung bedürftige - Allgemeinerfahrung, daß hemmungsloses Ausleben der Aggression auf eine besonders heftige Gemütsbewegung schließen läßt. Andererseits ergibt sich die Unerheblichkeit der Tatausführung (einschließlich ihrer sie als besonders brutal kennzeichnenden Begleitumstände) für die Beurteilung der allgemeinen Begreiflichkeit des Affektes - auch für Laien erkennbar - schon aus dem Hinweis der Rechtsbelehrung darauf, daß nicht die im "Ausnahmezustand" (heftiger Gemütsbewegung) gesetzte vorsätzliche Tötung (sondern allein die konkrete Gemütsbewegung des Täters) für jedermann verständlich sein müsse (S 9 Mitte der Rechtsbelehrung; vgl auch S 8 2. und 3.Satz).

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war somit zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28, 75 StGB eine lebenslange Freiheitsstrafe, wobei es als erschwerend die grausame Handlungsweise, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und mehrere Vorstrafen wegen Vermögensdelikte wertete, als mildend hingegen das Geständnis und die Sicherstellung der Diebsbeute.

Gegen diesen Strafausspruch richtet sich die auf eine Herabsetzung des Strafmaßes abzielende Berufung des Angeklagten, der Berechtigung nicht abgesprochen werden kann. In die Erwägungen zur Straffrage sind auch die Begleitumstände der Tat einzubeziehen. Danach hat der Angeklagte zwar nicht in einer allgemein begreiflichen, dennoch aber heftigen Gemütsbewegung gehandelt, die, wenngleich sie die Annahme des besonderen Milderungsgrundes des § 34 Z 8 StGB nicht rechtfertigt, im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungsgrundsätze des § 32 StGB zu berücksichtigen ist. Bei weiterer Bedachtnahme auf das Alter des Angeklagten von noch nicht 23 Jahren zur Tatzeit hält der Oberste Gerichtshof daher die Verhängung einer zeitlichen anstelle der lebenslangen Freiheitsstrafe für vertretbar.

Zu einem Widerruf der bedingten Entlassung (BE 109/92 des Landesgerichtes Wr.Neustadt) bestand im Hinblick auf die verhängte zeitlich längste Freiheitsstrafe kein Anlaß.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390 a StPO.

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