Spruch:
Im Verfahren AZ 16 E Vr 787/93 des Landesgerichtes St.Pölten wurden
a) durch Punkt 2.) des Beschlusses des Einzelrichters des Landesgerichtes St.Pölten vom 27.Juli 1993, und
b) durch den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 24.August 1993, soweit damit der gegen Punkt 2.) des vorgenannten Beschlusses gerichteten Beschwerde nicht Folge gegeben wurde,
§§ 14 Abs 4, 15 Abs 1 MedG iVm §§ 485 Abs 1 Z 3, 486 Abs 2 StPO verletzt.
Text
Gründe:
Die Antragstellerin R***** GmbH (im folgenden Antragstellerin genannt) begehrte auf Grund eines nach ihrem Vorbringen in der periodischen Druckschrift "N***** N*****" (und zwar zumindest in den Regionalausgaben H*****) am 19.Mai 1993 unter der Überschrift "Gefährliches Mixgetränk" erschienenen Artikels wegen darin enthaltener, unrichtiger "bzw irreführend unvollständiger" Tatsachenbehauptungen betreffend das von ihr erzeugte und vertriebene Getränk "R***** Energy-Drink" von der Antragsgegnerin "N*****, Druck- und VerlagsGesmbH" (im folgenden Antragsgegnerin genannt) als Medieninhaberin am 7.Juni 1993 die Veröffentlichung einer Entgegnung (nunmehr Gegendarstellung).
Weil die Antragsgegnerin diesem Begehren nicht nachgekommen sei, beantragte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 13.Juli 1993 beim Landesgericht St.Pölten (AZ 16 E Vr 787/93), die Veröffentlichung der von ihr am 7.Juni 1993 begehrten Entgegnung gerichtlich anzuordnen und der Antragsgegnerin die Zahlung einer Geldbuße sowie den Ersatz der Verfahrenskosten aufzuerlegen. Dem Antrag angeschlossen war eine Kopie des der Antragsgegnerin im Telefaxweg übermittelten Entgegnungsbegehrens vom 7.Juni 1993 sowie eine Ablichtung des Bezugsartikels samt Angabe des Erscheinungdatums. Die Antragstellerin verwies zum Nachweis dafür, daß die Antragsgegnerin Medieninhaberin der bezeichneten Regionalausgaben des periodischen Druckwerks "N***** N*****" ist, auf das Pressehandbuch 1993 (ON 2).
Der Aufforderung des Einzelrichters des Landesgerichtes St.Pölten vom 16. Juli 1993 zur Vorlage (je) eines Belegexemplares der N*****, das den Bezugsartikel enthält, sowie jener, die nach Zustellung des Entgegnungsbegehrens erschienen sind (ON 1), leistete die Antragstellerin im wesentlichen unter Hinweis auf die bereits bei Antragstellung vorgelegte Kopie des inkriminierten Artikels keine Folge und beantragte für den Fall, daß von der Antragsgegnerin das Erscheinen des Bezugsartikels bestritten werden sollte, dessen gerichtliche Beischaffung (S 10).
Mit Beschluß vom 27.Juli 1993 wies der Einzelrichter des Landesgerichtes St.Pölten ohne vorher eine Äußerung der Antragsgegnerin gemäß § 14 Abs 4 MedG eingeholt zu haben, den Antrag auf gerichtliche Anordnung der begehrten Entgegnung in einem Punkt mit der Begründung, daß der inkriminierte Artikel insofern nur eine gemäß § 9 Abs 2 MedG einer Gegendarstellung (Entgegnung) nicht zugängliche persönliche Meinungsäußerung enthalte, ab und stellte insoweit das Verfahren gemäß § 486 Abs 3 (§ 485 Abs 1 Z 4) StPO ein. Das verbleibende Begehren wurde vom Einzelrichter unter Punkt 2.) seines Beschlusses gemäß § 486 Abs 2 (§ 485 Abs 1 Z 3) StPO vorläufig zurückgewiesen und dies unter anderem damit begründet, daß vom Bezugsartikel kein Belegexemplar vorgelegt worden sei (ON 4).
Der gegen diesen Beschluß von der Antragstellerin erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 24.August 1993, AZ 21 Bs 265/93, nicht Folge (ON 7). In Bestätigung auch der unter Punkt 2.) des angefochtenen Beschlusses erfolgten vorläufigen Zurückweisung des Begehrens auf gerichtliche Anordnung der Veröffentlichung der Gegendarstellung verwies das Beschwerdegericht auf die (in Leukauf-Steininger, Nebengesetze2, unter Punkt 3 zu § 14 MedG teilw zitierte) ständige Judikatur des Oberlandesgerichtes Wien, wonach der Antragsteller im Verfahren gemäß §§ 14 ff MedG die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht nur zu behaupten, sondern auch zu belegen habe.
Die Behauptung, daß der - allein in Kopie vorgelegte - Artikel in der periodischen Druckschrift "N***** N*****" in den bezeichneten Regionalausgaben erschienen sei, habe das Erstgericht daher zutreffend als nicht ausreichend erachtet, weil es nicht in der Lage gewesen sei, dies ohne Einsichtnahme in den inkriminierten Artikel und in das Impressum der periodischen Druckschrift zu überprüfen, und deshalb auch nicht beurteilen konnte, ob die Antragstellerin mit Recht gerade die "N***** N*****" als Medieninhaberin in Anspruch nehme. Es wäre daher der Antragstellerin oblegen, ihrem Antrag auf Anordnung der Veröffentlichung einer Entgegnung bzw einer Gegendarstellung neben dem in Kopie vorgelegten Entgegnungsschreiben auch den Bezugsartikel anzuschließen, wozu sie ohnedies aufgefordert worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Auffassung des Landesgerichtes St.Pölten und des Oberlandesgerichtes Wien, daß bei einem Antrag nach § 14 Abs 1 MedG die Nichtvorlage eines Belegexemplares des Bezugsartikels einen Grund zur vorläufigen Zurückweisung des Veröffentlichungsbegehrens darstelle, steht, wie der Generalprokurator mit seiner nach § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend geltend macht, mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Gemäß § 14 Abs 3 MedG sind im Verfahren über einen Antrag gemäß Abs 1 leg cit die Bestimmungen der Strafprozeßordnung für das Verfahren auf Grund einer Privatanklage dem Sinne nach soweit (subsidiär) anzuwenden, als das MedG selbst keine gesonderten Bestimmungen enthält (s auch SSt 58/67). In bezug auf die seit dem mit 1.Juli 1993 erfolgten Inkrafttreten der Mediengesetznovelle 1992, BGBl 1993/20 nunmehr im § 15 Abs 1 MedG dem Einzelrichter eingeräumte Kompetenz, über einen Antrag auf gerichtliche Anordnung der Veröffentlichung einer Gegendarstellung bei Unterbleiben einer Äußerung des Antragsgegners auch in abweisendem Sinn dann zu entscheiden, wenn der Veröffentlichungsantrag offensichtlich nicht berechtigt ist, sieht das MedG aber derartige Sonderbestimmungen vor. Das Gericht hat nämlich gemäß § 14 Abs 4 MedG einen Antrag nach Abs 1 leg cit unverzüglich dem Antragsgegner mit der Aufforderung zuzustellen, binnen fünf Werktagen Einwendungen und Beweismittel dem Gericht schriftlich bekanntzugeben, widrigenfalls dem Antrag Folge gegeben werde. Allfällige Einwendungen sind dem Antragsteller zu einer Gegenäußerung und zur Bekanntgabe von Beweismitteln, wofür ihm (ebenfalls) eine Frist von fünf Werktagen zu setzen ist, zuzustellen. Schon diese Regelung über das Einwendungsverfahren zeigt, daß die Auffassung über den (zwingenden) Anschluß eines Belegexemplares an den Antrag nach § 14 Abs 1 MedG nicht haltbar ist. Denn selbst im Fall von Einwendungen trägt das Gesetz dem Antragsteller lediglich die Bekanntgabe (nicht aber die Vorlage) von Beweismitteln auf.
Werden Einwendungen innerhalb der gesetzlichen Frist nicht erhoben, so hat der Einzelrichter gemäß § 15 Abs 1 MedG binnen fünf Werktagen nach Ablauf der Frist ohne Verhandlung durch Beschluß zu entscheiden, wobei dem Antrag stattzugeben ist, es sei denn, daß er offensichtlich nicht berechtigt ist.
Offensichtlich kann das Fehlen der Berechtigung aber nur dann sein, wenn dem Antrag bereits aus Gründen nicht stattzugeben ist, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, ohne daß es hiezu (irgend) einer weiteren Beweisaufnahme, aber auch keiner Einwendungen und folglich auch keines Verfahrens bedarf. Keineswegs kann ein iSd § 15 Abs 1 MedG offensichtlicher Mangel der Berechtigung eines Antrages nach § 14 Abs 1 MedG schon allein wegen der unterbliebenen Vorlage schriftlicher Unterlagen über die den Anspruch des Antragstellers gemäß § 14 Abs 1 MedG begründenden Tatsachen angenommen werden, macht doch das Gesetz den Veröffentlichungsanspruch von einer solchen Vorlage gerade nicht abhängig.
Der Beschwerde ist aber auch darin Recht zu geben, daß gegen die in Rede stehende Auffassung des Oberlandesgerichtes Wien auch noch andere Erwägungen sprechen: der Anspruch auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung ist der Sache nach nämlich nicht strafrechtlicher, sondern zivilrechtlicher Natur. Seine Durchsetzung wurde nur aus praktischen und historischen Gründen dem Strafgericht überlassen. Demgemäß sind für die Verletzung des Anspruches auf Gegendarstellung (Entgegnung) und des weiteren Veröffentlichungsanspruches keine strafgerichtlichen Sanktionen, sondern lediglich Geldbußen vorgesehen, die zum Teil Beugemittel sind und zum Teil der Abgeltung für erlittene Ehrenkränkung dienen sollen (vgl RV zum MedG 1981, 2 BlgNR 15.GP, 29, 30).
Aber nicht nur aus dem zivilrechtlichen Charakter des Anspruches auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung, sondern auch aus der Bestimmung des § 14 Abs 3 MedG, wonach im Verfahren über einen Antrag nach § 14 Abs 1 MedG (ungeachtet des zivilrechtlichen Charakters des Anspruches) dem Antragsteller die Rechte des Privatanklägers zukommen, kann gleichfalls abgeleitet werden, daß der Antragsteller seine anspruchsbegründenden Tatsachen zunächst grundsätzlich (so wie in einer Privatanklage) nur zu behaupten und erst bei Erhebung von Einwendungen durch den Antragsgegner näher zu belegen hat. Eine Vorschrift, wonach ein Ankläger bereits bei Einbringung des Strafantrages für den Anklagevorwurf bedeutsame Umstände nachzuweisen oder zu bescheinigen ("belegen") hat, enthält die StPO - ebenso wie das MedG in bezug auf einen Antrag gemäß § 14 Abs 1 MedG - nicht.
Nachteile für die Praxis des Entgegnungsrechtes sind bei dieser Auslegung nicht zu besorgen. Denn insbesondere die Regelungen des § 14 Abs 4 MedG über das Aufforderungs- bzw Einwendungsverfahren und des § 15 Abs 2 MedienG über die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung von Einwendungen bilden ein ausreichendes Regulativ gegen eine den gesetzlichen Zielen abträgliche Handhabung des Entgegnungsrechtes im Einzelfall. Die im vorliegenden Fall aufgezeigten Gesetzesverletzungen haben sich zum Vorteil der die Rechte eines Beschuldigten genießenden Antragsgegnerin (s § 14 Abs 3 MedG) ausgewirkt, sodaß es mit der diesbezüglichen Feststellung gemäß § 292 StPO sein Bewenden hat.
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