OGH 14Os42/94

OGH14Os42/9413.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.September 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Ebner, Dr. Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Reinhart als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günther Josef A* wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2; 15 StGB und des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 27. Jänner 1994, GZ 7 Vr 199/92‑30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0140OS00042.9400000.0913.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

I. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird, soweit sie den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 8 StPO geltend macht, zurückgewiesen.

II. Aus deren Anlaß wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, 15 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

III. Im Übrigen wird der Angeklagte mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und auch mit seiner Berufung auf den kassatorischen Teil dieser Entscheidung verwiesen.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Freisprüche enthält, wurde Günther A* ua des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 iVm § 15 StGB (1.) schuldig erkannt, weil er in A* Bestandteile seines Vermögens veräußert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger vereitelt bzw geschmälert hat, wobei durch die Tat ein 500.000 S übersteigender Schaden herbeigeführt werden sollte, und zwar am 23. Juli 1991 dadurch, daß er seine Forderungen in der Höhe von 3,434.435,62 S an die Günther A*, Technisches Büro für Vermessungswesen GmbH zedierte, wodurch ein Schaden von 384.542 S entstand.

Der Sache nach nur diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 5, 5 a und 8 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Eine Überschreitung der Anklage (Z 8) ist ‑ der Beschwerde zuwider ‑ in den bezüglich des Tatgeschehens von der Anklageschrift abweichenden Urteilsfeststellungen nicht zu erkennen. Der Anklagevorwurf, der Beschwerdeführer habe am 21. August 1991 dadurch, daß er Forderungen in der Höhe von 5,498.644 S an die Sparkasse M* zedierte, Bestandteile seines Vermögens veräußert und hiedurch die Befriedigung seiner Gläubiger vereitelt bzw geschmälert, deckt auch den bekämpften Schuldspruch. Für den Vergleich von Anklage‑ und Urteilstat kommt es verfahrensgegenständlich nur auf die Forderungsabtretung, nicht aber auf die Person des Zessionars und auch nicht darauf an, wann und in welchem genauen Umfang die Zession erfolgte. Wesentlich ist, daß die vom Urteil erfaßte Tat in das von der Anklage inkriminierte Gesamtverhalten des Angeklagten fällt (Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 262 E 40, 27, 31 bis 35), besteht doch eine Bindung des Gerichtes an die Anklageschrift nur insoweit, als die Straftat darin individualisiert, nicht aber soweit sie darin konkretisiert wird (EvBl 1974/269).

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof allerdings davon überzeugen, daß dem angefochtenen Urteil zum Faktum 1 von der Verteidigung nicht relevierte materielle Feststellungsmängel anhaften, die, weil sie dem Angeklagten zum Nachteil gereichen, von Amts wegen aufzugreifen waren (§ 290 Abs 1 StPO).

Das Wesen der dem Gläubigerschutz dienenden Strafbestimmung des § 156 StGB besteht darin, daß der Schuldner mehrerer Gläubiger durch wirkliche oder scheinbare Verringerung seines Vermögens die Befriedigung wenigstens eines seiner Gläubiger vereitelt oder schmälert. Die Tathandlung muß demnach den gänzlichen (Vereitelung) oder zumindest teilweisen (Schmälerung) effektiven Befriedigungsausfall eines von wenigstens zwei Gläubigern bewirken. Eine bloße Verzögerung der Befriedigung reicht nicht aus (Leukauf‑Steininger Komm3 § 156 RN 11 mit Literatur‑ und Judikaturnachweisen). Der (bedingte) Vorsatz des Täters muß sich sowohl auf die Vermögensverringerung als auch auf die dadurch verursachte Gläubigerbenachteiligung beziehen.

Nach den Urteilsfeststellungen betrieb der Angeklagte als Vermessungstechniker ein Vermessungsbüro in Form eines Einzelunternehmens. Am 17.Juli 1991 gründete er unter Übernahme von 90 % der Geschäftsanteile mit seiner Gattin (10 %) eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, in deren Rahmen er als alleinzeichnungsberechtigter Geschäftsführer seine Erwerbstätigkeit als Geometer fortführte. Am 23. Juli 1991 übertrug er ihm als Einzelunternehmer zustehende Honorarforderungen in Höhe von 3,434.435,62 S an die GmbH in der Absicht, Teile seines Vermögens beiseite zu schaffen, um dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger zu schmälern (US 8, 9).

Den "Schädigungsvorsatz" des Angeklagten, durch die Forderungszession die Befriedigung seiner Gläubiger zu vereiteln oder zu schmälern, leiteten die Tatrichter aus der ‑ allerdings ein anderes Anklagefaktum betreffenden und darauf beschränkten (S 505/I, 76/II) -Verantwortung des Angeklagten ab, daß er sich seines Vermögens habe entledigen wollen, um allfällige Haftungsansprüche aus seinen Leistungen hintanzuhalten (US 11).

Das vom Erstgericht festgestellte Tatsachensubstrat bildet indes aus nachstehenden Überlegungen keine für einen Schuldspruch nach § 156 StGB ausreichend tragfähige Grundlage.

Nach der Aktenlage hatte der Beschwerdeführer der von ihm gegründeten Gesellschaft, an der er ‑ wie erwähnt ‑ überwiegend beteiligt ist, das Betriebsbüro (durch Vermietung) samt Ausstattung und Inventar (durch Verkauf), Betriebsmittel, den sogenannten "Good will", den Kundenstock und seine für die Erwerbstätigkeit der GmbH entscheidende eigene Arbeitskraft sowie die noch offenen Honorarforderungen aus seiner bisherigen Tätigkeit als Einzelunternehmer übertragen und ‑ als Geschäftsführer der GmbH ‑ teilweise Verbindlichkeiten des Einzelunternehmens (offene Löhne, Steuerschulden, Sozialversicherungsbeiträge: S 511/I, 76/II; Verpflichtungen gegenüber der Volksbank A*: S 141/II und gegenüber der Sparkasse M*: S 143/II) beglichen.

Diese Vorgangsweise indiziert ihre Beurteilung als Übernahme des gesamten Einzelunternehmens als organisierte Erwerbsgelegenheit im Sinn des § 1409 ABGB (vgl 7 Ob 691/88 = WBl 1989, 31, 1 Ob 609/87).

Nach dieser Gesetzesstelle, deren Zweck darin liegt, daß die Gläubiger gegen die Entziehung ihres Haftungsfonds geschützt werden, ist derjenige, der (ein Vermögen oder) ein Unternehmen (unentgeltlich oder entgeltlich: JBl 1984, 439) übernimmt, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Veräußerers, den Gläubigern aus den zum (Vermögen oder) Unternehmen gehörigen Schulden ‑ nicht aus den privaten Verpflichtungen des Einzelunternehmers (SZ 14/184, 16/108; Ertl in Rummel ABGB2 § 1409 Rz 6) ‑, die er bei der Übernahme kannte oder kennen mußte, bis zur Höhe des Wertes des übernommenen Unternehmens unmittelbar verpflichtet. Dabei muß sich, im Fall der Übernahme durch eine GmbH, die Gesellschaft das Wissen ihres geschäftsführenden Gesellschafters ‑ hier des Angeklagten ‑ über die Verbindlichkeiten des übernommenen Unternehmens zurechnen lassen (JBl 1984, 438).

Bei dieser Rechtslage kommt dem allfälligen Vorliegen eines Unternehmensüberganges nach § 1409 ABGB demnach sowohl in objektiver wie in subjektiver Hinsicht Relevanz zu.

Nur die persönlichen Gläubiger des Angeklagten, jene also, deren Forderungen mit dem an die GmbH übertragenen Einzelunternehmen in keinem Zweckzusammenhang stehen und für die die GmbH daher nicht haftet, könnten durch die Einbringung des Unternehmens in die GmbH überhaupt benachteiligt werden. Aber auch ihnen stünden jedenfalls die (90 %igen) Geschäftsanteile des Angeklagten an der GmbH neben dessen persönlichem Einkommen als Befriedigungsfonds zur Verfügung.

Ob die persönlichen Gläubiger daher durch die vom Angeklagten gewählte Vorgangsweise tatsächlich benachteiligt wurden, hängt primär vom Wert der ‑ durch die "zedierten" Forderungen mitbestimmten ‑ Geschäftsanteile ab.

Für jene Gläubiger dagegen, für deren Forderungen die GmbH ‑ neben dem Angeklagten als persönlichem Schuldner ‑ nach § 1409 ABGB zu haften hat, kann sich durch die Übertragung des Unternehmens an die GmbH grundsätzlich keine Veränderung ergeben.

Daß die Gläubiger des Einzelunternehmers unter Umständen erst eines Exekutionstitels gegen die GmbH bedurften, stellt bei der gegebenen Fallkonstellation insofern keine Schmälerung ihrer Befriedigungsansprüche dar, als sie bei Nichtleistung des Angeklagten auch diesem gegenüber einen solchen Exekutionstitel hätten erwirken müssen. Darin unterscheidet sich der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt von dem zum AZ 13 Os 83/93 entschiedenen Fall, bei welchem eine Schmälerung der Befriedigungsrechte darin erblickt wurde, daß der Gläubiger, der gegen einen Einzelunternehmer bereits einen Exekutionstitel besaß, einen solchen gegen die übernehmende Gesellschaft erst erwirken mußte.

Da das angefochtene Urteil jegliche Feststellungen über Art und Umfang des Gesellschaftsvermögens, den Wert der Geschäftsanteile sowie darüber vermissen läßt, inwieweit die in Rede stehenden Verbindlichkeiten des Angeklagten mit dem Einzelunternehmen in einem wirtschaftlichen Zweckzusammenhang standen oder aber persönliche Schulden waren, ist das Urteil in Ansehung des Schuldspruchs wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida mit einem den objektiven Tatbestand betreffenden Feststellungsmangel behaftet, der Urteilsnichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO begründet und demnach die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich macht.

Die Unterlassung von Feststellungen über den Unternehmensübergang tangiert aber auch die subjektive Tatseite, kann doch dem vom Erstgericht vernachläßigten Gesichtspunkt der Übernahme auch der alten Geschäftsschulden durch die GmbH bei Beurteilung der Verantwortung des Angeklagten, der bestreitet, mit Befriedigungsvereitelungs‑ oder -schmälerungsvorsatz gehandelt zu haben, entscheidende Bedeutung zukommen.

In diesem Zusammenhang erweist sich u.a. auch als wesentlich, in welchem Umfang die GmbH Schulden des Einzelunternehmens bzw persönliche Verbindlichkeiten des Angeklagten berichtigte.

Diese in erster Instanz offen gebliebenen Fragen begründen damit einen Feststellungsmangel auch zur subjektiven Tatseite, weshalb das angefochtene Urteil insoweit ebenfalls mit einem materiellen, von Amts wegen aufzugreifenden Nichtigkeitsgrund (Z 9 lit a) behaftet ist (vgl EvBl 1956/176).

Schon bei einer nichtöffentlichen Beratung war daher einerseits die Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 8 StPO geltend macht, zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO), andererseits das angefochtene Urteil im aufgezeigten Umfang aufzuheben (§ 285 e StPO) und dem Erstgericht die teilweise Verfahrenserneuerung aufzutragen. Mit den übrigen Beschwerdeeinwendungen und mit seiner Berufung war der Angeklagte auf den kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen.

 

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