OGH 15Os117/94

OGH15Os117/948.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.September 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kriz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Roman N***** wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 9.Juni 1994, GZ 16 Vr 1699/93-46, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Hauptmann, und des Verteidigers Dr.Spreitzhofer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roman N***** der Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1) und der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (2) sowie der Vergehen des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (3) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (4) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Rankweil und in Westendorf

(zu 1) ab dem Jahr 1991 bis Sommer 1993 mit seiner am 10.März 1980 geborenen, sohin unmündigen Stieftochter Bettina N***** mehrmals den außerehelichen Beischlaf unternommen, indem er sein erregtes Glied an ihrer Scheide rieb;

(zu 2) seine am 24.April 1978 geborene, sohin unmündige Stieftochter Caroline N***** sowie seine am 10.März 1980 geborene, sohin unmündige Stieftochter Bettina N***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er bei beiden mehrmals einen Mundverkehr vollzog und sich von beiden oftmals mit der Hand oder oral befriedigen ließ, und zwar

a) Caroline N***** in der Zeit zwischen Ende des Jahres 1990 und dem 24. April 1992 und

b) Bettina N***** in der Zeit zwischen dem Jahr 1991 und Sommer 1993;

(zu 3) in der Zeit zwischen Ende des Jahres 1990 und Sommer 1993 durch die unter (1) und (2) bezeichneten Tathandlungen seine minderjährigen Stiefkinder Caroline N***** und Bettina N***** zur Unzucht mißbraucht und

(zu 4) am 24.November 1993 seine Stieftochter Caroline N***** mit den Worten "Das was ihr mit mir vorhabt, klappt nicht, mein Freispruch ist sichergestellt, eines Tages wirst du niedergefickt, du Drecksau", gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Der Angeklagte bekämpft diese Schuldsprüche mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

Mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) unternimmt der Beschwerdeführer, indem er einzelne Aussagen der Zeuginnen Bettina und Caroline N***** vor der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos Vorarlberg jenen vor dem Untersuchungsrichter gegenüberstellt und solcherart Widersprüche in diesen Aussagen aufzuzeigen trachtet, lediglich den Versuch, die Beweiskraft der vom Erstgericht nach eingehender Würdigung als glaubhaft erachteten belasteten Angaben der erwähnten Zeuginnen zu erschüttern; Verfahrensergebnisse, die geeignet wären, Zweifel an der Richtigkeit der (im übrigen gar nicht ausschließlich auf diese Beweismittel gestützten) für den Schuldspruch maßgeblichen Tatsachenfeststellungen zu erwecken, werden vom Angeklagten nicht dargetan. Daß die beiden Mädchen einzelne nebensächliche Begleitumstände und Details des Tatgeschehens, soweit es die Sittlichkeitsdelikte anlangt, unterschiedlich schilderten, was das Schöffengericht keineswegs unerörtert ließ (US 17 f), entspricht einer in der Gerichtspraxis keineswegs außergewöhnlichen Erfahrungstatsache und berechtigt in keiner Weise zu der von der Nichtigkeitsbeschwerde angestrebten Schlußfolgerung, daß die im wesentlichen Kernbereich stets gleichlautende, den Beschwerdeführer belastende Darstellung der beiden Tatopfer auf eine vorangegangene Absprache zurückführbar wäre. Davon, daß das Erstgericht die Aussagen dieser Zeuginnen kritiklos seiner Entscheidung zugrunde gelegt hätte, kann keine Rede sein. Vielmehr hat es sich - wie bereits dargetan - ausführlich mit der Glaubwürdigkeit dieser Zeugenaussagen auseinandergesetzt und auch die vom Angeklagten in der Tatsachenrüge erwähnten, bloß Randumstände betreffenden marginalen Differenzen dieser Aussagen in den Kreis seiner beweiswürdigenden Erwägungen einbezogen. Der Beschwerdeführer enthüllt letztlich mit seinem Vorbringen, die Aussage der Zeugin Caroline N***** über deren erstmaligen Mißbrauch sei "völlig unglaubwürdig", daß er der Sache nach in unzulässiger Weise nach Art einer Schuldberufung die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes anzufechten sucht, was ihm auch im Rahmen der Tatsachenrüge verwehrt ist (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 5 a E 1, 3, 4).

Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang noch, daß die Tatrichter ihre Überzeugung von der Schuld des Beschwerdeführers nicht bloß auf die belastenden Aussagen der beiden Tatopfer, sondern auch auf andere Beweisergebnisse, so insbesondere auf die weitgehend geständige Verantwortung des Angeklagten im Zuge der sicherheitsbehördlichen Erhebungen stützen konnten.

Der den Schuldspruch wegen gefährlicher Drohung (Urteilsfaktum 4) betreffende Hinweis auf (die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers stützende) Verfahrensergebnisse bietet für die Annahme erheblicher Bedenken im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes gleichfalls kein hinreichendes Substrat; dieses Vorbringen vernachlässigt nämlich die (ohnedies alle geltend gemachten Einwände berücksichtigende) Beweiswürdigung des Erstgerichtes, welches die den Angeklagten belastende Aussage der Zeugin Caroline N***** auch insofern für glaubwürdig beurteilte und eingehend darlegte, weshalb es die den Beschwerdeführer in diesem Faktum entlastenden Aussagen seines Arbeitskollegen Dusko M***** nicht für geeignet hielt, seine leugnende Verantwortung zu stützen (US 19, 21, 23).

Somit zeigt der Angeklagte insgesamt keine Umstände auf, die erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldspruchfakten zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen erwecken könnten. Vielmehr unternimmt er den im Verfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen.

Auch die Subsumtionsrüge (Z 10), mit der der Beschwerdeführer in rechtlicher Hinsicht eine Tatbeurteilung des vom Erstgericht im Schuldspruchfaktum (1) als Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB qualifizierten Verhaltens bloß als Unzucht mit Unmündigen gemäß § 207 Abs 1 StGB mit der Begründung anstrebt, daß es laut Urteilssachverhalt zu keiner Vereinigung der Geschlechtsteile, auch nicht zum Versuch des Eindringens in jenen der Unmündigen und demzufolge auch nicht zum Vollzug des Geschlechtsverkehrs gekommen sei, ist nicht im Recht.

Die im § 206 Abs 1 StGB umschriebene Tathandlung besteht nicht im Vollzug, sondern im Unternehmen des außerehelichen Beischlafs. Deliktsvollendung in bezug auf das Verbrechen nach § 206 Abs 1 StGB setzt nämlich keineswegs, wie der Angeklagte meint, die Vollziehung des Beischlafs, also das Eindringen des männlichen Gliedes in die Scheide des Tatopfers, voraus. Ein Beischlaf nach dieser Gesetzesbestimmung ist vielmehr bereits dann unternommen und dieses Delikt somit vollendet, wenn eine Berührung der Geschlechtsteile erfolgt ist (Leukauf/Steininger, Komm3, § 206 RN 3; Mayerhofer/Rieder StGB4 § 206 E 6 und 7; Foregger/Kodek, StGB5, § 206 Erl II). Im vorliegenden Fall ist sonach durch das Aneinanderreiben der Geschlechtsteile mit dem konstatierten spezifischen Vorsatz (US 3, 9 f) schon die Deliktsvollendung eingetreten. Der bekämpften Subsumtion haftet demnach der behauptete Rechtsirrtum nicht an.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 206 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit zwei Vergehen, die Wiederholung der deliktischen Angriffe durch lange Zeit, den Mißbrauch zweier unmündiger Personen und eine einschlägige Vorverurteilung, als mildernd hingegen nichts.

Mit seiner Berufung, in der er die erstgerichtlichen Strafbemessungsgründe der Zahl nach nicht in Zweifel zieht, bekämpft der Angeklagte die Höhe der Freiheitsstrafe und begehrt deren bedingte oder teilbedingte Nachsicht, weil seine Ehe geschieden und er nunmehr von seiner ehemaligen Familie getrennt sei, sodaß spezialpräventive Belange der Anwendung der §§ 43 Abs 1 oder 43 a StGB nicht entgegenstünden.

Auch die Berufung ist nicht im Recht.

Die erstgerichtlichen Strafzumessungsgründe bedürfen insofern einer Korrektur, weil die Verantwortung des Angeklagten vor dem Gendarmerieposten Rankweil vom 28.Oktober 1993 (S 55-63), auf die das Schöffengericht seine zum Schuldspruch führenden Feststellungen zum Teil stützte, als Beitrag zur Wahrheitsfindung und somit als strafmildernder Umstand zu werten ist; diesem Milderungsgrund kommt allerdings im Hinblick auf den Widerruf dieser Verantwortung in der Hauptverhandlung am 27.Jänner 1994 (S 100 ff) nur geringe Bedeutung zu.

Eine Überprüfung des Gewichtes der (ergänzten) Strafzumessungsgründe ergibt, daß unter Berücksichtigung der Strafdrohung des § 206 Abs 1 StGB (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) das von den Tatrichtern gefundene Strafmaß, welches weniger als ein Drittel der Strafobergrenze ausmacht, durchaus der schweren Schuld des Angeklagten entspricht. Zu einer Strafreduzierung besteht auch unter Berücksichtigung des zusätzlichen (gering zu gewichtenden) Milderungsumstandes daher kein Anlaß.

Ausgehend von der zutreffend mit drei Jahren ausgemessenen Freiheitsstrafe ist demnach dem Begehren auf bedingte Strafnachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB die Grundlage entzogen. Aber auch die Voraussetzungen für einen teilbedingten Strafausspruch gemäß § 43 a Abs 4 StGB sind nach Lage des Falles nicht gegeben. Die dort geforderte hohe Wahrscheinlichkeit, daß der Rechtsbrecher keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde, ist beim Angeklagten im Hinblick auf seine vielfachen Vorabstrafungen, von denen insbesondere ein gegenüber Kindern einer früheren Ehefrau des Angeklagten verübtes Sexualdelikt (GZ 12 a Vr 1361/79 des Landesgerichtes Feldkirch) in die Augen fällt, nicht gegeben (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 43 a RN 16).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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