OGH 13Os124/94

OGH13Os124/947.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.September 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Krumholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Poh Leong K***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 3 Z 3 SGG teils nur in der Form des Versuchs nach § 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24.November 1993, GZ 6 b Vr 10.278/93-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Hauptmann, des Angeklagten Poh Leong K***** und des Verteidigers Dr.Georg Tornai, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.November 1993, GZ 6 b Vr 10278/93-20, verletzt das Gesetz

1. im Schuldspruch zu A, worin die Einfuhr von 5.141 Gramm Heroin in das österreichische Staatsgebiet als (teils) versuchtes Verbrechen nach § 15 StGB, § 12 Abs 1 und 3 Z 3 SGG beurteilt wurde, in der Bestimmung des § 12 Abs 1 SGG in Verbindung mit § 15 Abs 2 StGB;

2. im Schuldspruch B durch die Beurteilung dieser Handlung als vollendetes Finanzvergehen des Schmuggels nach § 35 Abs 1 FinStrG in der genannten Bestimmung in Verbindung mit § 13 Abs 2 FinStrG;

3. in der Anwendung des § 28 Abs 1 StGB bei Verhängung der Freiheitsstrafe nach § 12 Abs 3 SGG;

4. in der Wertung des Zusammentreffens eines Verbrechens mit einem Vergehen als Erschwerungsgrund bei der Bemessung dieser Freiheitsstrafe und der Geldstrafe nach § 35 Abs 1 FinStrG in der Bestimmung des § 35 Abs 1 FinStrG und des § 22 Abs 1 FinStrG.

Gemäß § 292 StPO wird dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu B sowie in den Aussprüchen über die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach § 12 Abs 3 SGG und einer Geldstrafe (und Ersatzfreiheitsstrafe) nach § 35 Abs 1 FinStrG aufgehoben.

Gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Poh Leong K***** ist schuldig, er hat am 3.August 1993 in Wien, eine eingangsabgabepflichtige Ware, nämlich 5.141 Gramm Heroin vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren zu entziehen versucht (strafbestimmender Wertbetrag 1,347.456 S).

Er hat hiedurch das Finanzvergehen des versuchten Schmuggels nach §§ 13, 35 Abs 1 FinStrG begangen und wird unter Anwendung des § 22 Abs 1 FinStrG für das ihm nach dem aufrecht bleibenden Teil des Schuldspruches weiterhin zur Last liegende Verbrechen nach § 12 Abs 1 und 3 Z 3 SGG und § 15 StGB (A des oben angeführten Urteils des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) nach dem § 12 Abs 3 SGG

zu 8 (acht) Jahren Freiheitsstrafe

sowie nach § 35 Abs 1 FinStrG

zu 200.000 (zweihunderttausend) Schilling Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe zu 2 (zwei) Monaten Ersatzfreiheitsstrafe,

verurteilt.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Poh Leong K***** wurde mit dem im Spruch bezeichneten Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien des "teils vollendeten, teils versuchten" Verbrechens nach § 12 Abs 1 und 3 Z 3 SGG und § 15 StGB (A) sowie des Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs 1 FinStrG (B) schuldig erkannt, weil er den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer Menge, welche die im § 12 Abs 1 SGG angeführte Menge (bei weitem) um das Fünfundzwanzigfache übersteigt, nämlich

5.141 Gramm Heroin, aus- und einführte sowie einzuführen versuchte, "indem er es am 3.August 1993 aus Thailand über Vietnam und Rußland kommend in Schwechat nach Österreich einzuführen versuchte" (A), und hiedurch eine abgabenpflichtige Ware vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzog, wobei der strafbestimmende Wertbetrag 1,347.456 S betrug (B).

Er wurde hiefür nach § 12 Abs 3 SGG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren sowie nach § 35 Abs 1 FinStrG unter Anwendung des § 22 FinStrG zu einer Geldstrafe von 200.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Monate) verurteilt. Die erlittene Vorhaft wurde auf die Strafe angerechnet (§ 38 StGB), das sichergestellte Suchtgift gemäß § 13 Abs 1 SGG eingezogen.

Den Urteilsfeststellungen zufolge willigte der Angeklagte in den Vorschlag eines unbekannten Mannes ein, das Suchtgift gegen Entgelt von Thailand nach Europa (Amsterdam) zu transportieren. Er nahm es in einer Reisetasche verborgen auf den Flug mit, der ihn über Vietnam und Moskau nach Wien-Schwechat führte. Dort wollte er die Zollabfertigung ohne Deklaration des mitgebrachten Suchtgiftes passieren, um mit dem Zug nach Amsterdam zu fahren. Unmittelbar bevor er den Zollkontrollbereich ("Grünkanal") verlassen hatte, wurde er jedoch zur Zollkontrolle gebeten, bei welcher das in der Reisetasche versteckte Heroin entdeckt und sichergestellt wurde.

Nach den rechtlichen Erwägungen des Erstgerichtes (US 7) wurde als versuchtes Suchtgiftverbrechen die Mitnahme der Heroinmenge bis zum Flughafen Wien-Schwechat (und nicht eine vom Tatplan etwa umfaßte Einfuhr in weitere europäische Länder, die auch nicht Gegenstand der Anklage war) beurteilt.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht unter anderem als erschwerend "das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen" (US 9).

Über die gegen dieses Urteil erhobenen Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft ist noch nicht entschieden.

Dieses Urteil verletzt, wie der Generalprokurator in seiner nach § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zu Recht ausführt, das Gesetz.

Zunächst verkannte das Schöffengericht, daß die Suchtgifteinfuhr nach Österreich nicht nur versucht, sondern bereits mit Überfliegen der österreichischen Staatsgrenze, also mit dem Einflug in den zum österreichischen Staatsgebiet gehörigen Luftraum und das Verbringen in österreichisches Staatsgebiet (Transitraum, Gepäckzentrale), vollendet worden war (Mayerhofer-Rieder, Nebenstrafrecht3, ENr 57 und 58 zu § 12 SGG). Insoweit bedurfte es allerdings lediglich der Feststellung der rechtlichen Fehlbeurteilung, weil der Angeklagte durch die Wertung der Tat als Versuch nicht benachteiligt wurde.

Ein Verstoß zum Nachteil des Angeklagten liegt jedoch im Schuldspruch wegen des vollendeten Finanzvergehens des Schmuggels, obwohl das Suchtgift nach den Urteilsfeststellungen noch vor Verlassen des Zollkontrollraums in seiner Tasche sichergestellt worden war (US 5). Vor Beendigung der Zollabfertigung, also bevor es gelungen ist, die Ware dem Zollverfahren zu entziehen, liegt nämlich nur der Versuch des Schmuggels vor (Dorazil-Harbich, FinStrG, ENr 28b und 31b zu § 35). Der Angeklagte hat daher nur das Finanzvergehen des versuchten Schmuggels nach §§ 13, 35 Abs 1 FinStrG zu verantworten.

Auch der Strafausspruch verletzt das Gesetz zum Nachteil des Angeklagten, weil bei Zusammentreffen eines Finanzvergehens mit gerichtlich strafbaren Handlungen anderer Art nicht wie vom Erstgericht § 28 Abs 1 StGB, der die Verhängung einer einzigen Strafe für die zusammentreffenden Straftaten vorsieht (Absorptionsprinzip), sondern § 22 Abs 1 FinStrG anzuwenden ist. Danach sind bei einem solchen Zusammentreffen durch das Gericht die Strafen für das Finanzvergehen (nach Maßgabe des § 21 FinStrG) gesondert von den Strafen für die anderen strafbaren Handlungen zu verhängen. Hieraus folgt, daß für die Berücksichtigung des Erschwerungsgrundes nach § 33 Z 1 StGB (vgl § 23 Abs 2 FinStrG) im Sinn der Strafzumessungserwägungen des Erstgerichtes kein Raum bleibt (Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr 4a zu § 22 FinStrG).

Bei der zufolge Aufhebung der erstgerichtlichen Strafaussprüche nunmehr vorzunehmenden Strafneubemessung waren erschwerend beim Verbrechen nach § 12 Abs 1 und 3 Z 3 SGG die die Übermenge des § 12 Abs 3 SGG um etwa das Hundertfache übersteigende Suchtgiftmenge (siehe ON 16) und das Handeln des Angeklagten aus reiner Gewinnsucht, mildernd waren hingegen bei beiden Straftaten das umfassende und reumütige Geständnis des Angeklagten, sein bisher ordentlicher Lebenswandel, beim Finanzvergehen dessen Versuch.

Angesichts der hohen Menge des besonders gefährlichen Suchtgiftes Heroin, die eingeführt wurde, ist im Hinblick auf die festgestellten Strafzumessungsgründe die nach § 12 Abs 3 SGG verhängte Freiheitsstrafe tatschuldangemessen. Die Geldstrafe nach § 35 Abs 1 FinStrG berücksichtigt auch die persönlichen Verhältnisse sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Angeklagten (§ 23 Abs 2 FinStrG). Infolge Sicherstellung des Suchtgiftes und damit dem Scheitern des strafbaren Vorhabens hat der Angeklagte keinen Nutzen aus der Straftat erzielt, sodaß von einer - auch vom Erstgericht nicht verhängten, von der Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung aber relevierten - zusätzlichen Geldstrafe nach § 12 Abs 5 SGG abgesehen werden konnte.

Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft waren mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Aussprüche über die Anrechnung der Vorhaft auf die ausgesprochenen Strafen, die Einziehung des sichergestellten Suchtgiftes gemäß § 13 Abs 1 SGG sowie der Kostenersatz blieben unberührt.

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