European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0130OS00113.9400000.0907.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch sowie im Schuldspruch I und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alfred P* (zu I und II) des Vergehens nach § 16 Abs 1 (vierter bis sechster Fall) SGG schuldig erkannt, wobei das Faktum I die Überlassung von (nur) 60 bis 70 Gramm Haschisch an Andreas D* betraf. Denn vom weiteren Anklagevorwurf, von 1988 bis Februar 1993 über die im Schuldspruch (I) angeführte Haschischmenge hinaus noch weitere 330 bis 340 g Haschisch, sowie zwischen 1992 und März 1993 auch noch weitere 4 g Heroin Andreas D* übergeben und hiedurch (insgesamt) das Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG durch Inverkehrsetzen einer großen Suchtgiftmenge begangen zu haben, wurde er gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Die gegen das ‑ seitens des Angeklagten unangefochten gebliebene (131) ‑ Urteil im freisprechenden Teil von der Staatsanwaltschaft erhobene und nominell auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4 und 5 (sachlich nur Z 4) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt.
Zutreffend macht die Staatsanwaltschaft geltend, daß die gemäß § 152 Abs 1 Z 1 StPO verweigerte Aussage durch ‑ den abgesondert verfolgten und daher im vorliegenden Verfahren als Zeugen vernommenen ‑ Andreas D* in der gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung am 21.Februar 1994 (130) der ‑ vom Schöffengericht gegen den Antrag des Staatsanwalts abgelehnten ‑ Verlesung und damit Verwertung der mit diesem Zeugen von der Gendarmerie aufgenommenen Niederschrift nicht entgegenstand:
Die Parteien hatten nämlich bereits anläßlich der Befragung dieses Zeugen in der vorangegangenen Hauptverhandlung am 13. Dezember 1993 Gelegenheit, sich an dessen gerichtlicher Vernehmung zu beteiligen. Damit war aber zufolge der ‑ auf den Schutz der Verteidigungsrechte durch Gewährleistung eines kontradiktorischen Beweisverfahrens abstellenden ‑ Bestimmung des § 252 Abs 1 Z 2 a StPO nicht nur die Verlesung des Hauptverhandlungsprotokolls, soweit es die Aussage dieses Zeugen am 13. Dezember 1993 betrifft, sondern vielmehr auch die Verlesung der Niederschrift über die Vernehmung des Genannten durch die Gendarmerie zulässig. Denn die kontradiktorische Befragung dieses Zeugen in der Hauptverhandlung am 13. Dezember 1993 hatte die Erörterung seiner gesamten bisherigen Angaben zum Gegenstand, es wurde ihm damals auch der den Angeklagten P* belastende Inhalt dieser bei der Gendarmerie aufgenommenen Niederschrift (25 und 37) vorgehalten. War aber die Verlesung des Protokolls über die Hauptverhandlung am 13. Dezember 1993 gemäß dem § 252 Abs 1 Z 2 a StPO in der nunmehr (neu durchgeführten) Hauptverhandlung am 21. Februar 1994 zulässig, folgt daraus ‑ entgegen der Auffassung des Erstgerichtes ‑ daß nicht nur die darin enthaltene Aussage des Zeugen Andreas D*, sondern auch dessen niederschriftliche Angaben vor der Gendarmeire zu verlesen gewesen wären. Hatten nämlich ‑ bei einer gemäß § 252 Abs 1 Z 2 a StPO berechtigten Verweigerung der Aussage durch einen Zeugen ‑ die Parteien (vorher) Gelegenheit sich an einer gerichtlichen Vernehmung dieses Zeugen zu beteiligen, dürfen ‑ ungeachtet in welchem Ausmaß die Gelegenheit auch genützt wurde - alle (vorangehenden) im § 252 Abs 1 StPO genannten Protokolle, Schriftstücke, Gutachten sowie technischen Aufzeichnungen über die Vernehmung dieses Zeugen verlesen (und damit gemäß § 258 Abs 1 StPO auch im Urteil verwertet) werden.
Durch die Abweisung des auf eine solche Verlesung abzielenden Antrages des öffentlichen Anklägers in der Hauptverhandlung vom 21. Februar 1994, wogegen derselbe auch gemäß § 281 Abs 3 StPO remonstriert hat (130 iVm mit dem Protokollsberichtigungsbeschluß vom 9. Mai 1994, ON 19) wurden demnach Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt bzw unrichtig angewendet, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Strafverfolgung sichernden Verfahrens geboten gewesen wäre.
Das angefochtene Urteil ist sohin mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO behaftet.
Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher Folge gegeben und der Freispruch aus Gründen des sachlichen Zusammenhanges (§ 289 StPO) aber auch der Schuldspruch I und demzufolge auch der Strafausspruch aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
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