OGH 3Ob557/94

OGH3Ob557/947.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Carl-Paul W*****, vertreten durch Schuppich, Sporn & Winischhofer Rechtsanwälte, in Wien, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach Prof.Dipl.Ing.Carl A*****, vertreten durch Dr.Ferdinand Neundlinger, Rechtsanwalt in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Dipl.Ing.Gerhard Z*****, vertreten durch Dr.Renate Pfenningstorff, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 492.794,40 s. A., infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 2.Juli 1993, GZ 13 R 90/93-48, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 10.Feber 1993, GZ 23 Cg 272/91-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. folgenden

Beschluß

gefaßt:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben; die angefochtenen Urteile werden, soweit ein Klagebegehren von S 141.408,- samt 4 % Zinsen seit 15.9.1985 abgewiesen wurde, sowie im Kostenausspruch aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Die von der beklagten Partei am 17.2.1994 eingebrachte Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im übrigen, demnach soweit ein Klagebegehren von S 351.386,40 samt 4 % Zinsen seit 15.9.1985 abgewiesen wurde, wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger und seine Frau sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft in B*****. Der Kläger beauftragte den beklagten Architekten nach Besichtigung der Liegenschaft und nach einer ausführlichen Besprechung, der auch die Gattin des Klägers zugezogen wurde, am 15.1.1965 in München mit der Planung und Bauleitung eines auf dieser Liegenschaft neu zu errichtenden Hauses. Das Honorar des Beklagten sollte vereinbarungsgemäß nach der deutschen Gebührenordnung abgerechnet werden. Dipl.Ing.Gerhard Z***** führte im Auftrag des Beklagten die Bauaufsicht. Das Haus wurde im Jahr 1966 von der Familie des Klägers bezogen; bis auf den Dachbodenausbau war es Ende 1967 fertiggestellt. Ab dem 1. oder 2. Jahr nach Bezug des Hauses stellten der Kläger und seine Familie im Winter oder bei Regen das Auftreten von Feuchtigkeit im Bereich des Dachbodens fest. Das Holz war durchfeuchtet, es tropfte in diesem Bereich auch auf den Estrichfußboden. Daraufhin erteilte der Beklagte dem Kläger den Rat, eine Dachrinnenheizung einbauen zu lassen. Dadurch bildete sich zwar weniger Feuchtigkeit bei der Dachrinne, nach wie vor trat jedoch immer wieder im Bereich der Dachrinnenheizung Feuchtigkeit auf. Der Kläger und seine Familie meinten, daß sie an diesen Feuchtigkeitseinwirkungen selbst schuld seien, weil sie entweder die Dachrinnenheizung zu spät aufgedreht oder die Dachrinne nicht rechtzeitig ausgeräumt hätten.

Am 12.7.1984 (im Urteil des Erstgerichtes ON 18 Seite 12 offenbar unrichtig 7.12.1984) wurde bei einem schweren Hagelsturm das Dach beschädigt. Architekt Z***** besichtigte im Auftrag des Beklagten am 19.7.1984 das Dach. Dachdeckerfirmen äußerten die Meinung, es liege ein Baufehler bei der Konstruktion des Daches vor.

Nachdem der Beklagte erfahren hatte, daß seine Haftpflichtversicherung Schäden im Ausland nicht decke, versuchte er erfolglos eine Lösung mit seiner Versicherung im Kulanzweg. Nach Schriftverkehr einigten sich die Streitteile auf eine Besichtigung der Schäden im Dachbereich am 21.9.1984, an der auch der Beklagte teilnahm. Peter W***** verfaßte darüber ein Protokoll, das der Beklagte jedoch nicht unterschrieb. Bei dieser Besichtigung wurde über eine Haftung des Beklagten nicht ausdrücklich gesprochen. Der Beklagte unterfertigte das Protokoll deshalb nicht, weil seiner Meinung nach zahlreiche ihm wichtig erscheinende Umstände nicht darin enthalten waren. Darüber entwickelte sich ein reger Schriftverkehr zwischen den Streitteilen bzw zwischen Peter W***** und dem Beklagten. Der Beklagte anerkannte niemals ausdrücklich eine Haftung, lehnte aber auch niemals eine Haftung ab. Das Dach wurde 1985 repariert.

Nach dem in dem nun anhängigen Verfahren am 4.7.1990 Ruhen vereinbart worden war, übersandte der Kläger dem Beklagten am 14.3.1991 einen Vergleichsvorschlag, den der Beklagte mit Schreiben vom 19.6.1991 ablehnte. Andere Kontakte fanden zwischen den Streitteilen bis zur Fortsetzung des Verfahrens im November 1991 nicht statt.

Der Kläger begehrt mit der am 3.12.1986 eingebrachten Klage die Zahlung von S 492.794,40 sA. Der Beklagte habe seine vertraglichen Pflichten als Architekt schuldhaft teilweise gar nicht, teilweise nur mangelhaft wahrgenommen. Nach der in der außerordentlichen Revision vorgenommenen - zulässigen und gebotenen (SZ 64/160; AnwBl 1990, 656) - Aufgliederung des Klagsbetrags entfallen S 141.408,- auf Schäden durch Eindringen von Wasser durch die nicht wasserdichte Bördelung der Dachrinne in das Hausinnere, S 351.386,40 auf Schäden durch einen Planungsfehler des Beklagten bei der Dachkonstruktion, der darin bestehe, daß das Steildach keine Entlüftung und keine Belüftung aufweise.

Bei einer nach einem Hagelschaden am 14.7.1984 mit einem Dachdecker vorgenommenen Begehung des Daches habe sich herausgestellt, daß die Bördelung der Dachrinne größtenteils unter dem Niveau der (äußeren) Oberkante der Attika liege. Bei Verstopfung der Dachrinne könne das Wasser daher nicht über die Außenkante der Attika abrinnen, sondern dringe durch die nicht wasserdichte Bördelung in das Hausinnere ein. Die örtliche Bauaufsicht habe diesen Planungs- und Ausführungsmangel nicht wahrgenommen. Die falsch ausgeführte Bördelung habe schon vor dem Jahr 1984 zum Eindringen von Wasser in das Haus geführt, doch sei dem Kläger die Schadensursache nicht bekannt gewesen. Dipl.Ing.Z***** habe bei einer Besichtigung als Schadensursache angegeben, daß bei Eis und Schnee Wasser zwischen dem Blech und den Dachziegeln eindringe. Aufgrund dieser unrichtigen Angaben habe der Kläger eine Dachrinnenheizung anbringen lassen, die jedoch keine endgültige Abhilfe habe schaffen können. Wegen der falsch geplanten und bei der Bauaufsicht nicht beanstandeten Bördelung habe der Kläger die Dachrinne zur Gänze erneuern müssen, um das weitere Eindringen von Wasser in das Hausinnere zu vermeiden. Bei Auftreten von Mängeln habe der Architekt nicht nur deren Ursache und die Verantwortung hiefür zu klären, sondern notfalls den Bauherrn auch gegen sich selbst zu beraten. Im Rahmen seiner Betreuungsaufgaben habe der Architekt nicht nur die Auftraggeberrechte gegenüber den Bauunternehmern zu wahren; ihm obliege auch die objektive Klärung der Mängelursachen, selbst wenn es sich um eigene Planungs- oder Aufsichtsfehler handle. Verletze der Architekt schuldhaft die Untersuchungs- und Beratungspflicht, sei er dem Bauherrn wegen positiver Vertragsverletzung zum Schadenersatz verpflichtet. Ansprüche gegen den Architekten aufgrund positiver Vertragsverletzung verjährten nicht in fünf, sondern erst in dreißig Jahren. Der auf Anraten des Beklagten vorgenommene Einbau einer Dachrinnenheizung im Jahr 1968 sei eine völlig falsche Abhilfemaßnahme gegen die im Bereich des Dachbodens bzw im Bereich der Dachrinne immer wieder eindringende Feuchtigkeit gewesen. Das Eindringen der Feuchtigkeit sei vielmehr darauf zurückzuführen gewesen, daß der Beklagte die Bördelung des Dachrinnenbleches auf der Dachschräge größtenteils zu niedrig geplant habe und daß der Beklagte die notwendige Querbelüftung der Dachkonstrution schuldhaft nicht geplant habe. Der Beklagte habe es schuldhaft unterlassen, einen Planungsfehler einzuräumen und auf seine eigene Haftung hinzuweisen. Der Beklagte habe daher dem Kläger den durch positive Vertragsverletzung entstandenen Schaden von S 141.408,- zu ersetzen.

Weiters bestehe ein Planungsfehler des Beklagten darin, daß das Steildach keine Ent- und Belüftung aufweise. Das dadurch im Dachbodenbereich auftretende Kondenswasser habe zu Fäulnisbildung und zu Lacken auf dem Fußboden geführt. Die fortdauernde Schwitzwasserbildung sei durch die Abluftschächte des Schwimmbades noch verschärft worden. Die zur Behebung des Planungsfehlers des Beklagten notwendigen Umbauten im Traufen- und Firstbereich hätten - unter Berücksichtigung der Sanierung von Hagelschäden - einen Aufwand von S 351.386,40 erfordert.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grund und der Höhe nach und beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und wende primär Verjährung ein. Bei Planung und Bauaufsicht sei es nicht zu Fehlern gekommen. Seit Abnahme des Hauses im Jahr 1966 seien keine Mängel aufgetreten. Die Kastenrinne sei nach üblichen Ausführungsregeln für Spenglerarbeiten gefertigt. Der Querschnitt der Attikarinne sei so bemessen, daß er den Erfahrungswerten und technischen Vorschriften voll entspreche. Die Dachbodenausbildung sei zum Zeitpunkt ihrer Herstellung fachgerecht gewesen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Kläger habe den Beklagten mit Planung und Errichtung des Hauses am 15.1.1965 in München beauftragt. Mangels anderer Vereinbarung sei daher gemäß § 37 ABGB idF vor Inkrafttreten des IPRG deutsches Recht anzuwenden. Gemäß §§ 635, 638 BGB gelte für Schadenersatzansprüche aus Werkverträgen über Bauplanung und Bauausführung eine fünfjährige Verjährungsfrist, die mit Abnahme des Bauwerks - hier 1966 oder spätestens mit Beendigung der Mängelbehebungsarbeiten im Jahr 1967 - zu laufen begonnen habe. Die Verjährungsfrist gelte für alle Mängel, die durch schlechte Planung oder Bauüberwachung dem Bauwerk unmittelbar anhafteten; sie sei bei Klagseinbringung im Jahr 1986 längst abgelaufen gewesen. Eine - innerhalb einer Verjährungsfrist von dreißig Jahren geltend zu machende - positive Vertragsverletzung liege nur dann vor, wenn Folgeschäden entstehen, die nicht mehr eng mit dem Mangel zusammenhängen, so bei Beschädigung von Mobiliar durch Eindringen von Wasser, bzw wenn Vertragsnebenpflichten verletzt werden, die außerhalb der eigenen Hauptleistung geschuldet werden. Für Schäden am Bauwerk selbst gelte die fünfjährige Verjährungsfrist.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Bei der Beurteilung des anzuwendenden Rechtes sei weiters zu prüfen, ob bei Anwendung des deutschen Rechtes Normen über eine Rück- oder Weiterverweisung bestehen. Das im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Jänner 1965 geltende deutsche internationale Privatrecht (IPR EGBGB) habe keine gesetzliche Regelung für das Schuldrecht vorgesehen. Nach der Rechtsprechung sei insbesondere auf die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens im Wege ergänzender Vertragsauslegung abzustellen. Mangels Ermittlung eines solchen hypothetischen Parteiwillens werde bei Werkverträgen regelmäßig das Recht des Erfüllungsortes herangezogen. Es sei daher materielles deutsches Recht anzuwenden.

Schadenersatzansprüche aus einem mangelhaften Werk verjährten, wenn es sich um Bauwerke handle, nach fünf Jahren ab Abnahme des Werkes (§ 638 BGB). Die Verjährungsfrist habe daher spätestens 1978 - lange vor Klagseinbringung - geendet. Für Schadenersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung gelte hingegen die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB. Eine positive Vertragsverletzung liege insbesondere dann vor, wenn der Schaden zwar auf ein mangelhaftes Werk zurückzuführen sei, aber weder in einem dem Werk unmittelbar anhaftenden Nachteil bestehe oder sonst eng und unmittelbar mit dem Mangel zusammenhänge. Soweit Planungsfehler geltend gemacht würden, die mit dem Werk in unmittelbarem Zusammenhang stehen, würden jedoch nicht die Kosten der Behebung von Folgeschäden begehrt; in diesen Fällen gelte die kürzere Verjährungsfrist des § 638 BGB.

Die deutsche Rechtsprechung sehe eine positive Vertragsverletzung auch darin, wo aus dem Vertrag (Bauaufsicht) die Pflicht zur Beratung des Bauherrn zwecks rechtzeitiger Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegenüber Professionisten bestanden habe; diese Aufklärungs- und Beratungspflicht werde selbst dann verlangt, wenn der Architekt eigene Planungs- oder Aufsichtsfehler aufdecken müßte. Hiezu habe der Kläger jedoch kein schlüssiges Vorbringen erstattet. Erstmalig in der Berufung und damit unter Verstoß gegen das Neuerungsverbot des § 482 ZPO habe er vorgebracht, daß durch die mangelnde Beratung im Jahr 1968 die Ansprüche aus mangelhaftem Werk auch gegenüber dem Beklagten verjährt seien, woraus der Verstoß gegen Nebenpflichten und daher die längere Verjährungsfrist des § 195 BGB abzuleiten sei. Auf diese unzulässige Neuerung dürfe das Berufungsgericht jedoch nicht eingehen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung bei Ermittlung des von den inländischen Gerichten anzuwendenden ausländischen (hier - wie nun nicht mehr bestritten wird - deutschen) Rechtes (siehe hiezu auch die in diesem Verfahren ergangene Entscheidung des OGH 3 Ob 560/88) eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechtes in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt hat (EvBl 1985/172; IPRE 2/12; IPRE 2/13; IPRE 2/52 ua).

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Nach deutschem Recht kommen für die hier geltend gemachten Ansprüche gegen einen Architekten Verjährungsfristen von unterschiedlicher Dauer in Betracht, die von dem Rechtsgrund, auf den sie gestützt werden, abhängig sind. In Frage kommen hier die fünfjährige Verfährungsfrist des § 638 BGB und die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB.

Gemäß § 638 BGB verjähren ua Schadenersatzansprüche wegen eines Mangels bei Bauwerken in fünf Jahren ab Abnahme des Werkes. Ansprüche gegen Architekten verjähren daher grundsätzlich in fünf Jahren. Die Frist beginnt, wenn der Architekt alles getan hat, was ihm nach dem Vertrag obliegt (Thomas in Palandt, BGB53, Rz 13 zu § 638).

Ausgehend von der festgestellten Abnahme spätestens im Jahr 1967 ergibt sich hier somit der Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist nach § 638 BGB im Jahr 1978, somit weit vor der am 3.12.1986 erfolgten Einbringung der Klage.

Demgegenüber beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB dreißig Jahre; sie gilt insbesondere bei Schadenersatzansprüchen aus positiver Vertragsverletzung (Heinrichs in Palandt59 Rz 9 zu § 195).

Schadenersatzansprüche des Auftraggebers gegen einen Architekten

können nach ständiger Rechtsprechung des BGH (BGHZ 91, 251 = NJW

1985, 328; BGHZ 71, 144 = NJW 1978, 1311 jeweils mwN ua), in

folgenden hier bedeutsamen Fällen auf den Rechtsgrund der positiven Vertragsverletzung - mit der Folge einer Verjährung erst in 30 Jahren - gestützt werden: Der umfassend beauftragte Architekt hat dem Bauherrn noch nach Beendigung seiner eigentlichen Tätigkeit bei der Behebung von Baumängeln zur Seite zu stehen. Im Rahmen seiner Betreuungsaufgaben hat er nicht nur die Auftraggeberrechte gegenüber den Bauunternehmern zu wahren; ihm obliegt auch die objektive Klärung der Mängelursachen, selbst wenn hiezu eigene Planungs- oder Aufsichtsfehler gehören. Als Sachwalter des Bauherrn schuldet er die unverzügliche und umfassende Aufklärung der Ursachen sichtbar gewordener Baumängel sowie die sachkundige Unterrichtung des Bauherrn vom Ergebnis der Untersuchung und von der sich daraus ergebenden Rechtslage. Das entgegenstehende Interesse des Architekten, sich eigener Haftung möglichst zu entziehen, vermag das Unterlassen zutreffender Unterrichtung des Bauherrn nicht zu rechtfertigen. Die dem Architekten vom Bauherrn eingeräumte Vertrauensstellung gebietet es vielmehr, diesem im Laufe der Mängelursachenprüfung auch Mängel des eigenen Architektenwerks zu offenbaren. Verletzt der Architekt schuldhaft diese Untersuchungs- und Beratungspflicht, so ist er dem Bauherrn wegen positiver Vertragsverletzung zum Schadenersatz verpflichtet. Dieser Schadenersatzanspruch geht dahin, daß die Verjährung der gegen den Architekten gerichteten Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche als nicht eingetreten gilt.

Der Architekt kann sich somit infolge Verletzung seiner nachvertraglichen Beratungspflicht, wegen positiver Vertragsverletzung mit der Folge schadenersatzpflichtig machen, daß er verjährte Mängelansprüche des Bauherrn als nicht verjährt hinnehmen muß, etwa dann, wenn der Architekt den Bauherrn über die Ursache von Schäden am Bau schuldhaft eine unrichtige Auskunft erteilt und dadurch den Bauherrn veranlaßt hat, mit der Inanspruchnahme des Architekten über die Verjährungszeit hinaus zuzuwarten. Die Haftung aus der falschen Auskunft verjährt erst in dreißig Jahren, soweit nicht der Vertrag ein anderes bestimmt (Glanzmann in BGB-RGRK12, Rz 55 zu § 638).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, daß der zu 2b geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der für die nachträgliche Belüftung erforderlichen Kosten gemäß § 638 BGB verjährt ist, weil der Kläger diesen Anspruch ausschließlich aus Planungsfehlern des Beklagten ableitet. Eine nachfolgende unrichtige Beratung durch den Beklagten, aus der Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung im dargelegten Sinn abgeleitet werden könnten, hat der Kläger nie behauptet.

Insofern mußte der Revision ein Erfolg versagt bleiben.

Anders ist die Sachlage bei dem zu 2a geltend gemachten Anspruch wegen fehlerhafter Bördelung des Dachrinnenbleches. Hier stützt sich der Kläger ausdrücklich darauf, daß der Beklagte im Jahr 1968 eine richtige Beratung des Klägers unterlassen habe. Wie bereits dargestellt wurde, traf den Beklagten eine nachvertragliche Aufklärungspflicht (Glanzmann in BGB-RGRK12, Rz 31, 55 zu § 638 und Rz 74 zu Anh zu §§ 633-635; Frank Peters in Staudinger12 Rz 33 zu Anh II zu § 635; Soergel in MünchKomm2 Rz 77 zu § 635). Darin wird eine positive Vertragsverletzung erblickt; die Schadenersatzansprüche daraus verjähren in 30 Jahren (Soergel aaO Rz 8 zu § 638; Frank Peters aaO Rz 11 zu § 638 und Rz 50 zu § 635). Dieser Schadenersatzanspruch des Auftraggebers liegt im Wegfall der Verjährungseinrede (Glanzmann aaO Rz 31, 55 zu § 638).

Der Ansicht des Berufungsgerichtes, der Kläger habe hiezu im Verfahren erster Instanz kein ausreichendes Tatsachenvorbringen erstattet, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr hat der Kläger bereits in dem am 4.11.1991 eingebrachten Schriftsatz vorgebracht, daß der Beklagte es im Jahr 1968 schuldhaft unterlassen habe, einen Planungsfehler einzuräumen und auf seine eigene Haftung hinzuweisen. Auf Grundlage dieses Tatsachenvorbringens oblag es den Vorinstanzen, eine Prüfung auch in der Richtung vorzunehmen, ob ein auf den Rechtsgrund der positiven Vertragsverletzung gegründeter Anspruch des Klägers besteht. Da hiezu keine Feststellungen getroffen wurden, mußten die angefochtenen Urteile in diesem Umfang aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung begründet sich auf §§ 40, 50, 52 Abs 2, 392 Abs 2 ZPO.

Der Beklagte hat zwei (inhaltsgleiche) Revisionsbeantwortungen eingebracht; die zweite Revisionsbeantwortung war daher als unzulässig zurückzuweisen.

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