OGH 2Ob570/94

OGH2Ob570/941.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf K***** & Co Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Paul Appiano ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Gertraut ***** F*****, vertreten durch Dr.Heide Strauss, Rechtsanwältin in Gänserndorf, wegen S 250.000,-- sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18. Jänner 1993, GZ 14 R 230/92-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 20.März 1992, GZ 23 Cg 312/89-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 41.023,20 (darin S 4.837,20 Umsatzsteuer und S 12.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des gesamten Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 2.1.1988 verstorbene Margarete ***** M***** war Eigentümerin der Liegenschaft EZ 796 KG M***** (Haus *****straße 9). Seit 1944 bestand zugunsten ihres Bruders Friedrich K***** ***** ein grundbücherlich eingetragenes Wohnungsrecht sowie ein Belastungs- und Veräußerungsverbot. Am 1.11.1955 schloß Margarete M***** mit der Eigentümerin der Nachbarliegenschaft (Haus *****straße 7) Elisabeth S***** ein Übereinkommen über die Schaffung einer gemeinsamen Zufahrt für beide Liegenschaften: Das Gitter zwischen den Liegenschaften wurde entfernt und auf Kosten von Elisabeth S***** ein zweiflügeliges Gittertor hergestellt, die Grundgrenze zwischen beiden Liegenschaften blieb in der Mitte dieser Zufahrt in der Natur für jedermann erkennbar unverändert. Die Grundeigentümer räumten sich gegenseitig das Recht zur unentgeltlichen Benützung des jeweils anderen Grundstücks im Bereich der Einfahrt ein. Eine Verbücherung dieser Vereinbarung erfolgte nicht.

Margarete M***** hatte die Beklagte als Alleinerbin eingesetzt, die Liegenschaft EZ 796 KG M***** jedoch zur Hälfte ihrem Bruder Friedrich K***** und zu je einem Viertel der Beklagten und deren Schwester Sighilt H***** vermacht. Die Beklagte beauftragte Franz H***** mit dem Verkauf der Liegenschaft, wobei ihr ein Preis von 2 bis 2,1 Mill.S vorschwebte. Der Geschäftsführer der klagenden Partei Ing.Willi S***** besichtigte die Liegenschaft und sah dabei die für jedermann leicht erkennbare gemeinsame Einfahrt für beide Liegenschaften, fand im Grundbuch außer dem für Friedrich K***** einverleibten Wohnrecht und Belastungs- und Veräußerungsverbot aber keine Belastungen. Im Hinblick auf den Abstand zwischen beiden Häusern sah er kein Hindernis für die beabsichtigte Bebauung der Liegenschaft bis zur Grundstücksgrenze, zumal (er für) die klagende Partei den Erwerb der Liegenschaft nur zum Zweck der Weiterveräußerung zu Verbauungszwecken verfolgte. Die oben beschriebene Vereinbarung vom 1.11.1955 war Ing.Willi S***** und der Beklagten nicht bekannt. Ing.Willi S***** machte nach Besichtigung der Liegenschaft ein Anbot über S 1,800.000,--. Mit Kaufvertrag vom 18./26./29.4.1988 verkaufte die Verlassenschaft nach Margarete M*****, vertreten durch die Beklagte als erbserklärte Erbin, die Liegenschaft an die klagende Partei um 1,8 Mill.S. Laut Punkt VI des Kaufvertrages leistete die Verlassenschaft als Verkäuferin Gewähr für die vollkommen satz- und lastenfreie Übergabe sowie dafür, daß der Vertragsgegenstand frei von Bestandrechten Dritter ist. Friedrich K***** verzichtete laut Punkt VII auf das zu seinen Gunsten einverleibte Wohnungsrecht sowie das Belastungs- und Veräußerungsverbot.

Die klagende Partei verkaufte ihrerseits diese Liegenschaft mit Vertrag vom 30.3.1989 an die I***** GmbH um 2,8 Mill.S. Anläßlich dieser Vertragserrichtung wurde auf Wunsch des Geschäftsführers der I***** GmbH vereinbart, daß für den Fall, daß eine außerbücherliche Wegedienstbarkeit durch die Eigentümer der Nachbarliegenschaft geltend gemacht werden und die Bebauung der Liegenschaft nicht bis zur Grundstücksgrenze möglich sein sollte, der Kaufpreis um S 375.000,-- zu mindern sei. Basis für die Berechnung dieses Betrages war die für die Verbauung zur Verfügung stehende geringere Nutzfläche. Bei der Bauverhandlung am 17.5.1989 legte der Vertreter der Elisabeth S***** die Vereinbarung vom 1.11.1955 vor und wies auf die bestehende außerbücherliche Servitut sowie darauf hin, daß Elisabeth S***** dieses Recht seit 30 Jahren ausübe. Elisabeth S***** forderte für den Verzicht auf die Wegedienstbarkeit nach Verhandlungen mit der I***** GmbH letztlich S 250.000,--, welche die I***** GmbH bezahlte und vom Kaufpreisrest gegenüber der klagenden Partei in Abzug brachte.

Unter Berufung auf Vertragspunkt VI begehrt die klagende Partei von der beklagten Partei den Ersatz dieses Betrages aus den Rechtsgründen der Gewährleistung als Verbesserungsaufwand zur Herstellung der Lastenfreiheit der Liegenschaft, sowie auch aus dem Titel des Schadenersatzes wegen Verlustes eines unternehmerischen Gewinnes aus der Weiterveräußerung der Liegenschaft.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, die offenkundige Servitutsberechtigung der Eigentümerin der Nachbarliegenschaft sei der klagenden Partei bekannt gewesen, deswegen sei auch ein geringerer als der zunächst begehrte Kaufpreis vereinbart worden. Die klagende Partei habe daher nur aus wirtschaftlichen und Zweckmäßigkeitserwägungen den Klagsbetrag an die I***** GmbH "bezahlt" (in Wahrheit verloren), ohne daß hiefür eine rechtliche Notwendigkeit gegeben gewesen wäre.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, lediglich ein Zinsenmehrbegehren wies es unbekämpft ab. Zusätzlich zum eingangs dargelegten Sachverhalt stellte es noch fest, daß der Beklagten sowie ihrer Schwester Sighilt H***** zwar die Einfahrt seit ihrer Kindheit bekannt war, sie jedoch diese gemeinsame Zufahrt nicht als Belastung der Liegenschaft im Sinne des Vertragspunktes VI ansahen; als solche Belastung verstanden sie lediglich Pfandrechte für offene Forderungen oder ähnliches. Für eine Berücksichtigung der Einfahrt und damit verbundener Rechte der Nachbarin bei der Vereinbarung des Kaufpreises von 1,8 Mio S fehle jede Grundlage. Den Klagsbetrag erachtete das Erstgericht als für den Verzicht auf die Dienstbarkeit angemessen. In seiner rechtlichen Beurteilung gründete das Erstgericht die Haftung der beklagten Partei auf ihre Zusage der Lastenfreiheit, die auch die Freiheit von Servituten umfasse. Der Anspruch der klagenden Partei auf lastenfreie Übergabe begründe auch einen Anspruch auf Verbesserung durch Beseitigung des Rechtsmangels aufgrund der außerbücherlich ersessenen bzw. vereinbarten Dienstbarkeit und auf Ersatz des Aufwandes für die Erreichung des Verzichts der daraus berechtigten Nachbarin.

Das Berufungsgericht wies in Stattgebung der Berufung der Beklagten das Klagebegehren zur Gänze ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es vertrat folgende Rechtsansichten:

Entscheidend sei, welche Bedeutung die Klägerin als Liegenschaftskäuferin der Erklärung der Verkäuferin, für die satz- und lastenfreie Übergabe der Liegenschaft Gewähr zu leisten, beimessen durfte. § 863 ABGB sei in Verbindung mit den §§ 870 ff ABGB die Grundlage der für empfangsbedürftige Willenserklärungen maßgeblichen Vertrauenstheorie. Danach bestimme sich die Bedeutung einer Willenserklärung aus ihrem objektiven Sinn unter Berücksichtigung der im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche, soferne der Erklärungsempfänger auf die objektive Erklärungsbedeutung berechtigterweise vertraute, insbesondere den wahren Willen des Erklärenden nicht kannte. Es komme daher weder darauf an, was der Erklärende wirklich wollte, noch darauf, wie der andere Teil die Erklärung subjektiv verstanden habe, sondern nur darauf, welche Schlüsse der Adressat als redlicher Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben daraus abzuleiten berechtigt war. Hier habe der Geschäftsführer der klagenden Partei die Gestaltung der Liegenschaftszufahrt in der Natur gekannt, wonach an der Grundgrenze zur Straße ein gemeinsames Tor und längs der Schmalseite der Häuser eine gemeinsame Zufahrt bestand, in deren Mitte die Grundgrenze verlief. Angesichts der Offensichtlichkeit dieser Belastung habe sich die allgemein gehaltene Vertragserklärung der Verkäuferin, für die satz- und lastenfreie Übergabe der Liegenschaft zu sorgen, ohne nähere Erläuterung nicht auf diese Servitut beziehen können. Vielmehr habe die Verkäuferin das Anbot der klagenden Partei, für die Liegenschaft 1,8 Mill.S zu bezahlen, nur dahin verstehen dürfen, daß bei der Kalkulation die offene Servitut mitbestimmend und durch die Preiskalkulation abgegolten gewesen sei. Bei solch offenkundigen Mängeln sei anzunehmen, daß der Erwerber diese wahrgenommen und sich vermutlich des geringeren Preises wegen damit einverstanden erklärt habe. Der Kaufvertrag sei daher mit dem Inhalt zustandegekommen, daß die klagende Partei als Käuferin die offene Servitut übernehme und unter deren Berücksichtigung den von ihr gebotenen Preis zahle, sodaß die Verkäuferin für das Nichtvorhandensein dieser Beschränkung nicht Gewähr leisten müsse.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhobene außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Fallen die Mängel einer Sache in die Augen oder sind die auf der Sache haftenden Lasten aus den öffentlichen Büchern zu ersehen, so findet außer dem Falle arglistigen Verschweigens des Mangels oder einer ausdrücklichen Zusage, daß die Sache von allen Fehlern und Lasten frei sei, keine Gewährleistung statt (§ 928 ABGB). Maßgebend hiefür ist der Zeitpunkt der Abgabe der bindenden Willenserklärung des Erwerbers, denn nur zu diesem Zeitpunkt kann dieser den augenfälligen Mangel bei der Vertragsgestaltung (insbesondere beim Preis) berücksichtigen (Reischauer in Rummel2 Rz 2 zu § 928 mwN). Die Erklärung des die Kaufsache besichtigenden Käufers kann der Veräußerer so deuten, daß jener sie mit den augenfälligen Mängeln (gemessen an einer Idealleistung) erwerben will, daß sie also so vertragsgemäß sein soll (Reischauer aaO Rz 3 unter Hinweis auf Zeiller, Comm III/1, 131). Unter ausdrücklicher Zusage im Sinne des § 928 ABGB ist nichts anderes als eine besondere Zusage zu verstehen, sei sie nun ausdrücklich im engeren Sinne oder bloß schlüssig im Sinne des § 863 ABGB (SZ 41/182; Reischauer aaO Rz 5), die Zusage kann völlige Fehlerfreiheit oder auch bloß Freiheit von einzelnen Fehlern (unter Ausklammerung etwa eines offenen Mangels wie einer offenen Dienstbarkeit) enthalten (vgl. SZ 41/182). § 863 - in Verbindung mit §§ 870 ff und 914 - ABGB zeigt, daß es für das Vorliegen und die Bedeutung einer Erklärung nicht primär auf den Willen des Erklärenden, sondern vielmehr auf das Verständnis ankommt, das ein redlicher Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben daraus abzuleiten berechtigt war (SZ 54/163 ua; Rummel in Rummel2 Rz 8 zu § 863 mwN).

Zu den Ausführungen des Berufungsgerichtes, die Belastung einer Servitut sei offensichtlich gewesen, ist zu bemerken, daß bloß die Tatsache einer gemeinsamen Zufahrt zu beiden Liegenschaften offensichtlich war. Welches Rechtsverhältnis dieser zugrunde lag, war aber nicht offenkundig. Selbst die Beklagte vertrat in ihrer Berufung die Ansicht, es habe sich um ein Prekarium gehandelt. Der Frage, ob ein offenkundiger Mangel vorlag, kommt jedoch keine Bedeutung zu.

Entscheidend ist nämlich, daß die Verkäuferin Gewähr für die vollkommene satz- und lastenfreie Übergabe leistete. Darin ist auch die Zusage des Freiseins von Servituten zu verstehen (Binder in Schwimann, Rz 12 zu § 928). Im Fall einer Zusage ist gemäß § 928 ABGB aber auch für offenkundige Mängel Gewähr zu leisten (Binder aaO, Rz 10). Daß bei einem in die Augen fallenden Mangel der Erwerber vermutlich wegen des geringeren Preises einverstanden ist (Binder aaO Rz 1), kann bei Zusage der Mangelfreiheit nicht generell gesagt werden. Eine Gewährleistungspflicht des Veräußerers wäre nur dann zu verneinen, wenn die Auslegung der Zusage - unter Berücksichtigung des Willens der Parteien - dazu führen würde, daß der betreffende Mangel davon ausgenommen sein sollte. Dafür bieten die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen aber keinerlei Anhaltspunkt. Daß der Mangel vom Geschäftsführer der klagenden Partei beim Vertragsabschluß bei der Aushandlung des Kaufpreises von S 1,8 Mio ins Kalkül gezogen wurde, wie die Beklagte vorbrachte und das Berufungsgericht auch mit dem rechtlichen Ergebnis, daß der Mangel genehmigt und von der Gewährleistungsklausel des Vertragspunktes VI ausgenommen war, auch annahm, hat das Erstgericht nämlich nicht festgestellt. Es hat im Gegenteil für eine solche Annahme keine Anhaltspunkte gefunden. Überdies steht fest, daß der Geschäftsführer der klagenden Partei kein Hindernis für eine beabsichtigte Bebauung bis zur Grundstücksgrenze sah. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Erstgericht sogar aus, die außerbücherliche Servitut sei allen Beteiligten nicht bekannt gewesen und sei bei Vereinbarung des Kaufpreises daher nicht berücksichtigt worden. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, ein redlicher Erklärungsempfänger hätte die Zusage so verstehen müssen, daß eine offene Dienstbarkeit davon ausgenommen ist.

Daraus folgt, daß die Zusage der Lastenfreiheit die Beklagte gemäß § 928 ABGB zur Gewährleistung verpflichtet, sodaß sie die Mängelbehebung durch Ersatz der zur Lastenfreistellung erforderlichen Kosten schuldet. Ein Aufwand zur Lastenfreistellung war für die klagende Partei jedenfalls erforderlich, denn die Servitutsberechtigte konnte sich - im Gegensatz zur Beklagten - trotz der fehlenden Verbücherung ihres Rechtes auf dieses berufen, denn wegen der in die Augen fallenden gemeinsamen Zufahrt zu beiden Liegenschaften mußten Bedenken bestehen, die zu Nachforschungen verpflichtet hätten (SZ 57/38; vgl auch Schubert in Rummel2, Rz 1 und 3 zu § 1500). Gegenüber der Beklagten bestand für die klagende Partei wegen der Zusage der Lastenfreiheit aber keine derartige Erkundungspflicht. Gegen die - von der Beklagten ganz allgemein bekämpfte - Angemessenheit des dafür von der klagenden Partei "aufgewendeten" Klagsbetrages bestehen mit Rücksicht darauf keine Bedenken, daß dieser Betrag etwa 14 % des zwischen den Streitteilen (bzw etwa 9 % des zwischen der klagenden Partei und der I***** GmbH) vereinbarten Kaufpreises darstellt und durchaus ein Anwendungsfall des § 273 Abs 1 ZPO mit einem vertretbaren Ergebnis vorliegt.

Diese Erwägungen führen zur Wiederherstellung des Ersturteils.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.

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