OGH 11Os100/94

OGH11Os100/9430.8.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.August 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager, Dr. Schindler, Dr. Holzweber und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kriz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Siegfried S* wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 16. Mai 1994, GZ 11 e Vr 51/94‑14, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Rolf Schuhmeister zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0110OS00100.9400000.0830.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen ‑ auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthaltenden ‑ Urteil wurde Siegfried S* des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 27. November 1993 in Korneuburg Sonja D* außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB dadurch, daß er sie in seiner Wohnung einsperrte, am linken Oberarm ergriff, in das Schlafzimmer stieß und zu ihr sagte, er werde sie notfalls auch mit Gewalt ausziehen, ihr eine "Watschn" geben, so eine habe sie ihr ganzes Leben noch nicht bekommen und er werde sie umbringen, wenn sie ihn nicht mit ihr "schlafen" lasse, durch Entziehung der persönlichen Freiheit mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht, wobei die Tatvollendung nur deshalb unterblieb, weil sich Sonja D* nicht einschüchtern ließ und Widerstand leistete.

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Gründe der Z 5 a, 9 lit a, und b sowie 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, indes zu Unrecht.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a), welche sich zwar erklärtermaßen von einer unzulässigen Schuldberufung unterscheiden will, aber dennoch ausdrücklich gegen die im schöffengerichtlichen Verfahren unanfechtbare Würdigung (EvBl 1988/108 und 109; EvBl. 1989/24) der Zeugenaussage der Sonja D* ankämpft, vermag gegen die Richtigkeit der maßgeblichen Urteilsfeststellungen keine erheblichen Bedenken aufzuzeigen. Der Beschwerdeführer vernachlässigt den Akteninhalt, soweit er in den Angaben der Zeugin D* vor der Gendarmerie keine Schilderung tatsächlicher Gewalttätigkeiten oder ernst zu nehmender Drohungen, sondern nur eine milieubedingte Äußerung über eine "Watschn" erblickt, weil sich in Wahrheit aus dieser Darstellung unter anderem auch das Anpacken am Oberarm, das Stoßen ins Schlafzimmer und die Ankündigung gewaltsamer Entkleidung ergibt. Alle sonstigen Beschwerdeausführungen über die in den Urteilsgründen ohnehin vorausgesetzte Öffnungsmöglichkeit der Wohnungstür von ihnen sowie darüber, daß eine Vergewaltigung nicht geplant gewesen sei und der Angeklagte in einer Phase des Geschehens Grund zur Annahme haben konnte, die Zeugin werde sich schließlich doch noch zu geschlechtlichen Handlungen überreden lassen, betreffen keine Umstände, welche für die rechtliche Beurteilung der Tat oder für die intersubjektive Überzeugungskraft der erstgerichtlichen Enscheidungserwägungen bedeutsam sind.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ‑ teils unter Übergehung wesentlicher Urteilsfeststellungen und teils auf verfahrensfremder Grundlage ‑ materiellrechtliche Feststellungsmängel einwendet, ist sie nicht gesetzgemäß ausgeführt.

Entgegen der Beschwerdemeinung nahm das Erstgericht ohnedies an, daß die Türe der Wohnung des Angeklagten zwar für eine von außen kommende Hilfe versperrt war, jedoch von innen mit einem Riegel geöffnet werden konnte (91 und 99). Die darüber hinaus reklamierte Feststellungen, wonach "Sonja D* die Türe von innen ganz leicht hätte öffnen können" und sie "diese Türe schließlich auch ganz leicht geöffnet hat", beziehen sich bei Berücksichtigung des gesamten Urteilsinhalts auf bloß unwesentliche Modalitäten; sie werden zudem ohne aktenmäßige Deckung begehrt. Insoweit muß daher die Erwiderung genügen, daß nach der Verantwortung des Angeklagten die Türsperre für eine mit dem Mechanismus nicht vertraute fremde Person schwierig zu handhaben war und die Türe von ihm selbst geöffnet wurde (23 und 34). Ebensowenig wird mit dem weiteren Beschwerdevorbringen, daß die unverletzt gebliebene Zeugin D* nicht gestürzt sei, sich freiwillig aufs Bett gesetzt und nach Ansicht des Angeklagten keinen tatsächlichen Fluchtversuch unternommen habe, in prozeßordnungsmäßiger Weise ein auf Rechtsirrtum beruhendes Feststellungsdefizit geltend gemacht. Der Sache nach geht der Beschwerdeführer nämlich nicht vom gebotenen Vergleich der Urteilstatsachen mit dem darauf angewendeten Strafgesetz aus, sondern versucht eine abschwächende Umdeutung der Sachverhaltsannahmen über die angewendeten Nötigungsmittel, womit er auf urteilsfremder Entscheidungsgrundlage ein Tatgeschehen ohne deliktischen Charakter unterstellen will.

Keine Berechtigung kommt auch dem Verlangen des Beschwerdeführers zu, ihm strafaufhebenden Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) zuzubilligen (Z 9 lit b).

Das Schöffengericht gelangte zur Überzeugung, daß der Angeklagte mit seinem Vorgehen die Sonja D* zur Duldung des Beischlafes nötigen wollte und von der Tatvollendung wegen Aussichtslosigkeit Abstand nahm, weil sich das Mädchen trotz der gesetzten Nötigungsakte nicht einschüchtern ließ (93). Demgemäß sah das Erstgericht die Ursache für die Aufgabe des Tatentschlusses im Widerstand des Opfers und nicht in einem autonomen Entschluß des Angeklagten, weshalb es die für die Strafaufhebung nach § 16 Abs 1 StGB erforderliche Freiwilligkeit der Abstandnahme von der Tatausführung verneinte (101 und 103).

Soweit der Beschwerdeführer meint, die Zeugin D* habe gar keinen Widerstand im rechtlichen Sinn geleistet, sondern bloß erklärt, einen Geschlechtsverkehr nicht dulden zu wollen, zeigt er keinen für die Gesetzesanwendung erheblichen Gesichtspunkt auf. Eine Vergewaltigung erfordert entsprechend ihrem Wesen als Nötigungsdelikt der Beschwerdeansicht zuwider nicht notwendigerweise ein Fluchtverhalten oder eine körperliche Abwehr des Opfers gegen den Täter, sondern vielmehr einen dem Beischlaf oder einer gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung entgegenstehenden Willen des Opfers und dessen Überwindung durch eines der im Gesetz bezeichneten Nötigungsmittel. Daher versagen die sinngemäßen Reklamationen des Beschwerdeführers, wonach der vorhandene Widerstandswillen des Opfers nur in Worten und nicht in Taten zum Ausdruck gekommen sei und demgemäß von einem Scheitern des Vergewaltigungsversuches gar nicht gesprochen werden könnte.

Auch aus der weiteren Überlegung, daß der Angeklagte nach Fehlschlagen des festgestellten Tatplans (93) das Opfer gehen ließ, obwohl er zwecks Erreichung seines Vorhabens noch weitere und stärke Druckmittel zur Verfügung gehabt hätte, läßt sich rechtlich eine Freiwilligkeit des Versuchsrücktritts nicht ableiten. Unterbleibt nämlich die Tatvollendung wegen einer vom Täter unerwarteten Heftigkeit des Opferwiderstandes, welche nur mit gesteigerter Intensität des Angriffs überwunden werden könnte, ist strafbefreiender Rücktritt vom Versuch ausgeschlossen (Mayerhofer‑Rieder StGB3 § 16 Nr 20).

Als nicht stichhältig erweist sich letztlich auch die Subsumtionsrüge (Z 10), mit welcher der Beschwerdeführer einen Schuldspruch wegen (ersichtlich gemeint: versuchter) geschlechtlicher Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB fordert.

Den Urteilsfeststellungen zufolge verband der Angeklagte sein Begehren nach einem Geschlechtsverkehr angesichts der anhaltenden Ablehnung der Sonja D* mit der Äußerung, er wolle zumindest "Petting" vornehmen. Weder aus diesem Sachverhaltsdetail noch aus anderen Urteilsannahmen ergibt sich, daß der Wille des Angeklagten anläßlich seines Nötigungsverhaltens gar nicht auf eine geschlechtliche Vereinigung, sondern bloß auf eine geschlechtliche Handlung im Sinne des § 202 Abs 1 StGB ausgerichtet war oder ein anderes objektives oder subjektives Tatbestandselement der versuchten Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB nicht verwirklicht wurde. Mit der bloßen Beschwerdeargumentation, es sei von "Petting" die Rede gewesen und der Angeklagte habe "letzteres als Alternativhandlung dargestellt", wird nach keiner Richtung hin bezeichnet, aufgrund welcher unrichtigen Gesetzesauslegung die Tatbeurteilung als versuchte Vergewaltigung verfehlt war und eine Verurteilung wegen versuchter geschlechtlicher Nötigung rechtsrichtig wäre. Mangels jeglicher vom angewendeten Gesetz ausgehenden Darlegung, in welcher Beziehung dem Erstgericht der Rechtsirrtum unterlaufen sein soll, ist der Einwand einer argumentationsbezogenen Überprüfung und einer inhaltlichen Erwiderung unzugänglich.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 201 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren. Dabei wertete es als erschwerend die einschlägigen ‑ an sich rückfallbegründenden ‑ Vorstrafen, den raschen Rückfall, die "Begehungsweise in allen Tatbestandsformen" (ersichtlich gemeint die Anwendung sämtlicher in § 201 Abs 2 StGB angeführten Nötigungsmittel), die Unterlegenheit des Opfers (nicht nur physisch, sondern auch in Kenntnis, daß dieses bereits einen Selbstmordversuch unternommen hatte), als mildernd hingegen den Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist.

Mit seiner dagegen erhobenen Berufung begehrt der Angeklagte "die schuldangemessene Herabsetzung" der Freiheitsstrafe.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann vorliegend weder von einer Unbesonnenheit noch von einer besonders verlockenden Gelegenheit gesprochen werde; ist doch die Zeugin D* bereits unter einem Vorwand in die Wohnung des Angeklagten gelockt worden, wo er allein aus ihrer Anwesenheit in der Wohnung noch nicht auf ihre sexuelle Verfügbarkeit schließen konnte.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt; es hat unter entsprechender Berücksichtigung des (auch in Richtung Gewaltdelikten) empfindlich belasteten Vorlebens des Angeklagten ‑ auf der Basis der aktuellen Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe ‑ eine Unrechtsfolge geschöpft, die sowohl dem Unrechtsgehalt der Tat als auch der personalen Täterschuld des Berufungswerbers Rechnung trägt und somit nicht reduktionsbedürftig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

 

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte