OGH 14Os113/94

OGH14Os113/9418.8.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.August 1994 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Dr.Ebner Dr. Rouschal und Dr.Adamovic als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Krumholz als Schriftführerin, in der Strafvollzugssache des Jörg Richard N*****, AZ 27 BE 58/90 des Landesgerichtes St.Pölten, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß vom 26.April 1993 (ON 16), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Fabrizy, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten vom 26.April 1993, GZ 27 BE 58/90-16, ist das Gesetz in dem sich aus dem XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft verletzt worden.

Dieser Beschluß wird aufgehoben.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten vom 29.März 1990, GZ 27 BE 58/90-4, wurde der Strafgefangene Jörg Richard N***** aus der Strafhaft zur Verbüßung der mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20.November 1989, AZ 9 b Vr 3080/89, verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit einem Strafrest von fünf Monaten und 20 Tagen am 30.März 1990 gemäß § 46 Abs 2 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen.

Innerhalb der Probezeit erfolgten zunächst zwei bezirksgerichtliche Verurteilungen, die keinen Anlaß zum Widerruf der bedingten Entlassung boten (ON 7 und 11).

Sodann wurde Jörg Richard N***** mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14.November 1991, GZ 1 b Vr 4732/91-29, des Verbrechens des versuchten räuberischen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 und 2, 131, erster Fall StGB und des Vergehens des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Gleichzeitig beschloß das Schöffengericht, die bedingte Entlassung durch das Landesgericht St.Pölten zu widerrufen. Der dagegen erhobenen Beschwerde des Angeklagten gab das Oberlandesgerichtes Wien mit Beschluß vom 16.Dezember 1991, 27 Bs 416/91, nicht Folge. Hievon wurde das Vollzugsgericht anläßlich der Rücksendung seiner Akten durch Anschluß einer Ausfertigung der Rechtsmittelentscheidung verständigt (ON 12). Weder die neue Freiheitsstrafe noch der Strafrest wurden bisher vollzogen.

Ungeachtet der Verständigung vom Widerruf und trotz Vorliegens einer sämtliche Nachverurteilungen ausweisenden Strafregisterauskunft (ON 15) faßte das Landesgericht St.Pölten als Vollzugsgericht nach Ablauf der Probezeit mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft am 26.April 1993 den Beschluß auf endgültige Entlassung aus der Freiheitsstrafe (ON 16).

Zutreffend macht die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes geltend, daß dieser Beschluß, der den bereits rechtskräftigen Widerruf der bedingten Entlassung unberücksichtigt ließ, das Gesetz verletzt. Er konnte keine Rechtswirksamkeit erlangen, da sein Gegenstand (die bedingte Entlassung) rechtlich nicht mehr existierte. Insbesondere konnte er den bereits vom Landesgericht für Strafsachen Wien ausgesprochenen Widerruf dieser bedingten Entlassung weder beseitigen noch sonst für den Verurteilten irgendwelche Rechtswirkungen erzeugen (EvBl 1989/64 = JBl 1989, 400 ua). Er verstößt vielmehr gegen den sich aus dem XX.Hauptstück der StPO ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft (ne bis in idem) und war daher - ohne daß damit ein Nachteil für den Verurteilten verbunden ist - zu kassieren.

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