OGH 12Os98/94

OGH12Os98/9411.8.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. August 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Mag. Strieder, Dr. Mayrhofer und Dr. E. Adamovic als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kriz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alexander F* wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20. Jänner 1994, GZ 1 d Vr 5154/83‑307, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, und des Verurteilten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0120OS00098.9400000.0811.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Alexander F* wurde (damals noch unter seinem Geburtsnamen Jadranko R*) mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. Jänner 1985, GZ 1 d Vr 5.154/83‑233, im zweiten Rechtsgang (nach Freispruch im Rahmen der Teilkassierung des Ersturteils) auf der Grundlage des im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruches vom 2. Feburar 1984 (ON 164) wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (233.249 S Gesamtschaden zum Nachteil von vier Geschädigten, darunter der Österreichischen Postsparkasse mit einem anteiligen Schaden von 22.434 S) und wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (136.455 S zum Nachteil von zwei Geschädigten, darunter abermals der Österreichischen Postsparkasse mit einem Schadensanteil von 9.800 S) unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 und 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. August 1983 (AZ 1 d E Vr 6.965/83) zu 20 Monaten Zusatzfreiheitsstrafe verurteilt. Alexander F* verbüßte diese Freiheitsstrafe bis zum 3. Oktober 1985 zur Gänze (ON 292).

Mit beim Landesgericht für Strafsachen Wien am 20. Dezember 1993 eingelangtem Schriftsatz beantragte der Verurteilte unter Hinweis auf eine in Kopie angeschlossene Erklärung der Finanzprokuratur vom 19. November 1993, wonach sich die Österreichische Postsparkasse aufgrund der ihr zugekommenen Schadensrückzahlung vom 17. November 1993 in der Höhe von 34.699,40 S hinsichtlich ihrer (urteilsgegenständlichen) Forderungen für voll befriedigt erklärte, eine "angemessene Strafminderung" gemäß § 410 StPO (ON 306).

Dieser Antrag wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluß vom 20. Jänner 1994 mit der Begründung abgewiesen, daß die Verpflichtung zur Schadensgutmachung schon aus dem (auf § 369 Abs 1 StPO gestützten) Adhäsionserkenntnis laut Urteil vom 2. Februar 1984 (ON 164) beruhe (Zuspruch von 32.234 S an die Österreichische Postsparkasse als Privatbeteiligte) und im übrigen jeder Täter zur Gutmachung des tatbedingten Schadens verhalten sei (ON 307).

In ihrer dagegen zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde macht die Generalprokuratur eine Verletzung der Bestimmungen des § 410 StPO und des § 34 Z 14 StGB geltend, weil die Gutmachung des Deliktsschadens - dem in der Begründung für die Abweisung nachträglicher Strafmilderung vertretenen Standpunkt zuwider ‑ nach dem Gesetz unabhängig vom Vorliegen eines entsprechenden Adhäsionserkenntnisses als Milderungsgrund anzuerkennen und ‑ nach dazu gefestigter Judikatur - auch aus der Sicht des § 410 StPO grundsätzlich (insoweit bindend) zu beachten sei. Daß die hier in Rede stehende Freiheitsstrafe (wie erwähnt bis zum 3. Oktober 1985) bereits zur Gänze vollzogen wurde, erachtet die Generalprokuratur (unter Berufung auf Lohsing‑Serini, Österreichisches Strafprozeßrecht S 658) nicht als der Anwendbarkeit des § 410 StPO entgegenstehendes Hindernis, "weil die nach dieser Gesetzesbestimmung mögliche Änderung der Strafart, Herabsetzung des Strafausmaßes und Gewährung einer bedingten Strafnachsicht auch Auswirkungen auf die mit dem Urteil (allenfalls) verbundenen Rechtsfolgen oder auf die im Urteil ausgesprochenen Nebenstrafen sowie auf die Ermöglichung und den Fristenlauf der Tilgung der Verurteilung haben kann". Davon ausgehend werden schließlich die Voraussetzungen eines Entscheidungsbedarfs mit konkreter Wirkung im Sinn des § 292 letzter Satz StPO bejaht.

Der Beschwerde kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu.

Bei isolierter Betrachtung der relevierten Begründungspassage der angefochtenen Entscheidung trifft es zwar zu, daß eine daraus ableitbare Generalisierung in der Richtung, jedwede Schadensgutmachung in Erfüllung eines Adhäsionserkenntnisses scheide vorweg als im Sinn des § 410 StPO taugliche Grundlage einer nachträglichen Strafmilderung aus, den gesetzlichen Intentionen zuwiderliefe. Aus der Sicht des § 292 StPO bleibt vorliegend aber für eine derartig isolierte Betrachtung kein Raum. Weist doch die in Rede stehende Fallkonstellation mit dem abgeschlossenen (hier mehr als acht Jahre zurückliegenden) Strafvollzug eine spezifische Besonderheit auf, die - der Auffassung der Generalprokuratur wie auch des Verurteilten in seiner schriftlichen Stellungnahme zuwider - die Anwendbarkeit des § 410 StPO schon aus grundsätzlichen Erwägungen auf einer dem vordergründig bekämpften meritorischen Fallbezug rechtslogisch vorgelagerten Ebene ausschließt. Schon aus der gesetzessystematischen Zuordnung der Bestimmungen über die nachträgliche Strafmilderung zu dem die "Vollstreckung der Urteile" regelnden XXIII. Hauptstück der Strafprozeßordnung ergibt sich nämlich, daß die Aktualität dieses Rechtsinstituts zu einer der Rechtskraft des Urteils nachfolgenden Sanktionsänderung mit dem Abschluß des Strafvollzuges endet (dazu Mayerhofer‑Rieder StPO3 EGr 6 a zu § 410; Mayer, Kommentar zur StPO IV S 563). Erörterungen zu der vom gegenteiligen Rechtsstandpunkt laut Beschwerdeausführung zu bewältigenden Problematik nachträglich in Wirkung gesetzter Bedingungen einer sogenannten Überhaft erübrigen sich daher ebenso wie die durch die Einzelheiten des konkreten Falls indizierte Prüfung der Frage, ob die Abdeckung eines 30.000 S nicht wesentlich übersteigenden Deliktsschadens (erst) rund acht Jahre nach dem Strafurteil mit Adhäsionserkenntnis überhaupt berücksichtigungswürdige Milderungskomponenten erkennen ließe.

Die so gesehen nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher zu verwerfen.

 

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