Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, wonach der Angeklagte Shaban H***** hinsichtlich weiterer 13 Gramm Heroin den Versuch unternahm, Suchtgift den bestehenden Vorschriften zuwider in einer großen Menge in Verkehr zu setzen, und demgemäß in der rechtlichen Beurteilung dieser Tat (auch) als (teils) versuchtes Verbrechen nach § 15 StGB, § 12 Abs 1 SGG sowie im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Shaban H***** hat zwischen Ende Oktober und Mitte November 1993 in Hohenems und an anderen Orten Vorarlbergs dadurch, daß er von einem Lieferanten 13 Gramm Heroin übernahm und es gemeinsam mit dem Suchtgiftabnehmer Vlajko P***** in ein Versteck brachte und dort verwahrte, um es nach Bezahlung des Kaufpreises an diesen weiterzugeben, Suchtgift in einer großen Menge (§ 12 Abs 1 SGG) mit dem Vorsatz erworben und besessen, daß es in Verkehr gesetzt werde, wobei die Tat nicht nach § 12 SGG mit Strafe bedroht ist.
Er hat hiedurch das Vergehen nach § 14 a SGG begangen und wird hiefür sowie für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruches zur Last liegende Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 28 StGB zu 18 (achtzehn) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
Die Aussprüche über die Anrechnung der Vorhaft und den Ersatz der Kosten des Verfahrens erster Instanz werden aus der angefochtenen Entscheidung übernommen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verworfen.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Shaban H***** wurde mit dem angefochtenen Urteil des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und § 15 StGB schuldig erkannt, weil er in der Zeit von Ende Oktober 1993 bis Mitte November 1993 in Lustenau und Feldkirch den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge dadurch in Verkehr gesetzt hat, daß er dem Vlajko P***** 47 Gramm Heroin verkaufte und übergab und hinsichtlich weiterer 13 Gramm Heroin den Versuch unternahm, dies zu tun.
Gegen diesen Schuldspruch wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a (inhaltlich 10) StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Sie ist teilweise berechtigt.
Die Verfahrensrüge (Z 4) releviert die Abweisung eines Antrages auf neuerliche Zustellung der Ladung an die Zeugin Brigitte F***** unter der alten Adresse in G*****, zum Beweis dafür, daß die Zeugin lediglich an Hand eines ihr vorgehaltenen Lichtbildes habe bestätigen können, daß sie dieses Gesicht zwar kenne, jedoch davon keine Kenntnis habe, daß der Angeklagte Heroin besessen oder an andere übergeben habe, sohin der Tatbestand gemäß Anklageschrift nicht verwirklicht sei (S 145).
An der im Antrag angeführten Anschrift konnte die Ladung der Zeugin vor der Hauptverhandlung nicht zugestellt werden, weil sie von dort verzogen war (ON 14). Die Verteidigung vermochte in diesem Zusammenhang weder einen tatsächlichen noch auch nur vermutenden Aufenthaltsort der Geladenen zu nennen noch anzuführen, in welche Richtung zielführende Nachforschungen hätten angestellt werden können. Überdies hat das Schöffengericht die den Angeklagten eindeutig belastenden Angaben der Zeugin im Vorverfahren (Gendarmerie S 57 ff, Untersuchungsricher S 67 ff) nicht verwertet (US 6, 9; siehe auch S 146 über die Unterlassung der Verlesung dieser Angaben in der Hauptverhandlung). Damit war die Vernehmung der Zeugin, auf die dieser Antrag zielt, einerseits zum aussichtslosen Beweis geworden (Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr 104 zu § 281 Z 4; ENr 59 zu § 199), andererseits hätte es eines konkreten Vorbringens bedurft, auf welche Weise bei dieser Sachlage durch die Zeugenvernehmung überhaupt eine Förderung der Wahrheitsermittlung in der vom Antrag angestrebten Weise (mangelnde Verwirklichung des Tatbestandes) zu erwarten gewesen wäre. Durch die Antragsabweisung wurden daher Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt.
Die Mängelrüge (Z 5) macht das Unterbleiben der Erörterung der Aussagen der Zeugen Silke T***** und Walter W***** in der Hauptverhandlung (S 142 bis 144) geltend. Das Erstgericht hat demgegenüber den Schuldspruch im wesentlichen mit der für glaubwürdig erachteten geständigen Verantwortung des Angeklagten bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vor dem Gendarmerieposten Feldkirch am 8. Februar 1994 (S 29 bis 35) und dem Untersuchungsrichter (ON 3) im Zusammenhalt mit den Aussagen des Zeugen Besnik K***** (S 144, 145; ON 11) begründet (US 6 bis 9). Die genannten Zeugen haben im Vorverfahren den Angeklagten eindeutig als Suchtgiftverkäufer bezeichnet (S 73 ff, 79 ff) und in der Hauptverhandlung ihre Aussagen nur insoferne modifiziert, als sie ihre seinerzeitigen Angaben nur als aus bestimmten Beobachtungen bzw Gesprächen mit P***** abgeleitete Annahmen bzw Vermutungen bezeichneten. Damit stehen diese Aussagen jedoch den auf andere Beweisergebnisse gegründeten erstgerichtlichen Feststellungen nicht entgegen, sodaß das Unterbleiben deren eingehender Erörterung im Lichte der Verpflichtung zu gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) einen Urteilsnichtigkeit herbeiführenden Begründungsmangel nicht verwirklicht.
Ebensowenig liegt im Zusammenhang mit der Aussage des Zeugen Besnik K***** in der Hauptverhandlung, die das Erstgericht zur Begründung der Annahme der Richtigkeit des in der Hauptverhandlung widerrufenen Geständnisses des Angeklagten im Vorverfahren herangezogen hat (US 8), ein Begründungsmangel vor. Die nach Beiziehung eines Dolmetschers über Frage des Verteidigers abgelegte Aussage dieses Zeugen, der Angeklagte habe ihm im Gefangenenhaus mitgeteilt, es werde ihm "vorgeworfen", mit Heroin etwas zu tun zu haben, ist mit seiner unmittelbar vorher ohne Intervention eines Dolmetsch abgelegten Zeugenaussage, der Angeklagte habe ihm gegenüber zugegeben, tatsächlich ein Suchtgiftgeschäft gemacht zu haben, keineswegs unvereinbar; dies umsoweniger, als der Zeuge auch nach Beiziehung des Dolmetsch dabei blieb, der Angeklagte habe ihm gegenüber auch zugestanden, dem vom Zeugen K***** als Suchtgiftlieferanten des Angeklagten bezeichneten "A*****" noch Geld "wegen Heroin" zu schulden (S 145).
Nach den erstgerichtlichen Feststellungen hat sich der Suchtgiftlieferant des Angeklagten "V*****" genannt. Auch hier konnte ein weiteres Eingehen auf die Aussage des Zeugen Besnik K*****, wonach dieser Lieferant "A*****" geheißen habe, als nicht entscheidungswesentlich unterbleiben, weil dieser Zeuge in seiner (in der Hauptverhandlung von ihm ausdrücklich als richtig bestätigten) niederschriftlichen Vernehmung vor der Gendarmerie auch angab, "V*****" sei nach Meinung des Angeklagten der Spitzname des "A*****" gewesen (S 117).
Verfahrens- und Mängelrüge mußten deswegen versagen.
Die sich gegen den Schuldspruch wegen des versuchten Verbrechens nach § 15 StGB, § 12 Abs 1 SGG durch Verwahren von ca 13 Gramm Heroin zum Weiterverkauf an (den einzigen Abnehmer) Vlajko P***** richtende Rechtsrüge (sachlich Z 10) ist jedoch berechtigt.
Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte das von seinem Lieferanten (V*****) übernommene Heroin direkt an seinen einzigen Abnehmer P***** weitergeleitet, der ihm allerdings den vereinbarten Kaufpreis (pro Gramm 1.000 S) bei den ersten beiden Lieferungen (15 und 20 Gramm) schuldig blieb. Deswegen überließ der Angeklagte dem P***** von der letzten Lieferung (25 Gramm) nur mehr einen Teil (ca 12 Gramm), wofür ihm dieser auch nur einen Teilbetrag des vereinbarten Kaufpreises (4.500 S) bezahlte, während der Rest (ca 13 Gramm) in einem Versteck verwahrt wurde. Diese Zwischenlagerung erfolgte nach den Urteilsannahmen wegen des Zahlungsrückstandes des Abnehmers, dem der Angeklagte nach seinem Vorhaben das zwischengelagerte Suchtgift umgehend nach Bezahlung des Kaufpreises ausfolgen und (erst) damit in Verkehr setzen wollte. Zur Übergabe des Suchtgiftes an P***** kam es aber nicht mehr, weil beide in Streit gerieten und der Angeklagte bei einer späteren Nachschau das Suchtgift im Versteck nicht mehr vorfand (US 5, 6).
Das Erstgericht beurteilte das Vorgehen im Zusammenhang mit den versteckten 13 Gramm Heroin als Versuch des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG, weil nach dem Tatplan für den (feststehenden) Abnehmer das Suchtgift nach Bereitstellen des Geldes jederzeit abrufbar war (US 10). Aus der jederzeitigen Verfügbarkeit ("Abrufbarkeit") des verwahrten Suchtgiftes durch einen bekannten Suchtgiftabnehmer im vorliegenden Fall ist aber noch keine, dem Inverkehrsetzen von Suchtgift aktionsmäßig und zeitlich unmittelbar vorangehende Ausführungshandlung ableitbar.
Eine Straftat ist erst dann versucht, sobald der Täter seinen Entschluß, sie auszuführen (oder einen anderen dazu zu bestimmen, § 12 StGB), durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt (§ 15 Abs 2 StGB). Die Ausführungsnähe muß jeweils konkret an Hand der dem betreffenden Tatbild entsprechenden Ausführungshandlung geprüft werden. Nur dadurch kann beurteilt werden, ob das Täterverhalten (objektiv) bereits den Beginn der Ausführung der geplanten Straftat bildet oder zumindest sowohl nach ihrer aktionsmäßigen als auch nach ihrer zeitmäßigen Beziehung zur Ausführung im unmittelbaren Vorfeld des Tatbildes liegt und das deliktische Vorhaben des Täters (subjektiv) bereits in jenes Stadium getreten ist, in dem anzunehmen ist, daß der Täter die entscheidende Hemmstufe vor der Tatbegehung schon überwunden hat. Der Ausführung unmittelbar vorangehend bedeutet ohne Zwischenschaltung örtlicher, zeitlicher oder manipulativer Etappen. Ist dagegen die Handlung noch durch mehrere solche Etappen von der Tatbildverwirklichung getrennt, liegt im allgemeinen eine noch straflose Vorbereitung und nicht schon Versuch vor (Leukauf-Steininger3, § 15, RN 9 und 10).
Den Urteilsfeststellungen zufolge war der Angeklagte zwar entschlossen, die von ihm versteckten 13 Gramm Heroin durch Weitergabe an P***** in Verkehr zu setzen. Diesen Entschluß hatte er jedoch noch nicht durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt. Nach den ersten beiden Suchtgiftübergaben an P***** verkaufte der Angeklagte bei der dritten Lieferung nur etwa die Hälfte der gesamten ihm zur Verfügung stehenden Suchtgiftmenge an diesen. Die Übertragung der Verfügungsgewalt der restlichen in ein Versteck verbrachten Suchtgiftmenge durch einen rechtlichen oder tatsächlichen Vorgang, wie dies das Inverkehrsetzen voraussetzt (15 Os 156/93 und die dort zitierte Literatur und Judikatur), war von der Bezahlung des Kaufpreises durch P***** abhängig, und zwar bezogen auf dessen (gesamten) Zahlungsrückstand (US 5).
Angesichts des festgestellten Zahlungsverzuges des Suchtgiftabnehmers, der die ersten beiden Lieferungen überhaupt nicht und die dritte Lieferung nur etwa zur Hälfte bezahlt hatte, stand aber keineswegs fest, daß der Angeklagte das versteckte Suchtgift in nächster Zeit (vgl Mayerhofer-Rieder, Nebenstrafrecht3, E 25 zu § 12 SGG) und damit auch nach ihrer zeitmäßigen Beziehung im unmittelbaren Vorfeld des Tatbildes liegend (siehe oben) an seinen einzigen Abnehmer weitergegeben hätte. Es stand weder fest, ob noch wann das Suchtgift tatsächlich in Beziehung auf den konkreten Abnehmer in Verkehr gesetzt werden sollte. Demgemäß ist jedenfalls mangels zeitlicher Ausführungsnähe das Verwahren der restlichen Suchtgiftmenge von 13 Gramm Heroin trotz des festgestellten Tatplans des Angeklagten, es "umgehend nach Bezahlung des Kaufpreises" an den feststehenden Abnehmer P***** weiterzuleiten, noch nicht als Versuch des Inverkehrsetzens von Suchtgift zu werten.
Das dem Angeklagten zur Last gelegte Verhalten ist aber weder als straflos noch lediglich als Vergehen nach § 16 Abs 1 SGG anzusehen. Nach den Urteilskonstatierungen liegen vielmehr alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Vergehens nach § 14 a SGG vor.
Nach den weiteren Annahmen der Tatrichter war das vom Angeklagten im Versteck verwahrte Suchtgift - wie das von ihm weitergegebene - zwar von schlechter Qualität, wobei (zugunsten des Angeklagten gerechnet) von einer Untergrenze der Konzentration von 15 % reiner Heroinbase ausgegangen wurde (US 9). Nach dem solchermaßen festgestellten Mindestkonzentrationsgrad beträgt die Reinsubstanz der verwahrten 13 Gramm zumindest 1,95 Gramm reiner Heroinbase und liegt damit im Bereich der großen Menge des § 12 Abs 1 SGG (bei Heroin nach ständiger Judikatur 1,5 Gramm Reinsubstanz; Mayerhofer-Rieder, aaO, E 10 zu § 12 SGG).
Soweit sich der Angeklagte mit der Mängelrüge auch gegen die Urteilsfeststellung des versuchten Inverkehrsetzens von Suchtgift in Ansehung der zuletzt genannten 13 Gramm Heroin mit der Behauptung unzureichender und aktenwidriger Begründung wendet, kann ein Eingehen darauf im Hinblick auf die schon aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 gebotene Aufhebung des bezüglichen Schuldspruches unterbleiben, weil damit nicht die Feststellung des Erwerbs und Besitzes einer großen Suchtgiftmenge mit dem Vorsatz, daß sie in Verkehr gesetzt werde (§ 14 a SGG), sondern nur jene der umgehenden Suchtgiftweitergabe nach Kaufpreiszahlung gerügt wird. Der dazu geltend gemachte Begründungsmangel betrifft somit nicht jene Feststellungen, aus denen sich der Schuldspruch nach § 14 a SGG ableitet.
Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten teilweise Folge zu geben, das angefochtene Urteil im Ausspruch, wonach der Angeklagte hinsichtlich weiterer 13 Gramm Heroin den Versuch unternahm, Suchtgift den bestehenden Vorschriften zuwider in einer großen Menge in Verkehr zu setzen, demgemäß auch in der rechtlichen Beurteilung dieser Tat als versuchtes Verbrechen nach § 15 StGB, § 12 Abs 1 SGG sowie im Strafausspruch aufzuheben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst mit einem Schuldspruch nach § 14 a SGG vorzugehen (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO).
Bei der damit aktuell gewordenen Strafneubemessung waren erschwerend das gewinnsüchtige Streben des selbst nicht suchtgiftabhängigen Angeklagten, das Zusammenfallen eines Verbrechens mit einem Vergehen sowie das wiederholte Inverkehrsetzen von Suchtgift, mildernd demgegenüber die Tatbegehung unter Einwirkung des Suchtgiftabnehmers. Im Hinblick auf die tatsächlich in Verkehr gesetzte Heroinmenge (ein Mehrfaches der in § 12 Abs 1 SGG genannten großen Menge) ist die verhängte Freiheitsstrafe tatschuldangemessen. Wiederholung des Inverkehrsetzens und Gewinnstreben des Angeklagten schließen vorliegend eine bedingte Strafnachsicht in welcher Form auch immer aus.
Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung ebenso wie der Angeklagte mit seiner auf die Entscheidung über die Strafneubemessung zu verweisen.
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