OGH 14Os96/94(14Os97/94)

OGH14Os96/94(14Os97/94)26.7.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Juli 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Krumholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Alfred H***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB, AZ 17 a U 569/92 des Jugendgerichtshofes Wien, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Jugendgerichtshofes Wien vom 19.April 1993, GZ 17 a U 569/92-19, sowie vom 3.Dezember 1993, AZ 21 Bl 76,77/93 (GZ 17 a U 569/92-25), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Hauptmann, und des Verteidigers Dr.Wachter, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Gesetz ist in der Bestimmung des § 56 StGB verletzt worden:

1. durch den Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien vom 19.April 1993, GZ 17 a U 569/92-19 (II), womit (zum AZ 17 a U 50/88 dieses Gerichtes und zum AZ 1 b E Vr 5.569/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) Probezeiten auf jeweils fünf Jahre verlängert wurden;

2. durch den Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien als Berufungsgericht vom 3.Dezember 1993, AZ 21 Bl 76,77/93 = ON 25 (II), womit der Beschwerde des Alfred H***** gegen den zu 1. bezeichneten Beschluß nicht Folge gegeben wurde.

Diese Beschlüsse werden aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit (seit 14.Oktober 1988) rechtskräftigem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 10.Oktober 1988, GZ 17 a U 50/88-22, wurde über den am 7.April 1949 geborenen Alfred H***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB eine unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe verhängt.

In der Folge wurde Alfred H***** mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.April 1989 (in Rechtskraft erwachsen am 28. April 1989), GZ 1 b E Vr 5569/88-24, des im Juli 1987 begangenen Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 und 2 (richtig: nur Abs 2) StGB schuldig erkannt und über ihn unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 10. Oktober 1988 eine gleichfalls mit dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe ausgesprochen. Aufgrund dieser nachträglichen Verurteilung stellte der Jugendgerichtshof Wien mit rechtskräftigem Beschluß vom 9.August 1989, GZ 17 a U 50/88-27, unter "Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht" (siehe aber § 495 Abs 2 zweiter Halbsatz StPO) fest, daß die von ihm gesetzte Probezeit bis zum Ablauf jener im Verfahren AZ 1 b E Vr 5569/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, aber nicht länger als fünf Jahre dauere (§ 55 Abs 3 StGB).

Am 20.Oktober 1992 wurde gegen Alfred H***** wegen des ab 1.Oktober 1990 neuerlich begangenen Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB unter dem AZ 17 a U 569/92 des Jugendgerichtshofes Wien ein weiteres Verfahren gerichtsanhängig (S 2 dieses Aktes), in welchem mit Urteil vom 19.April 1993 (ON 19) über ihn eine nunmehr unbedingte Freiheitsstrafe verhängt wurde; gleichzeitig erging gemäß § 494 a StPO der Beschluß, wonach unter Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsichten zum AZ 17 a U 50/88 des Jugendgerichtshofes Wien und zum AZ 1 b E Vr 5569/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien die in beiden Verfahren bestimmten Probezeiten auf jeweils fünf Jahre verlängert wurden. Sowohl der Berufung des Angeklagten gegen dieses letzte Urteil wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe als auch seiner Beschwerde gegen den Beschluß auf Verlängerung der Probezeiten wurde am 3.Dezember 1993 zum AZ 21 Bl 76,77/93 (= GZ 17 a U 569/92-25) des Jugendgerichtshofes Wien der Erfolg versagt. Erst mit Endverfügung vom 14.Jänner 1994 (ON 26 des zuletzt bezeichneten Aktes) ergingen die in § 494 a Abs 7 StPO vorgesehenen Verständigungen in Ansehung der von der Probezeitverlängerung betroffenen Vorentscheidungen.

Die Verzögerung der nach § 494 a Abs 7 StPO unverzüglich (nicht erst nach Rechtskraft) vorzunehmenden Verständigung hatte zur Folge, daß - noch während des Rechtsmittelsverfahrens - das Landesgericht für Strafsachen Wien mit rechtskräftigem Beschluß vom 19.Mai 1993, GZ 1 b E Vr 5569/88-31, im Hinblick auf den bereits am 28.April 1992 eingetretenen Ablauf der ursprünglichen - dreijährigen - Probezeit die von ihm verhängte Freiheitsstrafe endgültig nachsah. Im Verfahren AZ 17 a U 50/88 des Jugendgerichtshofes Wien erging erst nach dem mit dem 14.Oktober 1993 eingetretenen Ablauf der auf fünf Jahre verlängerten Probezeit am 2.März 1994 ein Beschluß auf endgültige Strafnachsicht (ON 30).

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend zeigt die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde folgende Gesetzesverletzungen auf:

Der Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien im Verfahren AZ 17 a U 569/92 auf Verlängerung der zum AZ 17 a U 50/88 dieses Gerichtes und zum AZ 1 b E Vr 5569/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gesetzten Probezeiten war - ebenso wie die Bestätigung dieses Beschlusses durch die unter dem AZ 21 Bl 76,77/92 ergangene Beschwerdeentscheidung des Jugendgerichtshofes Wien - rechtlich verfehlt, weil sie nach Ablauf der auch für eine Verfügung nach § 53 Abs 2 StGB geltenden Widerrufsfristen (§ 56 StGB) erging. Letzterer Bestimmung zufolge können der Widerruf der bedingten Strafnachsicht oder die Verlängerung der Probezeit wegen einer in deren Verlauf begangenen strafbaren Handlung nur innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Probezeit oder nach Beendigung eines bei deren Ablauf gegen den Rechtsbrecher anhängigen Strafverfahrens getroffen werden. Vorliegend waren die in beiden Vorverfahren gesetzten Probezeiten bereits am 28.April 1992 abgelaufen. Nur innerhalb der sechs Monate nach diesem Zeitpunkt endenden Frist wäre somit noch die Probezeitverlängerung zulässig gewesen, zumal das neue Verfahren AZ 17 a U 569/92 des Jugendgerichtshofes Wien zwar eine (auch) innerhalb der Probezeiten begangene Straftat betraf, aber erst mit der richterlichen Verfügung vom 20.Oktober 1992 (S 2), also nach Ablauf der Probezeiten, anhängig wurde.

Angesichts der indessen bereits ergangenen Beschlüsse auf endgültige Strafnachsicht ist die Gefahr einer konkreten Benachteilung des Verurteilten durch die gesetzwidrige Verlängerung der Probezeiten zwar auszuschließen, die Aufhebung der rechtswidrigen Beschlüsse (erster und zweiter Instanz) aber im Interesse der Rechtsklarheit geboten.

Der Beschlußfassung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien auf endgültige Strafnachsicht stand seinerzeit wohl der - diesem Gericht allerdings nicht rechtzeitig bekannt gewordene - Probezeitverlängerungsbeschluß vom 19.April 1993 (ungeachtet dessen Rechtswidrigkeit und noch nicht eingetretener Rechtskraft) vorläufig entgegen; doch kann dies im Hinblick darauf, daß die endgültige Strafnachsicht jedenfalls nach Beseitigung der rechtswidrigen Probezeitverlängerung der (damit bereinigten) Rechtslage entsprechen wird, auf sich beruhen.

Die von der aufgezeigten Verletzung des § 56 StGB betroffenen Beschlüsse des Jugendgerichtshofes Wien waren sohin ersatzlos zu kassieren (§ 292 letzter Satz StPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte