European Case Law Identifier: CLI:AT:OGH0002:1994:0150OS00091.9400000.0713.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Privatbeteiligte hierauf verwiesen.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ernst Ludwig M* (im zweiten Rechtsgang) des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt und unter Einbeziehung des (bereits im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen) Schuldspruchs wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Privatbeteiligte Dr.Sylvia B* als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der M* GesmbH wurde (zu ergänzen: gemäß § 366 Abs 2 zweiter Satz StPO) mit ihren privatrechtlichen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Dem Angeklagten liegt (im zweiten Verfahrensgang) zur Last, am 6.September 1984 als (alleiniger) Geschäftsführer der M* GesmbH durch Gewährung eines Kredites von 2,5 Millionen Schilling an sich selbst als Einzelunternehmer das Vermögen der genannten Kapitalgesellschaft wirklich verringert und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger geschmälert zu haben, wobei er durch die Tat einen 500.000 S übersteigenden Schaden, nämlich einen solchen in der Höhe von 1,750.000 S, herbeigeführt hat.
Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Gründe des § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5 a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung; die Privatbeteiligte remonstriert gegen ihre Verweisung auf den Zivilrechtsweg mit einer Berufung.
Nach den wesentlichen erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen (US 5 ff) entwickelte sich die M* GesmbH (im folgenden kurz: GesmbH) bis etwa 1984 positiv. Der überaus versierte und berufserfahrene Angeklagte ahnte aber, daß die Gesellschaft insbesondere durch die im Juli 1983 behördlich vorgeschriebenen Umweltinvestitionen in ernstliche finanzielle Schwierigkeiten geraten könnte und war daher ‑ mit Blickrichtung auf eine mögliche Insolvenz ‑ bestrebt, der GesmbH einerseits unter Verschleierung in den Bilanzen bzw in der Buchhaltung, andererseits durch Erwirkung der Legitimation der von ihm veranlaßten (gemeint: geplanten) Transaktionen durch entsprechende Gesellschafterbeschlüsse möglichst viel Kapital zu seinen Gunsten zu entziehen; das Erstgericht vermochte nicht festzustellen, ob die anderen Gesellschafter das wahre Vorhaben des Angeklagten durchschauten.
In der Gesellschafterversammlung vom 10.Februar 1984 (an der nach der Aktenlage ‑ S 293 der Sammelordnungsnummer 58/II ‑ auch der Angeklagte teilnahm) wurde (einstimmig) beschlossen, dem Angeklagten als Einzelunternehmer bis 31.Oktober 1984 einen als Kaution deklarierten Kreditbetrag von 2,5 Millionen Schilling auszuzahlen. Dem Schein nach sollte (nach den weiteren Urteilskonstatierungen) diese Überweisung sowohl (künftig) erforderliche Aufwendungen zur Sanierung des Anlagevermögens als auch (auflaufende) Mietzahlungen abdecken. Auf Grund dieser formellen Ermächtigung veranlaßte der Angeklagte als Geschäftsführer der GesmbH am 6.September 1984 die Überweisung der 2,5 Millionen Schilling an sich selber als Einzelunternehmer. Er wußte schon damals, daß er seine Befugnisse als Einzelgeschäftsführer dadurch zum Nachteil der GesmbH mißbrauchte, hielt es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, nicht nur die GesmbH zu schädigen, sondern auch die Befriedigung deren Gläubiger durch die Vermögensverringerung zu schmälern.
Obwohl die anfallenden Mieten (so wurden vom Angeklagten der GesmbH unter anderem im Jahre 1984 mehr als zwei Millionen, im Jahr 1985 1,200.000 S an Mieten "verrechnet") mit der Kaution hätten verrechnet werden können, geschah dies nur zum Teil. "Aufgrund der Gegenverrechnung" ‑ so das Urteil ‑ "über das Konto 362 der GesmbH mit der Einzelfirma war aber der an den Angeklagten ausbezahlte[n] Betrag von S 2,5 Mio. zum Jahresende 1985 bis auf einen Restbetrag von ca S 15.000,- aufgebraucht" (US 6 vorletzter Absatz, 13 Mitte und 17 zweiter Absatz). Weiters konstatierte jedoch das Schöffengericht: "Weil aber der Angeklagte als Alleingeschäftsführer im Dezember 1985 eine von der GesmbH (einige Wochen vorher) um S 176.000,- gekaufte Ionentauschanlage (ein Teil einer Abwasseranlage) im Dezember 1985 an sich als Einzelunternehmer um den Betrag von S 1,740.000,- inkl. USt verkaufte, wuchs sein Schuldensaldo gegenüber der GesmbH wiederum auf ca S 1,750.000,- bis ca S 1,755.000,- an." Letztlich stellte es fest: "Auch zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung [27.August 1987] hatte die GesmbH die letztlich aus der Kreditgewährung von 2,5 Mio. resultierende offene Forderung von etwa S 1,750.000 bis etwa S 1,755.000 gegenüber dem Angeklagten".
Zutreffend macht der Beschwerdeführer in seiner Mängelrüge (Z 5) unter anderem geltend, die zuletzt angeführten entscheidenden Feststellungen (über die Vermögensverringerung der GesmbH) stünden miteinander in unlösbarem Widerspruch. Liegt doch das Wesen der betrügerischen Krida darin, daß der Schuldner mehrerer Gläubiger durch wirkliche oder scheinbare Verringerung seines Vermögens die Befriedigung wenigstens eines seiner Gläubiger vereitelt oder schmälert (Leukauf‑Steininger Komm3 § 156 RN 1). Eine Verringerung des Vermögens tritt jedoch dann nicht ein, wenn eine zu Recht bestehende Forderung beglichen wird; denn der Schuldner befreit sein Vermögen nur von einer Last, sein Vermögensstand bleibt gleich. Mithin fehlt es immer dann an einer Vermögensverringerung, wenn die Verminderung der Aktiven gleichzeitig eine Verminderung der Passiven bewirkt (Leukauf‑Steininger aaO RN 10 mit Judikaturhinweisen).
Wendet man diese Rechtssätze auf den hier zu beurteilenden Fall an, so zeigt sich, daß nach dem ersten Teil der Feststellungen die ursprüngliche Kreditschuld des Angeklagten durch die Aufrechnung der von der GesmbH an ihn zu leistenden Mietbeträge für die Jahre 1984 und 1985 (bis auf den Betrag von 15.000 S) tatsächlich abgedeckt wurde, demnach eine durch die inkriminierte Transaktion bewirkte Verringerung des Gesellschaftsvermögens bzw des Befriedigungsfonds der mehreren Gläubiger ‑ auch unter dem Aspekt, daß die Gläubigerbenachteiligung keine dauernde sein muß (EvBl 1982/177 = RZ 1982/60) ‑ in Wahrheit nicht erfolgt ist. Die dazu in diametralem Gegensatz stehende Konstatierung über das Bestehen einer offenen Forderung der GesmbH an den Angeklagten im August 1987 von etwa 1,750.000 S beruht demgegenüber ‑ was in der Beschwerde gleichfalls gerügt wird ‑ ersichtlich insoweit auf einem Irrtum des Erstgerichtes, als es den Verkauf der Ionenaustauschanlage (erst) im Dezember 1985 um 1,740.000 S ‑ insoweit wurde im Urteil kein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang mit der seinerzeitigen Kreditgewährung festgestellt ‑ bei Berechnung des Schuldenstandes (im Zeitpunkt der Konkurseröffnung) berücksichtigt hat.
Allein schon dieser dem Schöffengericht unterlaufene formelle Begründungsmangel einer entscheidenden Tatsache nötigt den Obersten Gerichtshof ‑ im Sinne der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ zur Aufhebung des Schuldspruchs und zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung (§ 285 e StPO).
Demzufolge erübrigt sich ein Eingehen auf das übrige Beschwerdevorbringen zu den sonstigen Nichtigkeitsgründen.
Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Privatbeteiligte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Nur der Vollständigkeit halber sei im Hinblick auf den dritten Verfahrensgang noch angemerkt, daß das Erstgericht die entscheidende Feststellung über die Gläubigermehrheit im Urteil zwar getroffen (US 1, 6 dritter Absatz und 17 erster Absatz), aber hiefür keine Begründung geliefert hat. Diese wäre vorliegend schon deshalb notwendig gewesen, weil nach der bisherigen Aktenlage (vgl insbesondere das Gutachten S 287/I und Urteil im ersten Rechtsgang S 499/III) zur Tatzeit möglicherweise nur die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse Gläubiger der GesmbH gewesen sein könnte.
Darüber hinaus erfolgte die Abweisung des vom Verteidiger des Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 17.Februar 1994 gestellten Antrages auf Verlesung der Schriftstücke des Steuerberaters Dr.G* sowie dessen Aussagen (S 123 unten/IV) allein mit dem Hinweis "wegen § 152 Abs 1 Z 4 und Abs 3 StPO" (S 124 iVm S 147/IV) zu Unrecht, weil der Gerichtshof hiebei offensichtlich übersehen hat, daß die Parteien Gelegenheit hatten, sich an der Vernehmung dieses Zeugen in den vorangegangenen Hauptverhandlungen (vgl S 28 ff, 354 ff/III) zu beteiligen (§ 252 Abs 1 Z 2 a StPO). Demnach vermochte das vom Schöffensenat (rechtsirrig) herangezogene Argument im bekämpften Zwischenerkenntnis die beantragte Verlesung der Zeugenaussage nicht zu hindern.
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