OGH 7Ob586/94(7Ob587/94, 7Ob588/94)

OGH7Ob586/94(7Ob587/94, 7Ob588/94)13.7.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Patricia H*****, ***** und Nina H*****, ***** vertreten durch ihre Mutter Christa H*****, *****diese vertreten durch Dr.Elisabeth-Constanze Schaller, Rechtsanwältin in Wien, infolge außerordentlicher Revisionsrekurse der Mutter gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgericht vom 20.Jänner 1994, GZ R 680,681,682/93-96, womit die Rekurse der Mutter gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes St.Pölten je vom 28.Juli 1993, GZ 1 P 134/87-80 und 1 P 134/87-81, zurückgewiesen wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Rekursen wird Folge gegeben.

Punkt 1. des angefochtenen Beschlusses wird aufgehoben. Dem Gericht zweiter Instanz wird aufgetragen, über die Rekurse gegen die Beschlüsse vom 28.Juli 1993, ON 80 und 81, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.

Text

Begründung

Das Gericht zweiter Instanz wies mit dem angefochtenen Beschlußpunkt die in getrennten Schriftsätzen erhobenen Rekurse der Mutter gegen die getrennt ausgefertigten Beschlüsse des Erstgerichtes vom 28.Juli 1993, mit denen ihr Antrag auf Aufhebung der Kollisionskuratel (ON 80) und auf Verpflichtung des Vaters zur Leistung eines Betrages von S 167.455 als Sonderunterhalt für die Kinder (ON 81) abgewiesen wurde, als verspätet zurück. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Beschlüsse seien der Vertreterin der Mutter am 9.8.1993 zugestellt worden, sie habe die Rechtsmittel jedoch erst am 24.8.1993 zur Post gegeben und damit die vierzehntägige Rekursfrist des § 11 AußStrG nicht gewahrt.

Gegen diesen Beschluß richten sich die in zwei getrennten Schriftsätzen ausgeführten Rekurse der Mutter, die einerseits die Zurückweisung des Rekurses gegen die Abweisung der Aufhebung der Kollisionskuratel und andererseits die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung eines Sonderbedarfes betreffen. In beiden Rechtsmitteln wird behauptet, daß die Rekurse gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen von der Vertreterin der Mutter am 23.8.1993 an ihrem Urlaubsort in Pörtschach selbst geschrieben und noch am selben Tag gegen 19 Uhr am Postamt Pörtschach aufgegeben worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind zulässig und berechtigt.

Aus den den Rechtsmitteln angeschlossenen Kopien von zwei Aufgabescheinen des Postamtes Pörtschach, Aufgabenummern 875 und 876, die den handschriftlichen Vermerk "Ha*****, Pflegsch.Rekurs" tragen, geht hervor, daß am 23.8.1993 um 19 Uhr zwei an das Erstgericht gerichtete Postsendungen aufgegeben wurden, die offensichtlich die gegenständliche Rechtssache betreffen. Es besteht kein Grund daran zu zweifeln, daß die Kopien mit den in Händen der Vertreterin der Mutter befindlichen Originale übereinstimmen, die ihre diesbezüglichen Angaben als "eidesstattliche Erklärung" bezeichnete.

Der Behauptung der rechtzeitigen Postaufgabe steht nach dem Akteninhalt lediglich der bei den Eingangsstampiglien des Erstgerichtes, die das Datum des Einlangens mit 25.8.1993 aufweisen, angebrachte Vermerk "p.A.24.8.1993" entgegen. Da die die betreffenden Schriftsätze enthaltenden Kuverts nicht im Akt aufbewahrt wurden und seither beinahe ein Jahr verstrichen ist, läßt sich wohl kaum mehr verifizieren, wie es zu diesem Vermerk kam und ob das Datum mit dem Postaufgabestempel übereinstimmt.

Nach ständiger Rechtsprechung haben Rechtsmittel die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich; die Ergebnislosigkeit allfälliger Erhebungen über die Rechtzeitigkeit wirkt zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers (SZ 46/86 ua). In dem hier vorliegenden Fall, in dem der Postaufgabevermerk des Erstgerichtes als Empfänger der Postsendung und das Datum des Aufgabescheines in unvereinbarem Widerspruch zueinander stehen, ist daher von der Rechtzeitigkeit der Rekurse im Sinn des § 11 Abs 1 AußStrG auszugehen. In Stattgebung der Rekurse war deshalb der zurückweisende Beschlußpunkt 1. des Gerichtes zweiter Instanz aufzuheben und ihm die Entscheidung über die Rekurse der Mutter aufzutragen.

Von dieser Entscheidung bleibt Punkt 2. des angefochtenen Beschlusses des Gerichtes zweiter Instanz unberührt, der die vom Vater zu leistenden laufenden Unterhaltsbeiträge für Patricia betrifft, weil dieser Beschlußpunkt nach dem Inhalt und den Anträgen der Rechtsmittel nicht bekämpft wird.

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