European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0150OS00096.9400000.0713.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten G* auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde unter anderem Alfred G* des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 8.Februar 1994 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Marcus I* (dessen Urteil infolge Rechtsmittelverzichts beider Prozeßparteien in Rechtskraft erwachsen ist) als Mittäter der Natalie S* und dem Georg Gu* fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S übersteigenden Wert, nämlich Schmuckgegenstände im Gesamtwert von ca 80.000 S, durch Einbruch in deren gemeinsame Wohnung mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte G* mit einer auf die Gründe des § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5 a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Nicht zielführend ist die Verfahrensrüge (Z 3), mit der zu Unrecht eine "Verletzung der Vorbereitungszeit gemäß § 221 StPO" mit der Behauptung geltend gemacht wird, dem für die Hauptverhandlung am 7.April 1994 (anstelle der nicht erschienenen gemäß § 41 Abs 2 StPO beigegebenen Verteidigerin Dr.B* - vgl ON 20 iVm ON 22 und den nicht einjournalisierten Kanzleivermerk der Rechtsanwaltskammer Wien vom 22.Februar 1994, erliegend am Ende des Aktes ‑) vom Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gemäß § 42 Abs 4 StPO bestellten Richter Dr.D* (ON 31) seien "keine Zeit zum Aktenstudium" bzw nur "wenige Minuten Zeit geblieben, meine Verteidigung in der gegenwärtigen Hauptverhandlung vorzubereiten", und ihm (dem Beschwerdeführer) sei "jegliche Gelegenheit genommen" worden, "mich im Sinne meiner Verteidigung mit dem bestellten Dringlichkeitsverteidiger auch nur kurzfristig zu besprechen".
Gemäß § 221 Abs 1 StPO wird der Tag der Hauptverhandlung vom Vorsitzenden in der Art bestimmt, daß dem Angeklagten, sofern dieser nicht selbst zu einer Abkürzung der Frist seine Zustimmung gibt, bei sonstiger Nichtigkeit von der Zustellung der Vorladung eine Frist von wenigstens drei Tagen zur Vorbereitung seiner Verteidigung bleibt. Nach dem ausdrücklichen und klaren Wortlaut des Gesetzes wird diese Vorbereitungsfrist nur dem Angeklagten, nicht auch anderen Prozeßbeteiligten ‑ so etwa seinem Verteidiger oder dem Ankläger ‑ eingeräumt (EvBl 1971/45 und die dort angeführte Judikatur und Literatur; Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 221 E 8, 9, 35). Nach der Aktenlage (vgl ON 16 und die dort angeschlossenen Rückscheine) übernahm der Angeklagte die Ladung zu der für den 7.April 1994 anberaumten Hauptverhandlung bereits am 22.Februar 1994 persönlich. Daß er die Vorladung als Angeklagter zur Hauptverhandlung nicht fristgerecht zugestellt erhalten hätte, trifft somit nicht zu und wird im übrigen in der Beschwerde auch gar nicht behauptet. Daß die Verteidigerin mit dem Angeklagten ‑ wie dieser in einer selbstverfaßten Eingabe (S 327) behauptet ‑ seit ihrer Bestellung, wovon sie am 18.Februar 1994 Kenntnis erlangte (Rückschein S 3 c verso), keinen Kontakt aufnahm, ist unter dem Aspekt der Gewährung der Vorbereitungsfrist durch das Gericht unerheblich.
Auch unter dem Blickwinkel des Art 6 Abs 3 lit b EMRK ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil sowohl dem (gemäß § 42 Abs 4 StPO bestellten) Verteidiger Dr.D* als auch dem Angeklagten selbst, falls ihnen die Zeit der Verhandlungsvorbereitung ‑ ungeachtet der Einhaltung der Frist des § 221 Abs 1 StPO - nach Lage des Falles unzureichend erschien, die Stellung eines Antrages auf Vertagung der Hauptverhandlung (unter Anführung der hiefür maßgebenden Umstände) freistand, um sich die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO zu sichern, doch wurde vorliegend von dieser Befugnis nach Inhalt des hiefür allein maßgebenden Hauptverhandlungsprotokolls kein Gebrauch gemacht.
Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 3 (§ 221 Abs 1) StPO ist daher nicht gegeben.
Soweit der Rechtsmittelwerber in der nominell auf die Z 4 des § 281 Abs 1 StPO gestützten weiteren Verfahrensrüge vorbringt, das Schöffengericht sei seiner im § 3 StPO normierten Manuduktionspflicht insofern nicht nachgekommen, als es den Beschwerdeführer nicht angeleitet habe, wegen "der faktisch nicht vorhandenen Vorbereitungszeit für meinen kurzfristig bestellten Dringlichkeitsverteidiger" einen Vertagungsantrag zu stellen, was sich insbesondere dahin (für den Angeklagten nachteilig) ausgewirkt habe, daß die Vernehmung jener Zeugen (Eigentümerin des Schmuckes) und die Beischaffung jener Beweismittel (Ursprungsnachweise, Gutachten eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Goldschmiede und Juweliere) nicht beantragt wurden, durch die erwiesen worden wäre, daß der vom Erstgericht angenommene Wert des Diebsgutes von ca 80.000 S keineswegs diese Höhe erreichte, sondern vielmehr unter der Qualifikationsgrenze von 25.000 S lag, wird weder der angerufene (Z 4), noch ein anderer im § 281 Abs 1 StPO aufgezählter Nichtigkeitsgrund dargetan. Hiezu genügt der Hinweis, daß in den von der Beschwerde angeführten Punkten weder von dem (im Sinne der Anklage - ON 10 -, in der der Gesamtwert des Diebsgutes sogar mit ca 100.000 S angenommen wurde, voll geständigen) Angeklagten noch von dem ihm beigegebenen Verteidiger ‑ ohne daß es fallbezogen einer diesbezüglichen Anleitung durch das Erstgericht bedurfte ‑ Anträge gestellt wurden, die der Gerichtshof beschlußmäßig mit Zwischenerkenntnis abgewiesen hatte. Demnach gebricht es dem Nichtigkeitswerber mangels Antragstellung oder einer diese Formalvoraussetzung allenfalls ersetzenden Verletzung der Manuduktionspflicht, die im übrigen gegenüber einem durch einen Verteidiger vertretenen Angeklagten erst dann aktuell wird, wenn der Verteidiger erkennbar versagt (Mayerhofer‑Rieder StPO3 E 175, 177, 178; Bertel, Die Fürsorgepflicht des Richters, AnwBl 1977, 159), bereits an der Legitimation zur erfolgreichen Geltendmachung der Verfahrensrüge.
Fehl geht auch das Vorbringen zur Mängelrüge (Z 5), demzufolge das erstgerichtliche Urteil bezüglich des Ausspruchs über den Gesamtwert der gestohlenen Schmuckstücke von ca 80.000 S undeutlich, unvollständig, nicht oder nur offenbar unzureichend begründet sei. Räumt doch die Beschwerde im Punkt 3. c) selbst ein, die Bewertung der gestohlenen Fahrnisse mit ca 80.000 S stütze sich auf die geständigen Verantwortungen der beiden Angeklagten (vgl 55 ff, 59 f; 204, 212; 283 ff) im Zusammenhalt mit der ‑ vom Schöffengericht als glaubwürdig beurteilten ‑ Aussage des Zeugen Georg Gu* (vgl 97, 295), weshalb schon aus diesem Grund von einer "unstatthaften Vermutung zu Lasten des Angeklagten", somit einer fehlenden oder einer nur offenbar unzureichenden Begründung ebensowenig die Rede sein kann wie von einer Undeutlichkeit, weil das bekämpfte Urteil ‑ der Beschwerde zuwider ‑ nicht nur alle erforderlichen Tatsachenfeststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite des in Rede stehenden Verbrechens, sondern auch die Gründe hiefür enthält (US 5 ff). Im Sinne des Gebotes des § 270 Abs 2 Z 5 StPO, die Entscheidungsgründe in gedrängter Darstellung abzufassen, war das Schöffengericht ‑ abermals entgegen der Beschwerdebehauptung ‑ fallbezogen auch nicht verhalten, die (durch Verlesung des Akteninhaltes ‑ 297 ‑ zur Entscheidungsgrundlage gewordene, aber für die Feststellung des Wertes unbrauchbare) polizeiliche Aussage der (wegen des Ankaufs eines Teiles der Diebsbeute wegen des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und Abs 2 StGB abgesondert verfolgten ‑ vgl 3 c) Doris W* (83 f) näher zu erörtern, zumal sie ‑ nach ihren eigenen Worten ‑ dem Verkäufer der Schmuckstücke nur den Bruchgoldpreis bezahlte und nicht sagen konnte, "ob in den Ringen Brillanten und/oder wertlose Glassteine verarbeitet sind" und überdies nur einen Teil der Diebsbeute zu Gesicht bekam.
Dieses Vorbringen vermag demnach insgesamt keinen formellen Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen, sondern läuft vielmehr bloß auf eine unzulässige Kritik der Beweiswürdigung der Tatrichter hinaus, die den Gesamtwert der gestohlenen Schmuckstücke auf der Grundlage der maßgeblichen Verfahrensergebnisse in freier Beweiswürdigung (§ 285 Abs 2 StPO) mit aktengetreuer, denkmöglicher und zureichender Begründung in einer die Qualifikationsgrenze von 25.000 S übersteigenden Größe festgestellt haben.
Mit der in der Tatsachenrüge (Z 5 a teilweise urteilsfremd) erhobenen Behauptung hinwieder, "das Erstgericht stützt seinen Schuldspruch auf mein in der Hauptverhandlung [vom] 7.4.1994 abgelegtes volles und umfassendes Geständnis", sowie mit den weiteren (sinngemäß zusammengefaßten) Vorwürfen, mögliche weitere Beweismittel (Sachverständigengutachten) gar nicht oder in erheblichen Punkten nur unvollständig ausgeschöpft zu haben, anstatt die Angaben des Zeugen Georg Gu* über den Wert der gestohlenen Schmuckgegenstände "bedenkenlos und unüberprüft" zu übernehmen, zeigt der Beschwerdeführer keine Tatsachen für eine Annahme auf, das Erstgericht habe es unterlassen, dem Erfordernis eines konventionskonformen fairen (Art 6 EMRK) und dem Gebote der amtswegigen Wahrheitsforschung entsprechenden (§§ 3, 232 Abs 2, 254 StPO) Verfahrens gerecht zu werden und alle entscheidungswesentlichen Beweismittel beizuschaffen (vgl Mayerhofer‑Rieder aaO § 281 Z 5 a E 5). Er ist aber auch nicht in der Lage, auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der entscheidenden Tatsachenfeststellungen (hier: daß der Wert der gestohlenen Schmuckstücke weit über 25.000 S liegt) oder/und gegen die Richtigkeit der in einer kritischen Gesamtschau der maßgebenden Verfahrensergebnisse sowie unter Verwertung des in der Hauptverhandlung insbesonders vom Zeugen Gu* gewonnenen persönlichen Eindrucks erfolgte Beweiswürdigung in der entscheidungswesentlichen Frage aufkommen lassen (Mayerhofer‑Rieder aaO E 2 bis 4).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach jedoch Z 10) schließlich zieht unter Hinweis auf die Aussage der "Zeugin Doris W*" die ‑ wie dargelegt ‑ im Urteil mängelfrei begründete Tatsache in Zweifel, derzufolge der Wert des Diebsgutes ca 80.000 S beträgt, somit den Betrag von 25.000 S bei weitem übersteigt, und fordert den Entfall der Qualifikation nach § 128 Abs 1 Z 4 StGB. Solcherart verfehlt der Rechtsmittelwerber jedoch die prozeßordnungsgemäße Ausführung seiner Rechtsrüge, weil er nicht am gesamten festgestellten Tatsachensubstrat festhält und nicht mit dem darauf angewendeten Gesetz vergleicht, sondern in Wahrheit abermals gegen die im schöffengerichtlichen Verfahren unanfechtbare Beweiswürdigung der Tatrichter anzukämpfen sucht.
Aus den dargelegten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285 a Z 2 StPO).
Daraus folgt, daß die Kompetenz zur Entscheidung über die Berufung dem Oberlandesgericht Wien zufällt (§ 285 i StPO).
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