Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Betroffene wurde am 29.1.1994 mit der Diagnose manisch depressives Zustandsbild im psychiatrischen Krankenhaus der Stadt Wien Baumgartner Höhe aufgenommen. Am 4.2.1994 wurde die Unterbringung vorläufig für zulässig erklärt. Mit Beschluß vom 16.2.1994 wurde die Unterbringung bis 2.4.1994 rechtskräftig für zulässig erklärt. Auf Grund der Selbst- und Fremdgefährlichkeit sei die Unterbringung im geschlossenen Bereich oder durch Beschränkung der Bewegungsfreiheit erforderlich. Anläßlich der Verhandlung, die zur Fassung dieses Beschlusses führte, überreichte die Patientenanwältin namens der Kranken einen "Antrag auf Überprüfung des Entzuges der Privatkleidung", weil diese Maßnahme im Gesetz keine Grundlage finde. Die Begründung dieser Maßnahme durch die Anstaltsleitung, die Patientin würde ohne diese Maßnahme aus der Anstalt entweichen, sobald man ihr die Privatkleidung ausfolge, sei nicht stichhältig.
Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der wesentlichen Begründung zurück, die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit seien im § 33 UBG gesetzlich geregelt. Der Entzug der Privatkleidung stelle keine Einschränkung des räumlichen Bereiches der Unterbringung dar, sondern intensiviere nur die gegen ein Entweichen getroffenen Vorkehrungen. Die Überprüfung der sachlichen Berechtigung einer solchen Maßnahme sei nicht der Gerichtsentscheidung zugewiesen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Patientenanwältin keine Folge. Das Unterbringungsgesetz sehe gerichtliche Entscheidungen darüber vor, ob ein psychisch Kranker in einer Anstalt untergebracht werden dürfe, ob seine Bewegungsfreiheit auf weniger als mehrere Räume beschränkt werden dürfe, ob sein Besuchsrecht eingeschränkt werden dürfe und inwieweit eine medizinische Behandlung zulässig sei. Der Entzug der Privatkleidung stellte keine im Unterbringungsgesetz vorgesehene Maßnahme dar, über die das Gericht zu entscheiden habe, weil dadurch keine weitergehende Beschränkung der Bewegungsfreiheit erfolge, als sie ohnedies im Beschluß über die Zulässigkeit der Unterbringung für rechtmäßig befunden worden sei. Soweit die Entziehung der Privatkleidung als zusätzliche Sicherung dafür wirke, daß die Kranke ihre Unterbringung nicht eigenmächtig beende, erfolge dadurch keine unzulässige Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Die Entziehung der Privatkleidung sei das Ergebnis der durch den Unterbringungsbeschluß dem psychiatrischen Krankenhaus faktisch eingeräumten Verfügungsmacht über die Kranke, deren inhaltliche Gestaltung zum Teil im Bundeskrankenanstaltengesetz und in den Landeskrankenanstaltengesetzen geregelt sei, darüber hinaus aber auch regelungsfreie Bereiche umfasse. Es liege hier eine Maßnahme des internen Betriebes der Krankenanstalt vor. Abhilfe gegen Unzukömmlichkeiten auf diesem Gebiet obliege den jeweils verantwortlichen Leitern, nicht dem Gericht.
Da § 33 Abs 1 UBG aber auch bestimme, daß Beschränkungen von Kranken in ihrer Bewegungsfreiheit nur soweit zulässig seien, als sie im Einzelfall zur Abwehr einer Gefahr unerläßlich seien und zu diesem Zweck nicht außer Verhältnis stehen, könnte auch die Ansicht vertreten werden, daß die physische Beschränkung auf bestimmte Bereiche der Anstalt nur dann durch die Wegnahme der Privatkleidung gesichert werden dürfe, wenn dies im Einzelfall aus besonderen Gründen notwendig erscheine. Da eine oberstgerichtliche Judikatur zu dieser Frage nicht vorliege, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.
Rechtliche Beurteilung
Dem Revisionsrekurs kommt keine Berechtigung zu.
Der Rechtsansicht der Vorinstanzen ist beizupflichten.
Zutreffend hat das Rekursgericht ausgeführt, daß das Unterbringungsgesetz die Entscheidung durch das Gericht im außerstreitigen Unterbringungsverfahren auf die Beurteilung beschränkt hat, ob ein psychisch Kranker in einer Anstalt untergebracht werden darf, ob er in seiner räumlichen Bewegungsfreiheit oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden darf und inwieweit eine medizinische Heilbehandlung zulässig ist.
Im vorliegenden Fall bestreitet auch die Patientin nicht, daß die Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt und damit auch eine räumliche Beschränkung der Bewegungsfreiheit zulässig und notwendig war. Darüber wurde im Unterbringungsverfahren rechtskräftig abgesprochen. Die Beurteilung, ob auch andere, nicht im UBG geregelte allenfalls während einer Unterbringung erfolgende Verletzungen von Rechten eines Patienten durch die Anstaltsleitung - wie beispielsweise die Wegnahme der Privatkleidung, um ein Entweichen des Patienten zu verhindern, die Wegnahme anderer persönlicher Habe oder der Zwang, sich als ungerechtfertigt empfundenen Anstaltsregeln zu unterwerfen - vorliegen, fällt nicht in die Kompetenz des außerstreitigen Unterbringungsverfahrens und ist nicht durch das Unterbringungsgesetz gedeckt. In diesem Verfahren kann nur überprüft werden, ob die im Unterbringungsgesetz normierten Voraussetzungen eingehalten wurden (vgl auch die Entscheidung des erkennenden Senates 6 Ob 631/93).
Die Vorinstanzen haben daher den Antrag der Patientenanwältin zu Recht mangels einer gesetzlichen Grundlage ohne meritorische Entscheidung zurückgewiesen.
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