OGH 4Ob545/94(4Ob546/94)

OGH4Ob545/94(4Ob546/94)12.7.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Godwin B*****, vertreten durch Dr.Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Rudolf Bazil, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 450.000 s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 2.März 1994, GZ 48 R 1301/93-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 3.August 1993, GZ 46 C 384/91x-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß der stattgebende Teil des Punktes I des Ersturteils samt Kostenentscheidung mit der Maßgabe wiederhergestellt werden, daß die Zahlungspflicht der beklagten Partei zur ungeteilten Hand mit der - mit dem Urteil des Erstgerichtes zur Rückzahlung der gesetzwidrigen Ablöse verurteilten - Vormieterin Magdalena Z***** besteht.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

57.596 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 17.592,70 Umsatzsteuer und S 12.040 Barauslagen) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Hauptmieter der Wohnung W*****. Vormieterin dieser Wohnung war Magdalena Z*****, über deren Auftrag die Beklagte den Abschluß des Hauptmietvertrages mit dem Kläger vermittelt hat. Magdalena Z***** verlangte eine Ablöse von S 700.000. Der Geschäftsführer der Beklagten erklärte, daß dieser Betrag zu hoch sei und nannte in einem Inserat die Ablösesumme von S 650.000. Der Kläger meldete sich auf Grund dieses Inserats. Nach der Besichtigung der Wohnung war ihm klar, daß das Inventar weit weniger wert war. Er verhandelte daher mit dem Geschäftsführer der Beklagten über die Ablösesumme. Schließlich wurde Einigung über eine Ablöse von S 550.000 erzielt. In der Folge erlegte der Kläger den Teilbetrag von S 500.000 treuhändig bei der Beklagten. Danach kündigte die Vormieterin das Bestandverhältnis bedingt für den Fall auf, daß der Kläger nach ihr die Hauptmietrechte erhalte. Am 13.Juli 1988 trafen der Kläger und die Vormieterin im Büro der Beklagten zusammen. Der Geschäftsführer der Beklagten händigte dem Kläger den Treuhanderlag aus, welcher sodann diesen Betrag und weitere S 50.000 unmittelbar an die Vormieterin ausfolgte. Danach erhielt er die Wohnungsschlüssel. Am 29.Juli 1988 schloß der Kläger mit der Hausverwaltung den Mietvertrag über die Wohnung.

Für die Vermittlungstätigkeit der Beklagten zahlte der Kläger eine Provision von S 24.000 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer.

Der Gegenwert der Investitionen der Beklagten und der in der Wohnung verbliebenen Einrichtungsgegenstände betrug im Juli 1988 nur S 130.000.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Zahlung von S 450.000 samt 4 % Zinsen seit 14.Juli 1988. Diesem Teil der Ablösesumme stünden keinerlei gleichwertige Gegenleistungen gegenüber. Die Beklagte habe es als Wohnungsvermittlerin unterlassen, den Kläger vor der Zahlung einer unzulässigen Ablöse zu schützen. Daher habe sie ihm in diesem Umfang einen Schaden zugefügt. Die Beklagte könne sich weder auf den Auftrag der Vormieterin, eine solche Ablöse zu fordern, noch darauf berufen, daß ihr die Überprüfung der Berechtigung dieser Forderung unzumutbar gewesen sei. Die Beklagte habe nicht nur eine Vertragsverletzung zu vertreten; sie habe vom Kläger die unzulässige Ablöse gefordert und sogar treuhändig entgegen genommen. Damit falle ihr auch eine Verwaltungsübertretung gegen § 27 Abs 4 MRG, und damit ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz zur Last. Dem Kläger sei anläßlich der Vermittlung und der Zahlung der Ablöse nicht bekannt gewesen, daß der geforderte Ablösebetrag unzulässig sei und deshalb zurückgefordert werden könne; darauf sei er erst etwa ein Jahr nach der Zahlung der Ablöse hingewiesen worden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Ablöse sei erst gezahlt worden, als die Vormieterin gegenüber dem Hauseigentümer die Verzichtserklärung zu Gunsten des Klägers bereits abgegeben hatte. Der Kläger habe diese Leistung also nicht für die Aufgabe der Mietrechte durch die Vormieterin erbracht. Für die Rückzahlung der Ablöse hafte nur die - mit selbständiger Klage belangte - Vormieterin, der die Zahlung des Klägers auch zugekommen sei. Der Kläger könne für denselben Betrag die Beklagte nicht aus dem Titel des Schadenersatzes in Anspruch nehmen, weil ihm Ungesetzlichkeit und Rückforderbarkeit der Ablöse schon bei der Zahlung bekannt gewesen seien. Er habe die Zahlung der unzulässigen Ablöse bewußt in Kauf genommen und sei von allem Anfang an zur Rückforderung entschlossen gewesen. Der Vermittler hafte aber nicht für das Geschäftsrisiko eines bereits beim Vertragsabschluß mit der Rückforderung spekulierenden Mietinteressenten. Weiters wendete die Beklagte die Prozeßhindernisse der Streitanhängigkeit und der Unzulässigkeit des Rechtsweges ein.

Das Erstgericht verwarf die Prozeßeinreden der Beklagten und gab dem Klagebegehren sowie dem weiteren vom Kläger gegen die Vormieterin erhobenen Begehren, die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden, in Ansehung eines Teilbetrages von je S 420.000 s. A. statt; die Mehrbegehren auf Zahlung von je S 30.000 wies es hingegen ab. Neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt enthält das Ersturteil noch folgende als Tatsachenfeststellungen zu wertende Ausführungen:

Der Kläger ging bei der Zahlung davon aus, daß er die Ablöse zahlen müsse, um die Wohnung zu erhalten, dann aber nach einer rechtlichen Möglichkeit suchen werde, die Zahlung zurückzuerlangen. Über die genauen Voraussetzungen dafür war er nicht informiert. Dem Beklagten waren Unzulässigkeit und Rückforderbarkeit der Ablöse bekannt.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht - neben der Haftung der Vermieterin für die Rückzahlung der verbotenen Ablöse - die Schadenersatzpflicht der Beklagten. Sie habe als Wohnungsvermittlerin den Kläger nicht vor der unzulässigen Ablöse geschützt, aber auch die Verwaltungsübertretung gegen § 27 Abs 4 MRG begangen und damit auch ein Schutzgesetz verletzt. Gemäß § 1298 ABGB wäre ihr der Beweis des mangelnden Verschuldens oblegen. Daß der Geschäftsführer der Beklagten die Unverhältnismäßigkeit zwischen dem vereinbarten Ablösebetrag und der Gegenleistung erkennen mußte, sei offenkundig.

Das Berufungsgericht änderte das - nur von der beklagten Vermittlerin angefochtene - Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das gegen diese erhobene Klagebegehren zur Gänze abwies. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Der Kläger sei bewußt ein Rechtsgeschäft mit dem kalkulierten Risiko eingegangen, die ungesetzliche Ablöse wieder zurückzuerlangen. Unter diesen Umständen sei das Verhalten der Beklagten beim Geschäftsabschluß für den eingetretenen Schaden nicht kausal. Wohl hafte der gewerbsmäßige Wohnungsvermittler nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes aus dem mit dem Wohnungssuchenden eingegangenen Vertragsverhältnis, und deliktisch nach § 27 Abs 4 MRG iVm § 1311 ABGB für den durch die ungesetzliche Ablösezahlung beim Mieter entstandenen Schaden. In dieser Judikatur sei aber die Frage der Kausalität nicht berührt worden. Jede Haftung für einen Schadenseintritt setze voraus, daß das schuldhafte Verhalten des Schädigers den schädlichen Erfolg verursacht habe. Dieser Kausalzusammenhang sei vom Schädiger (richtig: Geschädigten) zu behaupten und zu beweisen. Der Kläger, dem die Unzulässigkeit der Ablöseforderung bewußt gewesen sei, habe aber nicht vorgebracht, inwiefern ihn die Beklagte schützen hätte können; er habe auch nicht behauptet, daß der Schaden bei pflichtgemäßem Verhalten des Vermittlers nicht eingetreten wäre. Mangels Behauptung und Beweises der Kausalität der Schlechterfüllung komme somit eine schadenersatzrechtliche Haftung der Beklagten nicht in Betracht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger erhobene Revision ist berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat in der bereits von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung MietSlg 38.411/48 (= JBl 1988, 110 = RdW 1987,

289) ausgesprochen, daß ein Realitätenvermittler auf Grund des Vermittlungsauftrages mit einem Wohnungssuchenden verpflichtet ist, dessen Interessen soweit zu wahren, daß er nicht mit gesetzlich unzulässigen Forderungen belastet wird. Ihm obliegt gemäß § 1298 ABGB der Beweis, daß ihm kein Verschulden zur Last liegt, etwa weil er die für die Unzulässigkeit der Ablöse erheblichen Umstände nicht zu erkennen vermochte. Diese Interessenwahrungspflicht gegenüber einem Wohnungssuchenden besteht auch ohne Beziehung auf einen Vertrag auf Grund der als Schutzgesetz zu wertenden Bestimmung des § 27 Abs 4 MRG; danach begeht eine Verwaltungsübertretung, wer für sich oder einen anderen Leistungen entgegennimmt oder sich versprechen läßt, die mit den Vorschriften des § 27 Abs 1 MRG in Widerspruch stehen. Diese Grundsätze wurden in den weiteren Entscheidungen 8 Ob 517/91, 3 Ob 574/91 und 7 Ob 589/93 übernommen. Bereits in der Entscheidung 3 Ob 574/91 hat der Oberste Gerichtshof - unter Hinweis auf das Verbot nach § 27 Abs 4 MRG - zum Ausdruck gebracht, daß es zur Vermeidung eines Schadenersatzanspruches nicht genügt, wenn der Mietbewerber vom Vermittler darauf aufmerksam gemacht wurde, daß die verlangte Ablöse vom Gesetz verboten ist. Im Schrifttum ist diese Rechtsprechung gebilligt worden (Iro, Rückforderung verbotener Ablösen vom Wohnungsvermittler, RdW 1988, 2; Rueprecht, Die Rückforderung verbotener Ablösezahlungen, ÖJZ 1989, 555 ff [556]). Iro (aaO) wies darauf hin, daß der Wohnungsvermittler durch die gegenüber seinem Auftraggeber (Vermieter, Vormieter) übernommene Verpflichtung, vom Mieter eine Ablöse zu verlangen, von seiner Haftung nicht befreit wird, weil eine solche Pflicht wegen der Nichtigkeit gesetzwidriger Ablösevereinbarungen nicht besteht.

Zu den Vertragspflichten des Realitätenvermittlers gehört es demnach, seine Kunden vor ungesetzlichen Ablöseforderungen zu bewahren; er ist nicht nur gegenüber seinem eigenen Vertragspartner sondern auch gegenüber Dritten, die mit ihm nicht im Vertragsverhältnis stehen, verpflichtet, die in § 27 Abs 4 MRG genannten Handlungen zu unterlassen. War die Beklagte aber dem Kläger gegenüber vertraglich oder gesetzlich verpflichtet, es zu unterlassen, für sich oder einen anderen verbotene Ablöse entgegen zu nehmen oder sich versprechen zu lassen, dann war ihr verbotswidriges Verhalten auch dann für den Abschluß und die Erfüllung der verbotenen Vereinbarung kausal, wenn dem Kläger bekannt war, daß die Ablöse nach § 27 Abs 1 MRG ungesetzlich war und daher wieder zurückgefordert werden kann. Es war jedenfalls die Beklagte, die im vorliegenden Fall mit dem Kläger die ungesetzliche Ablöse ausgehandelt und von ihm (treuhändig) entgegengenommen hat. Die Kenntnis des Klägers von Ungesetzlichkeit und Rückforderbarkeit der Ablöse und das Einlassen auf die gesetzwidrige Ablösezahlung sind für den Schaden des Klägers hingegen nicht kausal, weil er die Ablöse nicht etwa selbst angeboten hatte, sondern ohne die von der Beklagten im Namen der Vormieterin geforderte Ablöse die Wohnung gar nicht erlangt hätte. Die Beklagte hat nicht bloß eine Aufklärungspflicht verletzt, die - wie schon das Erstgericht richtig erkannt hat - für den Schaden nicht kausal wäre, wenn dem Vertragspartner die aufzuklärenden Umstände ohnedies bekannt sind, sondern ein Verbot, an der Vereinbarung und Zahlung solcher Ablösen mitzuwirken. Die Rückzahlung des Treuhanderlages (zwecks direkter Weiterleitung an die Vormieterin) ändert daran nichts (Würth in Rummel, ABGB2 Rz 12 zu § 27 MRG). Das krasse Mißverhältnis zwischen dem Wert der vorhandenen Investitionen und der in der Wohnung verbliebenen Einrichtungsgegenstände und dem vereinbarten Ablösebetrag ist dem Kläger aufgefallen. Auch der Geschäftsführer der Beklagten mußte es erkennen; dem Beklagten fällt somit auch eine schuldhafte Vertragsverletzung zur Last. Den ihr nach § 1298 ABGB obliegenden Beweis, daß diese Umstände für sie nicht erkennbar gewesen seien, hat die Beklagte aber nicht angetreten.

Daß die Ablöse gegen § 27 Abs 1 MRG verstößt, zieht die Beklagte nicht mehr in Zweifel. Daher war der stattgebende Teil des Urteiles des Erstgerichtes wiederherzustellen. Schon das Erstgericht hat - in seinen Entscheidungsgründen - zutreffend zum Ausdruck gebracht, daß die Zahlungspflicht der Beklagten und der mit demselben Urteil zur Rückzahlung verpflichteten Vormieterin nur zur ungeteilten Hand besteht, sodaß die Wiederherstellung des Ersturteiles mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe vorzunehmen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Bemessungsgrundlage war - entgegen dem Kostenverzeichnis des Klägers - auch im Berufungsverfahren der Betrag von S 420.000.

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