OGH 12Os71/94

OGH12Os71/9430.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Juni 1994 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Jannach als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Markus W***** und Adalbert B***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Adalbert B***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Wiener Neustadt vom 4.März 1994, GZ 9 b Vr 450/93-109, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Fabrizy, der Angeklagten Markus W***** und Adalbert B***** und der Verteidiger Dr.Mühl und Dr.Breuer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die über Markus W***** verhängte Freiheitsstrafe auf 5 (fünf) Jahre, die über Adalbert B***** verhängte (Zusatz-)Freiheitsstrafe auf 4 (vier) Jahre und 5 (fünf) Monate erhöht.

Soweit der Angeklagte Adalbert B***** mit seiner Berufung eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt, wird er auf diese Entscheidung verwiesen. Im übrigen wird der Berufung dieses Angeklagten nicht Folge gegeben.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem auf dem einstimmigen Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurden der am 12.März 1974 geborene Markus W***** und der am 10.Februar 1967 geborene Adalbert B***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB, letzterer als Beteiligter nach § 12 (zu ergänzen: dritter Fall) StGB (A bzw B/I), B***** darüber hinaus des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 2 WaffG (B/II) schuldig erkannt.

Danach haben

A/ Markus W***** am 19.April 1993 in Unterwaltersdorf im einverständlichen Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Jugendlichen Markus S***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe der *****kasse ***** fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Bargeldbetrag von 536.550 S, mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung dadurch abgenötigt, daß sie eine Waffe, nämlich eine Pumpgun gegen die Bankangestellten Jörg W***** und Ingrid P***** richteten und diese zur Ausfolgung von Bargeld aufforderten;

B/ Adalbert B*****

I. am selben Tag und Ort zu dieser Tat (A) dadurch beigetragen, daß er den genannten Tätern seine Pumpgun überließ;

II. in der Zeit von Jänner bis zum 19.April 1993 in Unterwaltersdorf und an anderen Orten, wenn auch nur fahrlässig eine verbotene Waffe (§ 11 WaffG), nämlich die bei der unter A/ beschriebenen Tat verwendete, durch Absägen des Schaftes auf ca 65 cm Gesamtlänge verkürzte Pumpgun unbefugt besessen.

Die allein vom Angeklagten Adalbert B***** gegen seine Schuldsprüche (B/I und II) aus § 345 Abs 1 Z 8 und 10 a, subsidiär auch Z 6 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Mit seiner Instruktionsrüge (Z 8) behauptet der Beschwerdeführer eine Unvollständigkeit und damit die Unrichtigkeit der zur Hauptfrage V nach dem Verbrechen des schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB erteilten Rechtsbelehrung, weil diese die Problematik der Abgrenzung der (straflosen) Vorbereitungshandlung von Versuch und Vollendung der Tat offen lasse. Die dazu ersichtlich vertretene Rechtsansicht, daß das Überlassen einer Waffe an den noch nicht am Tatort anwesenden unmittelbaren Täter zu diesem Zeitpunkt bloß eine straflose Vorbereitungshandlung darstelle, verkennt, daß es auf die zeitliche Nähe des Tatbeitrages (§ 12 dritter Fall StGB) zur Ausführung der geförderten Tat nicht ankommt, strafbarer Tatbeitrag vielmehr selbst im Stadium der Tatvorbereitung in Betracht kommt. Diesfalls wird der Beitragstäter allerdings erst dann strafbar, wenn der geförderte unmittelbare Täter - unabhängig von der Frage seiner individuellen Strafbarkeit - in das Versuchsstadium eintritt (quantitative Akzessorietät der Beitragstäterschaft). Der Beitragstäter befindet sich somit immer im selben Deliktsstadium wie der geförderte unmittelbare Täter (Fabrizy im WK, § 12 Rz 84-87 und 101 mwN). In diesem Sinne führt die Rechtsbelehrung zutreffend aus, daß die Beitragshandlung vor oder während der Ausführung der Tat geleistet werden muß. Sie legt auch das Erfordernis der quantitativen Akzessorietät entsprechend dar (S 121/IV). Weiters erörtert sie die Abgrenzung zwischen dem Versuch und der Vollendung des Verbrechens des Raubes (S 129/IV), wogegen die Abgrenzung zwischen Vorbereitungshandlung und Versuch zu Recht unterblieb, weil eine Schuldfrage nach versuchtem Raub - welche eine Belehrung auch über die straflose Vorbereitungshandlung in der Rechtsbelehrung erfordert hätte - nicht gestellt war. Damit erweist sich die vom Vorsitzenden zu den Voraussetzungen der Strafbarkeit des Tatbeitrages zum Raub im Sinne des § 12 dritter Fall StGB erteilte Rechtsbelehrung als vollständig und richtig.

Unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 345 Abs 1 Z 6 StPO rügt der Beschwerdeführer zur Hauptfrage V subsidiär die Unterlassung der Beifügung, daß er die Waffe "unmittelbar vor der Tatausführung" Markus W***** und Markus S***** überlassen habe. Die Rüge geht schon deshalb fehl, weil die zeitliche Nähe der Beitragshandlung zur Ausführung der Straftat durch den geförderten unmittelbaren Täter - wie dargelegt - kein gesetzliches Strafbarkeitskriterium der inkriminierten Beitragstat darstellt, während dem Erfordernis der Individualisierung durch die Datierung des Tatbeitrages hinlänglich Rechnung getragen wurde (§ 312 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Entgegen der Tatsachenrüge (Z 10 a), die hinsichtlich beider Straftaten (s auch S 256/IV) Zurechnungsunfähigkeit infolge voller Berauschung des Angeklagten bzw weiters reklamiert, zumindest könne nicht gesichert davon ausgegangen werden, daß Adalbert B***** bei seiner Abstandnahme von einer Beteiligung (ergänze: als unmittelbarer Täter iS des § 12 erster Fall StGB) noch an die zur Verfügung gestellte Waffe gedacht hätte, ergeben sich aus den Akten keine Bedenken - geschweige denn solche erheblichen Gewichtes - gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage V sowie zu den Zusatzfragen VI und XVI festgestellten entscheidenden Tatsachen. Sein Beschwerdevorbringen erschöpft sich nach Inhalt und Zielsetzung vielmehr in einer Anfechtung der Beweiswürdigung der Geschworenen nach Art einer Schuldberufung, die gegen Entscheidungen von Kollegialgerichten nicht zulässig ist.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über die Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung des § 41 Abs 1 StGB über Markus W***** eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren, über Adalbert B***** unter weiterer Anwendung der §§ 28 Abs 1 sowie 31 und 40 StGB eine zusätzliche Freiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten. Dabei wertete es beim Erstangeklagten keinen Umstand als erschwerend, als mildernd hingegen seine Unbescholtenheit, das Geständnis, die objektive Schadensgutmachung durch Sicherstellung des größten Teiles der Raubbeute und sein Alter unter 21 Jahren; beim Zweitangeklagten berücksichtigte es die gegen die Sicherheit des Eigentums gerichteten Vorstrafen und das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen verschiedener Art als erschwerend, mildernd hingegen das Geständnis zum Vergehen nach dem Waffengesetz, den Beitrag zur Wahrheitsfindung hinsichtlich des Verbrechens des schweren Raubes und die überwiegende objektive Schadensgutmachung.

Diesen Strafausspruch bekämpfen die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte Adalbert B***** mit Berufung. Während die Staatsanwaltschaft ihren Antrag auf Erhöhung des Strafausmaßes hinsichtlich beider Angeklagten unter Relativierung des Milderungsgrundes der objektiven Schadensgutmachung mit reiflicher Überlegung der Tat und generalpräventiven Erfordernissen begründet, strebt der Zweitangeklagte unter Hinweis auf seine deutliche psychische Beeinträchtigung und die durch die Abstandnahme von der unmittelbaren Raubtat sichtbar gewordene Hemmschwelle die Herabsetzung und teilweise bedingte Nachsicht seiner Freiheitsstrafe an.

Nur der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.

Der (beiden Angeklagten zugute gehaltenen) objektiven Schadensgutmachung durch Sicherstellung (des größten Teiles) des geraubten Bargeldes kommt nämlich tatsächlich kein einer freiwilligen Herausgabe der Beute gleichzuhaltendes milderndes Gewicht zu.

Beim Angeklagten W***** sind überdies zwei Vorverurteilungen wegen Vermögensdelikten und der zuletzt rasche Rückfall als erschwerend zu werten.

Der Angeklagte B***** gilt zwar wegen der zwischenzeitigen Tilgung mehrerer strafgerichtlicher Verurteilungen nach Maßgabe der §§ 3 und 4 TilgG als unbescholten (der diesbezüglich vom Geschworenengericht angenommene erschwerende Umstand entfällt sohin), der Milderungsgrund des § 34 Z 2 StGB kommt jedoch dennoch nicht zum Tragen, weil die hier abgeurteilte Straftat noch vor dem Eintritt der Tilgung begangen wurde und so gesehen zum sonstigen Täterverhalten nicht in auffallendem Widerspruch steht.

Seine "deutliche psychische Beeinträchtigung" kann entgegen der Ansicht des im Tatzeitpunkt bereits 26-jährigen Zweitangeklagten, welcher seinen Zustand durch Alkohol- und Medikamentenmißbrauch selbst verschuldete, nicht strafmindernd wirken.

Unter gebotener Berücksichtigung der durch die Verwendung einer - wenn auch ungeladenen - Pumpgun geprägten gravierenden Modalitäten des in Rede stehenden Raubüberfalls auf ein Geldinstitut kann von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen bei beiden Angeklagten nicht die Rede sein und fehlt es auch an faßbaren Grundlagen für eine realistische Aussicht, daß sie auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werden.

Die Strafen waren sohin - auch unter Bedachtnahme auf die bei derartigen Raubtaten besonders akzentuierten generalpräventiven Strafkomponenten entsprechend dem tatsächlichen Grad der Schuld der Täter (§ 32 StGB) auf das gesetzliche Mindestmaß anzuheben, wobei sie einerseits wegen der höheren deliktischen Energie des unmittelbar agierenden Erstangeklagten, andererseits wegen der Mitahndung dem Zweitangeklagten weiters zur Last fallender Taten (§§ 31, 40 StGB) zueinander in ausgewogenem Verhältnis stehen.

Soweit der Angeklagte Adalbert B***** die Herabsetzung seiner Freiheitsstrafe anstrebt, war er mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen. Der darüber hinaus begehrten teilbedingten Nachsicht der Freiheitsstrafe steht schon das ausgesprochene Strafmaß entgegen (§ 43 a Abs 4 StGB).

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

Stichworte