OGH 2Ob559/93

OGH2Ob559/9330.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Iris S*****, vertreten durch Dr.Hans Exner, Rechtsanwalt in Judenberg, wider die beklagte Partei Renate S*****, vertreten durch Dr.Herwig Trnka, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Feststellung (Streitwert S 400.000), infolge von Rekursen beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 29.Oktober 1992, GZ 3 R 49/92-31, womit das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 2. Dezember 1991, GZ 8 Cg 81/91-25, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Im Verlassenschaftsverfahren nach der am *****1990 verstorbenen Maria E***** gaben die Streitteile widerstreitende Erbserklärungen aufgrund jeweils zu ihren Gunsten lautender Testamente ab; die Beklagte aufgrund des eigenhändigen Testamentes vom *****1989, die Klägerin aufgrund eines fremdhändigen Testamentes, ebenfalls vom *****1989 sowie eines mündlichen Testamentes vom *****1989. Das Verlassenschaftsgericht verwies beide Erbprätendentinnen auf den ordentlichen Rechtsweg und wies der Klägerin die Klägerrolle zu. Der Inhalt des eigenhändigen Testamentes zugunsten der Beklagten ist nicht strittig.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß das eigenhändige Testament vom *****1989 ungültig und rechtsunwirksam sei und der Beklagten aufgrund dieses Testaments kein Erbrecht zum Nachlaß nach Maria Eibegger zukomme, sowie im Rahmen eines Eventualbegehrens die weitere Feststellung, daß das mündliche Testament vom *****1989 in Verbindung mit dem fremdhändigen Testament vom *****1989 rechtswirksam sei und daher der Klägerin aufgrund dieses Testaments das Erbrecht im Nachlaß zukomme. Die Erblasserin habe zwar ***** 1989 das eigenhändige Testament ohne Datum zugunsten der Beklagten errichtet. Die Ortsangabe mit Datum "Z*****1989" und die Überschrift "Testament" seien erst nachträglich fremdhändig angebracht worden, so daß dieses Testament ungültig und unwirksam sei. Ebenfalls sei dieses Testament durch das spätere mündliche Testament vom *****1989 in Verbindung mit dem fremdhändigen Testament vom *****1989 zugunsten der Klägerin aufgehoben.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Das eigenhändige Testament vom *****1989 sei nicht zu ihren Gunsten manipuliert worden. Das mündliche Testament vom *****1989 zugunsten der Klägerin sei nicht gültig, weil die Verlesung des formungültigen fremdhändigen Testaments vom *****1989 keine Konversion eines formungültigen in ein formgültiges Testament bewirke. Die Erblasserin sei am *****1989 nicht mehr testierfähig gewesen.

Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren ab.

Es ging rechtlich davon aus, daß das eigenhändige Testament vom *****1989 zugunsten der Beklagten gültig sei. Das mündliche Testament vom *****1989 zugunsten der Klägerin sei formungültig, weil nicht die Erblasserin, sondern die Klägerin das fremdhändige Testament vom *****1989, das formungültig und auch früher als das eigenhändige Testament zugunsten der Beklagten verfaßt worden sei, vorgelesen habe und überdies auch ein Testierwille zur Errichtung eines mündlichen Testaments nicht erweislich sei.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil über Berufung der klagenden Partei zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung durch das Erstgericht auf. Es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof als zulässig. Es erörterte dazu rechtlich:

Unstrittig sei, daß das handschriftliche Testament zugunsten der Beklagten von der Erblasserin eigenhändig errichtet worden sei, strittig sei vielmehr nur das Datum der Errichtung dieses Testaments. Da dieser Zeitpunkt jedenfalls vor dem *****1989 gelegen sei, könne dieses Testament nur durch ein später errichtetes gültiges Testament aufgehoben werden. Das fremdhändige Testament vom *****1989 zugunsten der Klägerin komme hiefür nicht in Betracht, weil dieses Testament formungültig sei. Zur Aufhebung geeignet wäre nur das behauptete mündliche Testament vom *****1989. Es sei daher entscheidend, ob die Erblasserin am *****1989 ein mündliches Testament gültig errichtet habe. Gültigkeitserfordernis für ein außergerichtliches mündliches Testament nach § 585 ABGB sei aber, daß der Erblasser in Testierabsicht ernstlich seinen letzten Willen vor drei gleichzeitig anwesenden fähigen Zeugen ausdrücklich erklärt und diese mit Wissen und Willen des Erblassers im Bewußtsein und in der Absicht, Zeugen eines Testieraktes zu sein, die letztwillige Erklärung entgegennehmen. Die Konversion eines formungültigen in ein formgültiges Testament könne dann angenommen werden, wenn anläßlich des Testieraktes die beabsichtigte und tatsächlich eingehaltene Form zwar nicht deren Gültigkeitserfordernissen, wohl aber denen einer anderen - wenn auch nicht beabsichtigten - Form entspreche. Für die Gültigkeit des Testaments sei nur der in einer vom Gesetz vorgeschriebenen Form ausgedrückte Wille des Erblassers, eine letztwillige Verfügung zu treffen, entscheidend, wogegen die tatsächliche erfüllte Form vom Willen des Erblassers nicht umfaßt sein müsse, sofern nur eine der möglichen für die Gültigkeit erforderlichen Formen entsprochen worden sei. Erforderlich sei aber stets eine mündliche Erklärung des letzten Willens durch den Erblasser, indem er das Testament vorliest oder diktiert. Dem Erfordernis der Mündlichkeit genüge auch, wenn die mündliche Bekanntgabe eines letzten Willens vor Zeugen durch einen Dritten erfolge und der Erblasser die Richtigkeit der Formulierung des von ihm selbst herrührenden letzten Willens bejahe. Doch müsse die Ernstlichkeit des Testierwillens bei außergerichtlichen mündlichen Testamenten nach besonders strengen Kriterien geprüft werden, um klarzustellen, daß nicht nur eine Wissenserklärung, sondern tatsächlich eine Willenserklärung vom Erblasser beabsichtigt gewesen sei.

Das Berufungsgericht hielt aber noch ergänzende Feststellungen über die vom Erstgericht - im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - verneinte Testierabsicht der Erblasserin für erforderlich. Die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichtes seien widersprüchlich. Einerseits habe es festgehalten, daß die Erblasserin nach Verlesung des maschinegeschriebenen Testaments vom *****1989 bekräftigte, daß Iris S***** ihre Universalerbin sein sollte, ohne allerdings auszuführen, in welcher Art und Weise eine als Bekräftigung zu wertende Äußerung erfolgt sei. Es habe weiters festgestellt, daß die anwesenden Personen zur Kenntnis genommen hätten, wie das schriftliche Testament laute und daß die Erblasserin verlangt habe, daß noch einmal verlesen werde, damit alle wissen, was sie wolle. Diese Ausführungen seien aber durch die Feststellung, die Erblasserin wollte, daß die anwesenden Personen wissen, was sie für ein Testament gemacht habe, relativiert worden. Das Berufungsgericht vermißte auch konkrete Feststellungen über die Testierfähigkeit der Erblasserin, weil auch hier die dazu getroffenen Fetstellungen einander widersprächen. Es trug daher dem Erstgericht konkrete Feststellungen über die von der Erblasserin selbst abgegebenen Äußerungen und eine Wertung dieser Äußerung dahin auf, ob daraus auf einen ernstlichen Testierwillen geschlossen werden könne und ob auch die Anwesenden willens und sich bewußt waren, als Zeugen einer Testamentserrichtung zu fungieren, oder ob die Erblasserin eine bloße Wissenserklärung gegenüber den Anwesenden abgegeben habe, welche letztwillige Anordnung sie seinerzeit bereits getroffen habe. Für die Annahme der Gültigkeit eines mündlichen Testamentes sei nicht nur eine ausdrückliche Erklärung des letzten Willens der Erblasserin in der erleichterten Form der Bejahung eines von ihr selbst herrührenden Vorschlags, die jedenfalls in Form einer mündlichen ausdrücklichen Erklärung erfolgen müsse, erforderlich, sondern auch das Bewußtsein und der Wille der Anwesenden, als Zeugen einer mündlichen Testamentserrichtung zu fungieren und nicht bloß eine Wissenserklärung der Erblasserin zu vernehmen.

Die Klägerin bekämpft die Entscheidung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, sie zu beheben und in der Sache selbst im Sinne einer Klagsstattgebung zu entscheiden.

Die Beklagte beantragte in ihrem Rechtsmittel ebenfalls die Behebung des angefochtenen Beschlusses und in der Sache selbst im Sinn einer Bestätigung des Ersturteils zu entscheiden.

Beide Parteien beantragen, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind nicht berechtigt.

Bei Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes ist zunächst - worauf das Berufungsgericht bereits hingewiesen hat - davon auszugehen, daß das unbestritten formgültige eigenhändige, mit dem Datum *****1989 versehene Testament zugunsten der Klägerin nur durch ein nachfolgendes gültiges Testament außer Kraft gesetzt werden kann (§ 713 ABGB). Das fremdhändige Testament vom *****1989 kommt dazu nicht in Betracht, weil ein Testamentzeuge den Willen des Erblassers, ein Testament zu errichten, nicht entgegennehmen konnte. Ihm gegenüber ist daher der Bekräftigungsakt nicht wirksam geworden, weil die Erblasserin zum Zeitpunkt der Unterschrift des dritten Zeugen schlief (vgl SZ 26/244).

Die Klägerin hat sich aber auf ein wirksames mündliches Testament vom *****1989 berufen, das das eigenhändige Testament vom *****1989 entkräften könnte.

Dazu ist aber erforderlich, daß der Erblasser vor drei fähigen Zeugen, die zugleich gegenwärtig und zu bestätigen fähig sind, daß in der Person des Erblassers kein Betrug oder Irrtum unterlaufen sei, ernstlich seinen letzten Willen erklärt (§ 585 ABGB). Dabei ist zur Vermeidung von Mißbräuchen mit besonderer Strenge zu prüfen, ob einerseits der ernstliche Testierwille, das heißt das Bewußtsein des Erblassers, jetzt eine letztwillige Verfügung zu errichten (vgl Welser in Rummel2 Rz 9 zu den §§ 564, 565) und auch das Bewußtsein der Zeugen, einem Testierakt beizuwohnen, vorliegt. Die Zeugen müssen daher mit Wissen und Willen des Erblassers dem ganzen Testierakt folgen und auch die ausdrückliche Erklärung des Erblassers hören (Welser aaO Rz 4 zu den §§ 584-586). Voraussetzung der Gültigkeit eines mündlichen Testamentes ist daher die Absicht des Erblassers, vor den anwesenden Zeugen seinen letzten Willen zum Ausdruck zu bringen (SZ 32/120; NZ 1978, 13, NZ 1979,174 uva).

Die Feststellung, ob die Erblasserin am *****1989 in Testierabsicht ausdrücklich ihren letzten Willen neuerlich bekundete, ist aber eine Tatsachenfeststellung (Fasching Kommentar IV 333, RZ 1967, 90; SZ 32/120; SZ 56/43; SZ 58/187).

Wenn daher das Berufungsgericht dem Erstgericht ergänzende und konkrete Feststellungen über den tatsächlichen Ablauf der Geschehnisse am ***** und insbesondere darüber auftrug, welche konkreten Äußerungen von der Erblasserin an diesem Tag getätigt wurden, kann dem der Oberste Gerichtshof nicht entgegentreten. Ob Testierabsicht der Erblasserin am *****1989 vorlag, wird daher wesentlich von den konkreten wörtlichen Äußerungen aus deren Mund abhängen. Erst danach kann beurteilt werden, ob die Erblasserin am ***** den Anwesenden lediglich die Tatsache eines bereits geäußerten letzten Willens kundtun wollte oder im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse neuerlich ihren letzten Willen im Bewußtsein der vorhandenen Zeugen in Testierabsicht, das heißt in bewußter Kundgabe ihres letzten Willens, bekräftigen wollte. Wenn das Berufungsgericht die dazu vorhandenen Tatsachenfeststellungen als widersprüchlich erachtet, ist dies als dem Tatsachenbereich zuzuordnende Frage nicht zu beanstanden.

Das Berufungsgericht hat auch dem Erstgericht weitere Feststellungen über die Testierfähigkeit der Erblasserin aufgetragen. Auch hier ist dem Obersten Gerichtshof ein Eingehen darauf verwehrt, weil die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes in sich widersprüchlich sind und eine abschließende Beurteilung nicht zulassen.

Das Erstgericht wird daher im Sinne der Aufträge des Berufungsgerichtes konkrete Feststellungen über die Vorgänge am *****1989 zu treffen haben. Erst danach wird abschließend beurteilt werden können, ob die Erblasserin an diesem Tage in testierfähiger Weise und in Testierabsicht den bereits im fremdhändigen Testament vom *****1989 niedergelegten letzten Willen neuerlich kundtun und den anwesenden Zeugen mitteilen wollte.

Zur Klarstellung in rechtlicher Hinsicht sei noch darauf hingewiesen, daß hier kein Fall einer Konversion vorliegt (vgl Welser aaO, Rz 7 zu § 601), denn das fremdhändige Tetament vom ***** war und blieb ungültig. Maßgebend ist allein, ob am ***** ein formgültiges mündliches Testament errichtet wurde. Hiefür wäre eine mündliche Erklärung der Erblasserin erforderlich, die Bestätigung eines Vorschlages würde nicht genügen. Allerdings reicht auch die Bestätigung eines von jemand anderem vorgelesenen, letztlich auf die Willensbildung des Erblassers zurückgehenden Aufsatzes (Welser aaO, Rz 2 zu den §§ 585,586). Nur insofern kann dem fremdhändigen Testament vom ***** doch Bedeutung zukommen und zwar dann, wenn es sich um einen auf der Willensbildung der Erblasserin zurückgehenden Aufsatz handelt, der am ***** verlesen und von der Erblasserin bestätigt wurde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte