OGH 8ObA216/94

OGH8ObA216/9430.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Kunc und Dr.Zörner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing.Peter G*****, vertreten durch Dr.Bernhard Waldhof und Dr.Thomas Praxmarer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei P***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Josef Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Kündigungsanfechtung (Streitwert S 51.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16.November 1993, GZ 5 Ra 198/93-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 9.Juni 1993, GZ 45 Cga 24/93-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.348,80 (darin S 724,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger trat am 1.8.1966 als Angestellter in die Dienste der M***** AG als Rechtsvorgängerin der Beklagten ein und wurde am 1.7.1988 von der Beklagten unter Übernahme sämtlicher vertraglicher Rechte und Pflichten gegenüber der Rechtsvorgängerin in ein Dienstverhältnis übernommen. Er war ab 18.7.1989 für den Bereich "Spanlos-Verschleiß" als Gebietsverkaufsleiter für Länder des ehemaligen Ostblocks eingesetzt und verdiente monatlich brutto S 52.225,-- zuzüglich eines Überstundenpauschales von S 2.345,-- und einer monatlichen Treueprämie von S 850,--. Wegen massiver Umsatzrückgänge war die Beklagte zu Kosteneinsparungen unter anderem durch Verringerung des Personalstandes gezwungen. In der Zeit vom 30.9.1990 bis 30.4.1992 wurde der Personalstand von 622 auf 472 Mitarbeiter reduziert. Im Oktober 1992 wurde dem Kläger vom Leiter der Vertriebsabteilung mitgeteilt, daß sein Arbeitsplatz infolge der Umsatzrückgänge in Osteuropa nicht mehr gehalten werden könne. Die Möglichkeit einer einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses wurde besprochen. Am 22.1.1993 verständigte die Beklagte den Betriebsrat, daß sie hinsichtlich des Klägers die Absicht einer sogenannten Änderungskündigung habe. Am 28.1.1993 widersprach der Betriebsrat diesem Vorbringen. Mit dem als Änderungskündigung bezeichneten Schreiben vom 29.1.1993 (dem Kläger an diesem Tag zugestellt) kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis des Klägers zum 30.6.1993. Sie führte weiters aus:

"Gleichzeitig bieten wir Ihnen die Weiterbeschäftigung als Verkaufssachbearbeiter im Innendienst an. Das Gehalt wird ab 1.7.1993 mit S 33.000,-- brutto bei Eingruppierung in die Verwendungsgruppe IV nach 18 Verwendungsgruppenjahren festgelegt. Das Angebot gilt bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Wir bitten Sie jedoch, für den Fall, daß Sie an der neuen Funktion Interesse haben, mit uns die Gespräche aufzunehmen wegen Festlegung der genauen Aufgaben und der notwendigen Einarbeitung. Unabhängig davon sind wir gerne bereit, weitere Gespräche mit Ihnen über eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses zu führen."

Mit seinem Einverständnis ist der Kläger seit 17.3.1993 auf diesem ihm angebotenen Arbeitsplatz als Verkaufssachbearbeiter im Innendienst tätig. Er hat das Anbot der Beklagten auf Weiterbeschäftigung, wie im Rahmen der Änderungskündigung vorgeschlagen, bis zum Ende des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz am 9.6.1993 weder ausdrücklich angenommen noch abgelehnt.

Das Gericht erster Instanz wies das Klagebegehren ab. Es traf die Feststellungen, die eingangs - soweit noch entscheidungswesentlich - wiedergegeben wurden. Rechtlich folgerte es, daß die Beklagte eine auflösend bedingte Änderungskündigung ausgesprochen habe. Diese unterliege, wie die Beendigungskündigung, dem Kündigungsschutz. Sie werde allerdings erst rechtswirksam, wenn die dem Arbeitnehmer gesetzte Annahmefrist verstrichen sei. Die Anfechtungsfrist beginne daher erst mit dem Tag des Wirksamwerdens der Ablehnung bzw. mit dem fruchtlosen Ablauf der dem Arbeitnehmer gesetzten Frist zu laufen. Da der Kläger das Vertragsänderungsangebot weder ausdrücklich angenommen noch abgelehnt habe, werde die Kündigung erst mit Fristablauf, somit dem 30.6.1993, rechtswirksam, weshalb schon deshalb die Klage abzuweisen gewesen sei. Selbst wenn man die Klagslegitimation bejahen wollte, wäre für den Kläger nichts gewonnen. Die dem Kläger angebotenen Vertragsänderungen seien weder gesetz- noch kollektivvertragswidrig. Aus der Verschlechterung der Einkommenssituation des Klägers allein lasse sich eine Sozialwidrigkeit nicht ableiten. Auch bei Annahme der Sozialwidrigkeit hätte dem Klagebegehren kein Erfolg beschieden sein können, da die Kündigung sowohl aus in der Person des Klägers gelegenen als auch aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt gewesen sei. Eine unrichtige Reisekostenabrechnung, bei der der Kläger der Beklagten auch eine Nächtigung der Tochter verrechnet habe, stelle einen groben Vertrauensmißbrauch dar. Auf Grund der festgestellten Umsatzeinbrüche sei zudem eine Weiterbeschäftigung des Klägers der Beklagten wirtschaftlich nicht zuzumuten.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und führte in seiner Entscheidungsbegründung aus: Mangels Vorliegens einer rechtswirksamen Kündigung könne eine solche auch nicht für rechtsunwirksam erklärt werden, sodaß das Erstgericht das Klagebegehren zu Recht abgewiesen habe. Es könne nicht Sache des Arbeits- und Sozialgerichtes sein, über eine theoretische Frage ein unter Umständen umfangreiches Verfahren abzuführen, dessen Zweck aber dann vereitelt wäre, wenn es der Arbeitnehmer bei Prozeßverlust immer noch in der Hand hätte, nunmehr durch Annahme des noch schwebenden Anbotes die zunächst verschmähte Vertragsänderung doch noch zu seinen Gunsten auszunützen. In diesem Sinne sei vom Arbeitnehmer zu verlangen, daß er bei entsprechend eindeutigem Verhalten des Arbeitgebers auf das Änderungsangebot innerhalb der gesetzten Frist eindeutig reagiere, um die Kündigung in Wirksamkeit zu setzen. Darüberhinaus sei dem Erstgericht auch insoweit zuzustimmen, als die Kündigung nicht sozialwidrig sei, da das Interesse der Beklagten aus wirtschaftlichen Gründen das Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Bedingungen zu beenden, die Interessen des Klägers überwiege. Dem Erstgericht könne nur insoweit nicht beigepflichtet werden, als die Kündigung auch auf persönliche Verfehlungen des Klägers gestützt werde, da die Geltendmachung dieses Kündigungsgrundes verwirkt sei. Dies könne aber am Gesamtergebnis nichts ändern.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Die Änderungskündigung ist eine Kündigung unter der Bedingung, daß sich der Arbeitnehmer mit einer bestimmten Änderung des Arbeitsvertrages nicht einverstanden erklärt (Floretta/Strasser, Komm.z.ArbVG 630; Dungl in FS Floretta 358). Die Änderungskündigung besteht rechtsgeschäftlich gesehen regelmäßig aus zwei einseitigen, zugangsbedürftigen Willenserklärungen, und zwar einmal aus dem Ausspruch der Kündigung, d.h. aus einer Auflösungserklärung in bezug auf das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung von gesetzlich, kollektivvertraglich, betriebsvereinbarungsmäßig oder einzelvertraglich vorgesehenen Kündigungsfristen und -terminen und aus einem Angebot (= Offert), den Inhalt des Arbeitsvertrages zu ändern. Die vom erklärenden Arbeitgeber vorzunehmende Verknüpfung dieser beiden Erklärungen kann im wesentlichen auf zweifache Weise erfolgen: Einmal derart, daß die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen wird und dazu vom Arbeitgeber erklärt wird, daß sie (rückwirkend) rechtsunwirksam wird, wenn der Arbeitnehmer das Vertragsänderungsoffert annimmt - auflösend bedingte Änderungskündigung; zum zweiten aber auch in der Art, daß die Kündigung unter der Bedingung ausgesprochen wird, daß diese bei Nichtannahme des gleichzeitig übermittelten Vertragsänderungsangebotes wirksam wird - aufschiebend bedingte Änderungskündigung (Strasser, Zur Problematik der sogenannten Änderungskündigung DRdA 1988, 1, hier: 2). Die Änderungskündigung zielt nicht in erster Linie auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab, sondern auf eine inhaltliche Neugestaltung der Arbeitsbedingungen (Dungl aaO 358). Es ist ausschließlich Sache des Arbeitnehmers, ob er unter den neu angebotenen Arbeitsbedingungen im Arbeitsverhältnis bleiben will oder nicht (Floretta/Strasser aaO 630). Eine derartige Potestativbegründung ist zulässig, denn sie verletzt nicht das Erfordernis der Bestimmtheit der Kündigung (RdW 1991, 299; Arb. 10.913; Arb. 10.638).

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers entspricht der Inhalt des Kündigungsschreibens vom 29.1.1993 sämtlichen dargestellten Kriterien und ist als auflösend bedingte Änderungskündigung zu qualifizieren. Die dem Kläger in dem Schreiben angebotene weitere Alternative, über eine einverständliche Auflösung des Dienstverhältnisses zu verhandeln, beeinträchtigt den Erklärungswert des Ausspruches der Kündigung sowie des Anbotes auf Vertragsänderung in keiner Weise. Auch das Ersuchen im Falle der Annahme des Anbotes, Gespräche wegen Festlegung der genauen Aufgaben und der notwendigen Einarbeitung aufzunehmen, vermag das Anbot auf Vertragsänderung nicht seiner rechtsverbindlichen Wirkung zu berauben, da den ergänzenden Gesprächen nur Details der Abwicklung, nicht jedoch wesentliche Vertragsbedingungen vorbehalten wurden.

Voraussetzung für die Kündigungsanfechtung gemäß § 105 ArbVG ist die Rechtswirksamkeit der Kündigung (Schwarz in Arbeitsverfassungsrecht III 192). Im Falle der Änderungskündigung kommt es bei jeder der beiden Typen bis zur Erklärung des Arbeitnehmers bzw. bis zum Ablauf der Annahme-(Kündigungs-)Frist zu einem Schwebezustand in bezug auf die Frage, ob das Arbeitsverhältnis wirksam gekündigt ist oder nicht. Sowohl bei der noch nicht eingetretenen Resolutivbedingung als auch bei der noch nicht eingetretenen Suspensivbedingung mangelt es daher im Kündigungsanfechtungsprozeß an der Voraussetzung für eine Sachentscheidung in der Form des Vorliegens einer rechtswirksamen Kündigung (Strasser aaO 8 und 11). Um die Änderungskündigung gerichtlich überprüfbar zu machen, bedarf es abgesehen vom Fristablauf einer Erklärung des Arbeitnehmers, da das Gericht nur über die Zulässigkeit einer Kündigung zu entscheiden hat und das Vertragsänderungsangebot nicht Gegenstand des Anfechtungsprozesses ist (vgl. Strasser aaO 10). Die Tatsache der Erhebung der Anfechtungsklage allein kann eine Erklärung des Arbeitnehmers zumindest solange nicht ersetzen, als dieser ausdrücklich sich zum Änderungsangebot nicht äußern und sich somit die Möglichkeit offenhalten will, bei Prozeßverlust doch noch das Änderungsangebot anzunehmen.

Es wurde daher mangels Erklärung die Anfechtungsfrist nicht in Lauf gesetzt, weshalb die Urteile der Vorinstanzen zu bestätigen waren.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 58 Abs.1 Satz 1 ASGG und §§ 41, 50 ZPO. Die für die Beischaffung von Firmen- und Grundbuchsauszügen verzeichneten Kosten konnten schon deshalb nicht zugesprochen werden, weil nicht in der Sache selbst zu entscheiden war.

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