OGH 15Os81/94

OGH15Os81/9430.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Juni 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Würzburger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Alexander W***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 vierter Fall und Abs 2 erster Fall SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 7.Dezember 1993, GZ 12 Vr 982/91-120, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der österreichische Staatsbürger Alexander W***** (zu A/I.) des Verbrechens nach § 12 Abs 1 vierter Fall und Abs 2 erster Fall SGG, (zu A/II.) des Vergehens nach § 14 a SGG, (zu B) des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 1, erster und zweiter Fall und Z 5 WaffG, (zu C) des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB, (zu D) des Vergehens des Gebrauches fremder Ausweise nach § 231 Abs 1 StGB und (zu E) des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 1, 224 StGB schuldig erkannt.

Nach dem angefochtenen Teil des Schuldspruches hat er

(A/I) den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge, nämlich Haschisch und Kokain, in Verkehr gesetzt, wobei die Taten 1., 3. und 4. gewerbsmäßig begangen worden sind, indem er

(1.) in der Zeit von Anfang 1988 bis 21.September 1991 vorwiegend in Attnang-Puchheim und einmal in Obertrum dem abgesondert verfolgten Peter P***** in wiederholten Teilverkäufen, und zwar in den Jahren 1988 bis 1990 monatlich durchschnittlich mindest 10 bis 15 Gramm Haschisch und im Jahr 1991 durchschnittlich im Monat mindestens 70 Gramm Haschisch mit einem Reinheitsgrad von 5,4 %, sohin 1988 bis 1990 mindestens 360 Gramm Haschisch und 1991 mindestens 840 Gramm Haschisch, also 1.200 Gramm Haschisch, entspricht 64,8 Gramm THC, zum Grammpreis von 100 S und zuletzt 80 S verkaufte, (2.) in der Zeit von 1988 bis längstens 21.September 1991 in Attnang-Puchheim dem Peter P***** zu wiederholten Malen Haschisch zum Rauchen unentgeltlich überließ, (3.) im Jahr 1991 in Attnang-Puchheim dem Peter P***** in wiederholten Teilverkäufen zu jeweils einem Gramm insgesamt ca 12 bis 15 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgrad von 20,3 %, sohin 2,43 bis 3,04 Gramm Kokainbase, zum Grammpreis von 1.500 S bis zuletzt 1.200 S verkaufte, (4.) im Jahr 1991 in Riccione, Italien, unbekannte Kokainmengen in wiederholten Teilverkäufen an unbekannte Abnehmer verkaufte, (5.) im April oder Mai 1991 in Pichlwang und Attnang-Puchheim dem Peter P*****, Helmut S*****, Josef T***** und der Andrea K***** Kokain in unbekannter Menge zum Konsum überließ,

(6.) im August 1991 in Attang-Puchheim dem Peter P***** und Josef T***** Kokain zum Konsum überließ, (7.) in Italien, Riccione, (a) im Jahr 1990 Regina M***** unbekannte, jedoch jeweils geringe Mengen Cannabisharz, zum wiederholten Rauchen überließ, (b) ebenfalls im Jahr 1990 Christoph L***** in zumindest zwei Fällen Cannabisharz zum Rauchen überließ;

(II.) ein Suchtgift in einer großen Menge (zu ergänzen: mit dem Vorsatz) besessen, daß es in Verkehr gesetzt werde, indem er (1.) im Sommer 1991 in Riccione, Italien, eine insgesamt unbekannte, jedoch 500 Gramm nicht übersteigende Kokainmenge mit einem Reinheitsgrad von 20,3 %, somit jedenfalls eine 15 Gramm Kokainbase übersteigende Menge besaß.

Nur gegen diese Teile des Schuldspruches richtet sich - wie aus dem Rechtsmittelantrag auf (bloß) teilweise Urteilsaufhebung iVm mit den sonstigen Rechtsmittelausführungen erschlossen werden kann - die auf § 281 a und die Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch in keinem Punkt Berechtigung zukommt.

Unzulässig ist die Beschwerde, soweit unter Heranziehung des § 281 a StPO die örtliche Unzuständigkeit des erkennenden Gerichtes in den Fakten A./I/4, 7 a und b (unter Hinweis auf den in Italien liegenden Tatort) behauptet wird (der Schuldspruch im Urteilsfaktum A./II/1 wird in diesem Zusammenhang nicht releviert). Der Nichtigkeitswerber übersieht dabei nämlich, daß der angezogene Nichtigkeitsgrund nur vorliegt, wenn der einer Anklage Folge gebende (§ 214) oder einen Anklagebeschluß fassende (§ 218) Gerichtshof zweiter Instanz örtlich unzuständig war (Foregger-Kodek StPO6, Erl zu § 281 a), im gegenständlichen Verfahren aber gar kein Anklageeinspruch erhoben worden ist. Mit der Behauptung hinwieder, daß das erkennende Gericht für die Strafsache nicht zuständig gewesen sei, wird kein gesetzlicher Nichtigkeitsgrund geltend gemacht. Die Zuständigkeit des zur Durchführung der Hauptverhandlung berufenen Gerichtes kann zufolge § 219 StPO nach Rechtskraft der Anklage nicht mehr angefochten werden (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 E 4 mwN).

Die Verfahrensrüge (Z 4) scheitert schon aus formellen Gründen. Nach dem Inhalt des (vollen Beweis machenden) Hauptverhandlungsprotokolls (S 277/II) hat der Verteidiger keinen Antrag auf Ladung der Zeugin R***** gestellt, er sprach sich lediglich gegen die Verlesung ihrer im Vorverfahren abgelegten Aussage aus (S 231/II); außerdem erklärte er - nach Verlesung eines Schreibens der Zeugin R***** an das Gericht (ON 100), nach welchem letztere die Zeugenaussage "aus Angst" verweigern wolle - sein Einverständnis mit der Verlesung der Zeugenaussage der nicht erschienenen Zeugin, sodaß die prozeßordnungsgemäße Grundlage für die Geltendmachung der behaupteten Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten fehlt. Im übrigen konnte das Erstgericht im Hinblick auf den zum Zeitpunkt der Hauptverhandlungen nicht bekannten Aufenthalt der Zeugin (S 109, 111, 123, 133/II) deren Aussage nach § 252 Abs 1 Z 1 StPO verlesen und im Sinne des § 258 Abs 1 StPO als Feststellungsgrundlage heranziehen. Die von der Beschwerde ins Spiel gebrachte seinerzeitige Erklärung der Zeugin, ihren in Aussicht genommenen neuen Aufenthalt dem Gericht bekannt geben zu wollen (S 419 f/I), ist nicht erzwingbar.

Mit den Ausführungen der Mängelrüge (Z 5) vermag die Beschwerde zunächst keinen formalen Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen, sondern versucht lediglich nach Art einer Schuldberufung und damit auf eine im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Weise die beweiswürdigenden Überlegungen der Tatrichter anzugreifen und zu anderen als den von ihnen getroffenen Feststellungen zu gelangen. Tatsächlich hat sich das erkennende Gericht mit den Beweisergebnissen, damit aber auch mit den darin enthaltenen Widersprüchen, soweit sie entscheidungswesentliche Tatsachen betreffen, auseinandergesetzt. Dabei hat es - entgegen dem Beschwerdevorbringen - auch die Aussage des Zeugen P***** in der Hauptverhandlung nicht vernachlässigt, sondern mit dem Hinweis auf deren Widersprüchlichkeit zu den anfänglichen Depositionen dieses Zeugen und weiterer Beweisergebnisse dargelegt, weswegen es seine ursprünglichen Angaben für wahr hielt und (gemäß § 258 Abs 2 StPO) seinen Konstatierungen zugrunde gelegt hat (US 15 und 16).

Gleiches gilt für das Beschwerdevorbringen, die Verwertung der Beweisergebnisse sei unvollständig geblieben. Im Gegensatz zur Beschwerdebehauptung geht das angefochtene Urteil ausdrücklich davon aus, daß der Zeuge P***** seine ursprünglichen Angaben abgeschwächt oder zurückgenommen hat und daß es auch Widersprüche zwischen den Aussagen der Zeugen gibt, wobei mit ausführlicher Begründung dargelegt wurde, weswegen es welchen seiner Angaben dennoch folgen zu können glaubte (US 15 ff, 18 ff).

Mit der Behauptung einer Aktenwidrigkeit hinwieder vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun, inwieweit in den Entscheidungsgründen als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angeführt worden sei, was deren Inhalt nicht bildet oder inwieweit der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels im Urteil unrichtig wiedergegeben worden sei. Der unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels nur einen formalen Vergleich gestattende Nichtigkeitsgrund einer Aktenwidrigkeit wird nicht zur Darstellung gebracht, wenn - wie hier - behauptet wird, daß zwischen den vom Gericht getroffenen Tatsachenfeststellungen und den diesen zugrunde gelegten Beweisergebnissen ein Widerspruch bestehe. Die Richtigkeit der auf freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) beruhenden Schlüsse kann jedenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Aktenwidrigkeit nicht angefochten werden (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 191). Vorliegend konnten sich die Tatrichter auf die (ursprünglichen) Angaben des Zeugen Peter P***** und Josef T*****, bezüglich des Faktums II/1. auch auf die der Zeugin Birgit R*****, deren Glaubwürdigkeit eingehend überprüft worden ist, stützen, weshalb sich die Beschwerdebehauptung, die Überlegungen der Tatrichter entbehrten einer entsprechenden Grundlage, als unzutreffend erweist.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) gelangt nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil sie unter Behauptung von Feststellungsmängeln eine Überprüfung des Urteils nach der Tatseite hin und ein Eingehen auf die Beweisfrage verlangt, dabei aber übersieht, daß die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes das Festhalten an dem gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt verlangt. Der Nichtigkeitswerber unternimmt solcherart - unter Wiederholung der Argumentation der Mängelrügen - lediglich (abermals) den Versuch, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes in Frage zu stellen und darzutun, daß die Verfahrensergebnisse auch andere, für ihn günstigere Feststellungen ermöglicht hätten.

Letztlich wird auch mit dem Einwand, es mangle dem Urteil an Feststellungen über jene Suchtgiftmengen, die der Angeklagte besessen oder in Verkehr gebracht haben solle, was "zur unrichtigen Lösung der Rechtsfrage führe, ob der vom Erstgericht auf Grund von ihm durchgeführten und gewürdigten Beweise festgestellte Sachverhalt einem strafgerichtlichen Tatbestand in objektiver und subjektiver Weise erfülle" der angezogene Nichtigkeitsgrund mangels näherer Substantiierung nicht in einer der Erörterung zugänglichen Weise geltend gemacht, wobei außerdem jene Urteilsfeststellungen übergangen werden, welche die für die Tatbestandserfüllung erforderlichen (Mindest-)Mengen konstatieren.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO), teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO) bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung fällt in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Linz (§ 285 i StPO).

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