OGH 7Ob25/94

OGH7Ob25/9429.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Stefan Herdey und Dr.Roland Gsellmann, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei I***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Norbert Scherbaum, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 158.265,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 11.November 1993, GZ 3 R 60/93-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 12.Jänner 1993, GZ 13 Cg 294/91-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.370,-- (darin S 1.395,-- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

In der Nacht vom 19. auf den 20.6.1989 drangen ein oder mehrere Diebe durch eine aus Holz mit Glaseinsatz bestehende Seitentüre in die Geschäftsräume der Klägerin ein und stahlen dort Waren im Wert von S 158.265,--. Von den Scharieren dieser Türe waren die zwei unteren abgesägt, die Tür hing nur mehr an der oberen Scharniere und dem die Türe von innen her absichernden Schubriegel in der Größe von 12 x 4 cm, der durch einen umgebogenen Eisennagel verstärkt (richtig wohl fixiert) worden ist. Der oder die Diebe mußten dieses Hindernis unter Anwendung "physischer Gewalt" beseitigen und konnten dann in die Räumlichkeiten eindringen. Nach dem Diebstahl hing die Türe nur mehr lose an der obersten Scharniere. Die Türe war zuvor von Mitarbeitern der Klägerin regelmäßig auf ihre Sicherheit durch festes Rütteln, allerdings immer nur von innen her, überprüft worden.

Die Klägerin ist bei der Beklagten aufgrund der AEB 1986 einbruchdiebstahlversichert.

Nach Art.2 Abs.1 lit.a der AEB 1986 gilt ein Diebstahl als Einbruchsdiebstahl unter anderem nur, wenn ein Dieb in die Versicherungsräumlichkeit durch Eindrücken oder Aufbrechen der Türen, Fenster, Wände, Fußböden oder Decken eingebrochen hat.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bezahlung von S 158.265,-- s. A.

Die beklagte Partei wendet ein, daß die unteren Scharniere der Türe, durch die die Täter eingedrungen seien, schon längere Zeit abgesägt gewesen seien und daß die Türe nur mehr lose an der obersten Scharniere gehangen sei, sodaß keine Gewaltanwendung zum Öffnen der Türe erforderlich gewesen sei. Die beklagte Partei sei daher leistungsfrei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der beklagten Partei sei nicht der Beweis für den behaupteten Ausschlußtatbestand gelungen, zumindestens hätten die Täter physische Gewalt anwenden müssen, um in die Räume der Klägerin einzudringen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit der angefochtenen Entscheidung. Es erklärte die ordentliche Revision für unzulässig. Die Feststellung des Erstgerichtes, daß die Diebe die unteren Türscharniere (in Vorbereitung des Diebstahls bereits einige Tage oder Monate vorher?) abgesägt hätten, wurde vom Berufungsgericht nicht übernommen. Das Berufungsgericht folgerte rechtlich, daß zur Öffnung der Türe "eine gewisse körperliche Anstrengung" erforderlich gewesen sei und daher ein "Eindrücken" im Sinne der AEB 1986 vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene ao. Revision ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Vorwurf, die in der Berufung erhobene Rüge der unrichtigen bzw. unvollständigen Tatsachenfeststellung sei vom Berufungsgericht nicht behandelt worden, erfolgt zu Unrecht (vgl. Berufungsurteil AS 140). Im folgenden versucht die Revision, die vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes dahin zu interpretieren, daß bei Anwendung "physischer Gewalt" zwar eine gewisse, aber keine große körperliche Anstrengung erforderlich sei. Tatsächlich ist unter dieser vom Berufungsgericht übernommenen Feststellung des Erstgerichtes zu verstehen, daß zum Eindringen in die Räumlichkeiten der Klägerin doch erheblich mehr Kraftanstrengungen als sonst im Alltagsleben üblich erforderlich waren. Nach der Lage der Dinge und der Lebenserfahrung mußten die Täter offensichtlich zunächst die Türe aus der verbliebenen Angel herausheben, wobei der eingerastete Schubriegel einen beträchtlichen Widerstand gegen dieses Ansinnen geboten haben muß, weil allein schon durch das Einrasten eines beträchtlichen Teiles dieses Eisenbandes in die Türfüllung, die Türe von der anderen Seite her fixiert war; danach mußte die Tür seitlich weggezogen werden, um den Riegel aus dem Loch herauszubringen, wobei dies dem oder den Tätern offensichtlich gelang, ohne ihn abzubiegen.

Der Versicherungsnehmer ist für den Eintritt des Versicherungsfalles beweispflichtig (vgl. VersR 1985, 100; VR 1990/177 sowie Schauer aaO 140 ff). Ein solcher liegt hier erst vor, wenn der Versicherungsnehmer einen "Einbruchsdiebstahl" nachweisen kann.

Eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem dem hier vorliegenden vergleichbaren Fall liegt weder in Österreich noch in der Bundesrepublik Deutschland vor. Die Definition des Einbruchsdiebstahls in den AEB 1986 stimmt mit dem strafrechtlichen Begriff des Einbruchsdiebstahles nach § 129 Z 1 bis 3 StGB nicht vollständig überein (vgl. Schauer, Einführung in das österreichische Versicherungsvertragsrecht2, 268). Dies ergibt sich allein schon aus dem verschiedenen Wortlaut der AEB 1986 und der letztzitierten strafrechtlichen Norm. Ähnlich verhält es sich mit der vergleichbaren Bestimmung der deutschen AERB 87 (§ 2.2 lit.a ff) und § 243 des deutschen StGB bejaht (vgl. Prölss/Martin VVG25 889 ff, Martin SVR3 D II).

Nicht jeder Diebstahl, sondern nur der "erschwerte" Diebstahl stellt die versicherte Gefahr dar. In der Praxis und im Sprachgebrauch wird dafür allerdings der nicht immer zutreffende Begriff des "Einbruchdiebstahles" verwendet. Der "erschwerte" Diebstahl erfordert Gewalt gegen Sachen; es ist aber nicht erforderlich, daß die Substanz des dem Täter entgegenstehenden Hindernisses verletzt wird. Auch wenn es an einer Substanzverletzung fehlt, trotzdem aber einige Kraft aufgewendet werden muß, um das dem Diebstahl entgegenstehende Hindernis zu überwinden bzw zu beseitigen, liegt ein "erschwerter" Diebstahl vor; das Aufdrücken eines nicht verschlossenen und nur angelehnten Kellerfensters (vgl. 7 Ob 1007/92) oder das Aushängen eines ein Kellerabteil verschließenden aber nicht versperrten Lattenrostes, reicht hiefür nicht aus, wohl aber (zum Beispiel) das Wegschieben eines vor eine nicht verschlossene Türe gestellten Kastens (vgl. Martin SVR3 D II 1 ff und D III 16 f).

Der wie oben geschilderte rekonstruierte Vorgang erforderte weit mehr "physische Gewalt", als dies mit dem Öffnen einer klemmenden Türe oder eines verrosteten Schlosses bzw. mit dem bloßen Ausheben einer Lattentüre (vgl. VersR 1981, 1123) verbunden ist. Es lag hier kein bloßes Wegschieben eines mehr oder minder unbedeutenden Hindernisses vor; die Türe hatte vielmehr durchaus noch eine tauliche diebstahlssichernde Funktion. Das Maß der Kraftaufwendung zur Beseitigung der Türe lag einerseits weit über jenem, das zum normalen Öffnen eines wenn auch durch verschiedene Umstände verklemmten Einganges erforderlich ist, andererseits erforderte das festgestellte Öffnen der Türe durch die Diebe Geschicklichkeit und Gewalt, wie dies typisch für die verbrecherische Absicht des Täters ist.

Der Revision war daher Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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