OGH 10ObS143/94

OGH10ObS143/9428.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Prohaska (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Benesch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Veronika G*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr.Günter Philipp, Rechtsanwalt in Mattersburg, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Pflegegeldes, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11.März 1994, GZ 32 Rs 28/94-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 11. Oktober 1993, GZ 17 Cgs 223/92-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat der Klägerin binnen vierzehn Tagen die einschließlich 338,24 S Umsatzsteuer mit 2.029,44 S bestimmten halben Kosten der Revision zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 10.11.1992 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 30.9.1992 auf Hilflosenzuschuß mit der Begründung ab, daß sie nicht ständig der Wartung und Hilfe bedürfe.

Das Erstgericht wies das auf einen Hilflosenzuschuß im gesetzlichen Ausmaß ab 30.9.1992 gerichtete Klagebegehren ab.

Nach den unbekämpft gebliebenen erstgerichtlichen Feststellungen wohnt die am 10.10.1917 geborene Klägerin im Familienverband. Das Haus wird mit einer Gaszentralheizung beheizt. Der Haushalt verfügt über ein Badezimmer mit Wanne, eine Toilette, einen E-Herd, eine Waschmaschine sowie einen Warm- und Kaltwasseranschluß. Die Klägerin benötigt seit der Antragstellung nur bei der gründlichen Körperreinigung in der Badewanne, beim Einkaufen, bei der gründlichen Reinigung der Wohnung und bei der Großwäsche Hilfe. Alle übrigen lebensnotwendigen Verrichtungen kann sie selbst ausführen.

Unter diesen Umständen gebühre der Klägerin bis 30.6.1993 kein Hilflosenzuschuß. Da ihr Pflegebedarf durchschnittlich nur 34 Stunden monatlich betrage, habe sie ab 1.7.1993 auch keinen Anspruch auf Pflegegeld.

Die Berufung der Klägerin richtete sich nur gegen die Nichtzuerkennung des Pflegegeldes in Höhe der Stufe 1 ab 1.7.1993. Sie machte ausschließlich geltend, daß die gründliche Körperreinigung in der Badewanne zur täglichen Körperpflege gehöre, für die nach § 1 Abs 4 Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz BGBl 1993/314 (EinstV) 2 x 25 Minuten festgelegt seien. Daher betrage der zeitliche Betreuungsaufwand monatlich 25 Stunden. Da für die Hilfsverrichtungen Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Reinigung der Wohnung und Pflege der Wäsche vom Erstgericht gemäß § 2 Abs 3 EinstV auf einen Monat bezogen weitere 30 Stunden angenommen worden seien, betrage der Pflegebedarf der Klägerin 55 Stunden monatlich. Sie habe daher nach § 4 Abs 2 Bundespflegegeldgesetz (BPGG) Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 1.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge.

Es nahm nur für die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten einen auf einen Monat bezogenen Zeitwert von 10 Stunden an. Da die Klägerin nur Hilfe zur gründlichen Wohnungsreinigung und zur Pflege der Großwäsche benötige, seien für diese Hilfsverrichtungen nur je 6 Stunden pro Monat zu veranschlagen. Mangels medizinischer Notwendigkeit eines täglichen Wannenbades genügten zwei Wannenbäder pro Woche, für die jeweils 50 Minuten zu veranschlagen seien. Dies ergebe einen monatlichen zeitlichen Betreuungsaufwand von rund 7 Stunden. Da der gesamte Pflegebedarf durchschnittlich nur 29 Stunden monatlich betrage, habe die Klägerin keinen Anspruch auf Pflegegeld.

In der Revision macht die Klägerin unrichtige rechtliche Beurteilung (der Sache) geltend. Sie beantragt, das Berufungsurteil durch Zuerkennung des Pflegegeldes in Höhe der Stufe 1 ab 1.7.1993 abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 3 ASGG zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Nach § 1 Abs 1 EinstV sind unter Betreuung alle in relativ kurzer Folge notwendigen Verrichtungen anderer Personen zu verstehen, die vornehmlich den persönlichen Lebensbereich betreffen und ohne die der pflegebedürftige Mensch der Verwahrlosung ausgesetzt wäre. Zu diesen Verrichtungen zählen nach Abs 2 leg cit ua solche bei der Körperpflege, also auch im Zusammenhang mit einem Vollbad in der Badewanne. Die Revisionswerberin verkennt jedoch, daß der im § 1 Abs 4 EinstV festgelegte zeitliche Mindestwert von 2 x 25 Minuten nur für die tägliche Körperpflege gilt. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß ein Wannenvollbad - abgesehen von medizinischer Notwendigkeit, für die hier kein Anhaltspunkt besteht - nicht zur täglichen Körperpflege zählt und daß die in dieser Hinsicht pflegebedürftige Klägerin auch dann nicht der Verwahrlosung ausgesetzt wäre, wenn sie pro Woche nur zwei solche Bäder nehmen könne, ist richtig. Sie entspricht der Rsp des erkennenden Senates zum Hilflosenzuschuß (zB SSV-NF 2/12), gegen die in der Revision nichts vorgebracht wird. Der zeitliche Betreuungsaufwand im Zusammenhang mit einem Wannenvollbad kann in Anlehnung an den im § 1 Abs 4 EinstV für eine tägliche Körperpflege festgelegten zeitlichen Mindestwert von etwa 25 Minuten angenommen werden. Geht man davon aus, daß die Klägerin auch dann nicht der Verwahrlosung ausgesetzt wäre, wenn sie wöchentlich nur zwei Wannenvollbäder nehmen kann, dann ergibt sich diesbezüglich ein zeitlicher Betreuungsaufwand von etwa 3,5 bis 4 Stunden monatlich. In dieser Größenordnung wurde er auch vom Erstgericht zutreffend eingeschätzt. (Daß das Berufungsgericht für ein Wannenbad 50 Minuten veranschlagte, könnte darauf zurückzuführen sein, daß § 1 Abs 4 EinstV für die tägliche Körperpflege 2 x 25 Minuten festlegt. Damit werden jedoch offensichtlich zwei derartige Pflegeverrichtungen pro Tag in der Dauer von jeweils 25 Minuten berücksichtigt.)

Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß für die bei der Klägerin nötigen Hilfsverrichtungen insgesamt nur ein Zeitaufwand von 30 Stunden pro Monat anzunehmen ist, wurde in der Berufung nicht bekämpft und wird in der Revision ausdrücklich als richtig bezeichnet. Berücksichtigt man neben diesem zeitlichen Hilfsaufwand den zeitlichen Betreuungsaufwand für Wannenvollbäder, der nach den obigen Ausführungen etwa 4 Stunden pro Monat beträgt, ergibt sich ein ständiger Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) der Klägerin seit 1.7.1993 von nur etwa 34 Stunden monatlich.

Unter diesen Umständen gebührt der Klägerin aber kein Pflegegeld, für dessen begehrte Stufe 1 nach § 4 Abs 2 BPGG ein Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 50 Stunden monatlich erforderlich wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b und Abs 2 ASGG.

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