OGH 11Os73/94

OGH11Os73/9428.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager, Dr. Mayrhofer, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters RiAA Mag. Kriz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Otto G***** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 83 Abs 1, 164 Abs 1 Z 2 Abs 3 letzter Fall) StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20. Jänner 1994, GZ 6 Vr 2669/93-26, , nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Otto G***** des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 83 Abs 1, 164 Abs 1 Z 2 und Abs 3 letzter Fall) StGB (1. und 2.) und des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB (3.) schuldig erkannt.

Inhaltlich des allein bekämpften Schuldspruchs wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls liegt dem Angeklagten zur Last, am 19. August 1993 in Graz eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Bargeldbetrag in der Höhe von 4.200 S, der Gerlinde H*****mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er bei seiner Betretung auf frischer Tat dadurch, daß er Gerlinde H*****und Alexander Y*****nach Rückgabe eines Betrages von 200 S an den Oberarmen erfaßte und zur Seite stieß, Gewalt gegen die Person anwandte, um sich den Rest der weggenommenen Sache zu erhalten.

Dagegen richtet sich die auf die Z 3, 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Der Angeklagte erblickt einen seine Verteidigungsrechte beeinträchtigenden Verfahrensmangel in dem Umstand, daß die Zeugin Gerlinde H*****in der Hauptverhandlung nicht vernommen worden sei (Z 4) und einen unter Nichtigkeitssanktion (Z 3) stehenden Verstoß gegen § 152 Abs 1 Z 1 StPO darin, daß ihre Angaben vor der Polizei in der Hauptverhandlung verlesen wurden.

Tatsächlich ging das Erstgericht von einem Antrag sowohl des Verteidigers als auch des Staatsanwaltes auf Einvernahme der genannten Zeugin aus, obgleich der Verteidiger in der Hauptverhandlung bloß die Erklärung abgab, auf die Einvernahme dieser Zeugin nicht zu verzichten (101 und 103); allein schon daraus ergäbe sich ein formeller Mangel seiner Antragstellung (siehe dazu Mayerhofer-Rieder StPO3 E 4b zu § 281 Z 4 StPO).

Das Erstgericht hat den dem Verteidiger zugestandenen Antrag mit der Begründung abgewiesen, mit Rücksicht auf den Bericht des mit der Sache befaßten Kriminalbeamten sei davon auszugehen, daß die als Gelegenheitsprostituierte tätige Zeugin mangels Wohnortes oder bekannten Aufenthaltes auf absehbare Zeit weder geladen noch vor Gericht gestellt werden kann.

Dieser auf eine - noch während der Hauptverhandlung ergänzte - ausführliche Erhebung (107) gestützten Feststellung stellt die Beschwerde lediglich die Vermutung entgegen, daß es möglich sein müßte, den derzeitigen Aufenthalt der Zeugin auszuforschen und daß zu erwarten sei, daß sie in absehbarer Zeit wieder als Prostituierte in Erscheinung treten werde. Diese Hypothesen vermögen die Annahme des erkennenden Gerichtes, es handle sich vorliegend um einen aussichtslosen, weil undurchführbaren Beweis, nicht zu entkräften. Nur wenn ein Zeuge weder vorgeladen noch seine Ausforschung durch die Polizei versucht wurde, kann von der Unauffindbarkeit des Zeugen keine Rede sein. Die (bloße) Erwartung, er werde über kurz oder lang zur Verfügung stehen, kann an der für unbestimmte Zeit gegebenen Undurchführbarkeit der Beweisaufnahme im Zeitpunkt der Beschlußfassung durch das Schöffengericht nichts ändern (Mayerhofer-Rieder aaOE 109 a und 110). Da demnach das Erstgericht wegen ihres unbekannten Aufenthaltes mit Recht von der aktuellen Unmöglichkeit der Vernehmung der Zeugin ausgehen konnte, war auch die auf § 252 Abs 1 Z 1 StPO gestützte Verlesung der Aussage dieser Zeugin im Gesetz begründet, die behaupteten Nichtigkeitsgründe haften dem gerügten Vorgang daher insgesamt nicht an.

Die undifferenzierten Ausführungen des Beschwerdeführers zur Tatsachen- und Mängelrüge (Z 5 und 5 a), die darauf hinauslaufen, das Gericht hätte wegen des Entfalls der unmittelbaren Beweisaufnahme durch Einvernahme der Zeugin H*****umso mehr "von Amts wegen alle sinnvollen und rechtlich zulässigen Beweise durchführen müssen, die geeignet sind, die Beweiskraft der verlesenen Aussage abzuschwächen oder gar zu widerlegen", ist entgegenzuhalten, daß es Sache der Verteidigung gewesen wäre, alle "sinnvollen und rechtlich zulässigen" Kontrollbeweise prozeßordnungsgemäß zu beantragen. Die Beweiserhebungsrüge kann aber nur im Rahmen der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO vorgetragen werden, wofür es vorliegend an einer entsprechenden Antragstellung im Verfahren erster Instanz fehlt. Weder mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 noch mit jenem der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO kann dieser formelle Mangel umgangen und damit die Unvollständigkeit der Erhebungen gerügt werden (siehe dazu Mayerhofer-Rieder aaO E 149 und 150).

Im übrigen erschöpft sich diese Rüge der Sache nach in einem Angriff auf die schöffengerichtliche Beweiswürdigung mit dem Ziel, die Angaben der Zeugin H*****als unglaubwürdig darzustellen und der von den Tatrichtern verworfenen Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch zu verhelfen. Eine solche nach Art einer Schuldberufung vorgetragene Bekämpfung der Beweiswürdigung ist aber im kollegialgerichtlichen Verfahren nach wie vor unzulässig. Erhebliche Bedenken gegen die - auch auf die Aussage der Tatzeugin Alexandra Y***** gestützten - dem Schuldspruch wegen räuberischen Diebstahls zugrunde gelegten entscheidenen Tatsachen vermag die Beschwerde hinwieder aus den Akten nicht abzuleiten.

Nur der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, daß die Beschwerdebehauptung, das Erstgericht sei davon ausgegangen, daß die Zeugin Alexandra Y*****"den Diebstahl eines Betrages von 4.200 S selbst wahrgenommen hätte, unzutreffend ist. Dem Urteil ist vielmehr in seiner Gesamtheit zu entnehmen, daß Alexandra Y*****den Diebstahl eines Barbetrages bemerkte (AS 80 und 133), wogegen die festgestellte Höhe des Betrages ausschließlich auf den Angaben der Gerlinde H*****beruht (137).

Die eine Verurteilung bloß wegen "§ 127 iVm § 15 StGB" anstrebende Rechtsrüge (inhaltlich Z 10) setzt sich über die Urteilsfeststellungen hinweg, wonach der Angeklagte Gerlinde H*****und Alexandra Y*****an den Oberarmen erfaßte, sie zur Seite stieß und mit der Beute aus dem Lokal flüchtete. Soweit die Beschwerde diese Konstatierungen übergeht und davon abweichend behauptet, der Angeklagte habe gegen die beiden Zeuginnen keine Gewalt geübt, ist die Subsumtionsrüge nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil sie sich nicht am gesamten Urteilssachverhalt orientiert.

Die zum Teil unbegründete, zum Teil nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus folgt, daß über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben wird (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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