OGH 10ObS129/94

OGH10ObS129/9428.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Prohaska (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Benesch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Radislav P*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. Februar 1994, GZ 31 Rs 144/93-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18. August 1993, GZ 23 Cgs 206/93i-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 21.8.1956 geborene Kläger hat den Beruf eines Spenglers erlernt und in den letzten 15 Jahren überwiegend ausgeübt. Unter Berücksichtigung sämtlicher Leidenszustände kann er noch leichte und mittelschwere Arbeiten ohne Tätigkeiten auf Leitern, Gerüsten oder ähnlich erhöht exponierten Stellen, ohne ständiges Knien und ohne häufige tiefe Hocke verrichten. Ausgesprochene Feinarbeiten mit den Händen oder Fingern scheiden aus. Er ist unterweisbar und kann eingeordnet werden. Das Arbeiten auf einem ebenen Dach, auch auf einer schrägen Ebene ist ihm noch möglich. Der klassische Beruf des Spenglers in der Form, daß er auf der Baustelle arbeitet, scheidet für den Kläger aus. Ebenso scheidet die Galanteriespenglerei aus, weil er keine Feinarbeiten ausführen kann. Den Beruf des Spenglers gibt es jedoch in verschiedenen Formen auf dem Arbeitsmarkt und bei entsprechend spezialisierter Berufsausübung. Im Bereich verwandter Berufstätigkeiten kommen für den Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Überschreitung des medizinischen Leistungskalküls insbesondere noch Tätigkeiten in Spengler- und Blechschlosserwerkstätten für maschinelle Zuschneide- und Abkantarbeiten, aber auch diverse Herrichtearbeiten für die Montage in Frage. Es handelt sich dabei um Arbeiten mit leichter und mittelschwerer körperlicher Belastung vorwiegend im Stehen, vermengt mit Gehen und fallweisem Bücken. Arbeiten an erhöhten exponierten Stellen kommen nicht vor. Arbeiten in tiefer Hocke oder im Knien sind bei dieser Arbeitsverwendung des Spenglers berufsuntypisch. Feinarbeiten sind nicht durchzuführen. Die angeführten Berufstätigkeiten kommen bei größeren Spengler- oder Blechschlosserbetrieben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in ausreichender Anzahl vor. Der Kläger beherrscht sämtliche Fähigkeiten, um in Spengler- und Blechschlosserwerkstätten arbeiten zu können. Im Unterschied zur Baustellentätigkeit ist in den Werkstätten nur ein gelegentliches und nicht mehr als fallweises Bücken notwendig. Die von ihm konkret ausgeübten Spenglertätigkeiten sowie sämtliche Montagetätigkeiten im Außendienst sind kalkülüberschreitend.

Mit Bescheid vom 8.3.1992 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter den Antrag des Klägers vom 6.11.1991 auf Zuerkennung einer Invaliditätspension ab.

Das Erstgericht wies das dagegen auf Gewährung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab dem 1.12.1991 gerichtete Klagebegehren ab. Der Kläger habe während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag den Beruf des Spenglers in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate ausgeübt. die Invalidität sei daher nach § 255 Abs 1 ASVG zu beurteilen. Nach den Feststellungen komme für den Kläger unter Berücksichtigung seines Leistungskalküls die Tätigkeit des Spenglers in Form der spezialisierten Berufsausübung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach wie vor in Frage. Er sei somit nicht invalid im Sinne des Gesetzes.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß nach ständiger Rechtsprechung eine Verweisung auf Teiltätigkeiten zulässig sei, sofern der Versicherte dadurch nicht den Berufsschutz verliere. Die Tätigkeit, auf die der Versicherte verwiesen werde, müsse daher eine Tätigkeit in einem erlernten (angelernten) Beruf iS des § 255 Abs 1 und 2 ASVG sein. Die Teiltätigkeit, auf die der Versicherte verwiesen werden soll, müsse sich qualitativ hervorheben und dürfe nicht bloß untergeordnet sein (SSV-NF 7/62 uva). Die vom Erstgericht genannte Verweisungstätigkeit hebe sich von Hilfsarbeiten qualitativ wesentlich hervor und sei nicht bloß untergeordnet. Denn das festgestellte Anforderungsprofil der Verwendung in einer spezialisierten Spengler- und Blechschlosserwerkstätte setze Tätigkeiten des Spenglers in Form der spezialisierten Berufsausübung voraus. Somit sei die Verweisung zulässig, weshalb Invalidität iS des § 255 ASVG nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Die diesbezüglichen Rechtsmittelausführungen stellen inhaltlich den im Revisionsverfahren unzulässigen Versuch dar, die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen, insbesondere in Ansehung des medizinischen Leistungskalküls zu bekämpfen.

In seiner Rechtsrüge geht der Kläger davon aus, daß er als Bauspengler Berufsschutz genieße, weil er in den letzten 15 Jahren ausschließlich als solcher tätig gewesen sei. Als Bauspengler könne er aber nicht auf Tätigkeiten im Innendienst verwiesen werden. Dem kann nicht beigepflichtet werden. War der Versicherte überwiegend in einem erlernten Beruf tätig, gilt er nach § 255 Abs 1 ASVG als invalid, wenn seine Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kläger hat den Lehrberuf Spengler erlernt (so das Prüfungszeugnis über die Lehrabschlußprüfung und der Lehrbrief, beide im Anstaltsakt); der Aufgabenbereich der Spengler umfaßt die Herstellung, Montage, Instandhaltung und Reparatur von Halb- und Fertigprodukten aus Metallblechen. Spenglereibetriebe können auf die Bereiche Bauspenglerei, Lüftungsspenglerei, Autospenglerei und Galanteriespenglerei spezialisiert sein. Bauspengler sind als Spengler im Dach- und Fassadenbau tätig; sie stellen Dachverblechungen, Dachrinnen, Ablaufrohre usw. her, montieren die erzeugten Produkte und führen auch Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten durch. Lüftungsspengler sind mit der Herstellung von Klima- und Lüftungsanlagen befaßt; sie erzeugen vorwiegend Blechteile für derartige Anlagen und nehmen Montage- und Reparaturarbeiten vor. Zu den Aufgaben der Autospengler zählen das Reparieren von Autokarosserieteilen bzw. das Einbauen neuer Karosserieteile und das Behandeln der Oberflächen von ausgetauschten Karosserieteilen. Galanteriespengler stellen Gebrauchs- und Ziergegenstände her, montieren Ziergegenstände und Einfassungen auf Dächern und Fassaden (siehe Berufslexikon, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Band 1 Lehrberufe14 326 Stichwort Spengler/Spenglerin; vgl. auch die Ausführungen des Gerichtes zweiter Instanz in der Entscheidung SSV-NF 5/129). Generell bearbeiten Spengler die Bleche unter Anwendung verschiedener Metallbearbeitungstechniken wie Hämmern und Biegen und bauen dann die einzelnen Blechteile zu einer Blechkonstruktion zusammen. Ein Bauspengler oder auch etwa ein ausschließlich im Lüftungsbau beschäftiger Spengler übt nur spezialisierte Tätigkeiten im Rahmen des umfassenden Lehrberufs Spengler aus. Demgemäß wurde auch entschieden, daß etwa ein angelernter Lüftungsspengler durch praktische Arbeiten jedenfalls nicht jene Kenntnisse und Fähigkeiten erworben haben könne, die von einem gelernten Spengler ganz allgemein in größerem Umfang beherrscht werden, so daß die Voraussetzungen des § 255 Abs 2 ASVG verneint wurden (SSV-NF 5/129). Umgekehrt wurde ausgesprochen, daß ein gelernter Spengler auf die Tätigkeiten eines Kühlerspenglers oder eines Galanteriespenglers verwiesen werden kann (SSV-NF 2/46). Da der Kläger am Stichtag das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, kann er auch nicht den besonderen Berufsschutz iS des hier grundsätzlich noch anwendbaren § 255 Abs 4 lit c ASVG in Anspruch nehmen, d.h. er genießt keinen auf die konkret ausgeübte Tätigkeit eingeschränkten Berufsschutz, sondern muß als gelernter Spengler sämtliche Tätigkeiten des Spenglerberufes beherrschen und sich auch auf solche Teiltätigkeiten verweisen lassen. Da die Einschränkungen des Klägers im wesentlichen darin bestehen, daß er nicht mehr auf Dächern oder sonst an exponierten Stellen arbeiten kann, muß er sich im Sinne der Feststellungen auf spezialisierte Spenglertätigkeiten in Spengler- und Blechschlosserwerkstätten verweisen lassen, so etwa auf maschinelle Zuschneide- und Abkantarbeiten wie auch auf diverse Herrichtearbeiten für die Montage. Lediglich für die Montage selbst kann er dann nicht mehr herangezogen werden. Die Verweisung auf solche in Werkstätten ausgeübten Spenglertätigkeiten, die sich von Hilfsarbeiten qualitativ wesentlich unterscheiden und nicht bloß untergeordneter Natur sind, ist im Sinne der ständigen, vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung zulässig.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an den unterlegenen Kläger aus Billigkeit wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.

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