OGH 14Os78/94(14Os80/94)

OGH14Os78/94(14Os80/94)28.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Juni 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Gründl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Helmut R***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls (teils) durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 3, 130 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24.Februar 1994, GZ 1 b Vr 12378/93-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kodek, und des Verteidigers Dr.Macher, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlaß werden

1. das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die gewerbsmäßige Begehungsweise sowie im Ausspruch, daß der Angeklagte den ihm zu I/2 angelasteten Diebstahl durch Öffnen einer Sperrvorrichtung mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug begangen hat, demnach in der rechtlichen Beurteilung (auch) der zu I/2 beschriebenen Tat nach § 129 Z 3 StGB und im Qualifikationsausspruch nach § 130 StGB sowie im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung);

2. der gleichzeitig gefaßte Beschluß auf Widerruf einer bedingten Entlassung

aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Helmut R***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls (teils) durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 3, 130 zweiter SatzStGB schuldig erkannt und zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Gleichzeitig widerrief das Erstgericht die bedingte Entlassung aus der im Verfahren AZ 1 b E Vr 8170/92, Hv 5796/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verhängten Freiheitsstrafe von acht Monaten (§ 494 a Abs 1 Z 4 StPO).

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in Wien gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Gesamtwert Nachgenannten mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er

I. Sperrvorrichtungen (und zwar Fahrradschlösser) teils aufbrach, teils "mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug, nämlich einem Schraubenschlüssel abmontierte", wobei er den Diebstahl durch Einbruch in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

1. im Jänner 1993 der Julia H***** ein City-Bike Fahrrad im Wert von 6.000 S;

2. am 20.Oktober 1993 dem Josef L***** ein Damenfahrrad im Wert von ca 3.800 S;

II. im Jahr 1993 in zumindest drei Angriffen Gewahrsamsträgern verschiedener Supermärkte Waren, vornehmlich Seifen und Rasierwasser, in nicht mehr genau feststellbarem Wert.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch fechten er und die Staatsanwaltschaft mit Berufung an.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, daß dem Erstgericht zum Nachteil des Angeklagten insoweit ein Subsumtionsfehler unterlaufen ist, als es ihm auch im Urteilsfaktum I/2 die qualifizierende Überwindung einer Sperrvorrichtung nach § 129 Z 3 StGB anlastete.

Nach den Urteilsfeststellungen schraubte der Angeklagte den Gepäckträger des Fahrrades, durch den das Seilschloß gezogen war, mit einem Schraubenschlüssel ab und entfernte auf diese Weise die Sperre (US 5). Er hat damit das Schloß weder aufgebrochen, noch mit einem der in § 129 Z 1 StGB genannten Mittel geöffnet, sondern auf andere Weise umgangen und demnach den Qualifikationstatbestand nicht erfüllt (Leukauf-Steininger Komm3 § 129 RN 32, Bertel in WK Rz 23 zu § 129).

Diesen Subsumtionsfehler (Z 10) des Erstgerichtes hat der Beschwerdeführer allerdings nicht geltend gemacht, weshalb er von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 StPO), zumal davon auch der Qualifikationsausspruch nach § 130 zweiter Satz StGB entscheidend berührt wird. Mit der Einbruchsqualifikation in einem von bloß zwei damit beschwerten Diebstählen entfällt nämlich eine wesentliche Sachverhaltsprämisse für die Annahme, daß der Angeklagte die Diebstähle jeweils in der Absicht begangen hat, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (SSt 56/48; Kienapfel BT II3 § 130 RN 11, 12; Bertel in WK Rz 10 zu § 130).

Davon abgesehen haftet dem Schuldspruch (zu I und II), soweit er die Annahme gewerbsmäßiger Begehung als solche betrifft, auch der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Begründungsmangel (Z 5) an.

Nach § 130 StGB qualifizierte Diebstähle setzen die Absicht des Täters (§ 5 Abs 2 StGB) voraus, sich durch deren wiederkehrende Begehung ein fortlaufendes, das heißt wenn nicht überhaupt ständiges, so doch für längere Zeit wirksames Einkommen im Sinne zumindest eines Zuschusses zu den sonstigen Einkünften zu verschaffen, soferne dieser den Bagatellbereich übersteigt. Daß der Täter nur gelegentlich und fallweise Diebstähle zur Erzielung von Vermögensvorteilen begehen will, wenn sich etwa zufällig auch künftighin eine günstige Gelegenheit dazu bieten sollte, genügt nicht (Leukauf-Steininger Komm3 § 70 RN 3, 5 und 6; Bertel in WK Rz 6 zu § 130).

Das Erstgericht beschränkt sich zur Begründung dieses Qualifikationstatbestandes lediglich auf den Hinweis, daß der Angeklagte seit seiner Haftentlassung nur gelegentlich gearbeitet, bei seiner Festnahme über sehr geringe Barmittel verfügt und sich insgesamt in einer schlechten finanziellen Lage befunden habe.

Diese Begründung reicht zur Widerlegung der Verantwortung des Angeklagten, bloß fallweise Gelegenheitsdiebstähle begangen zu haben, insbesondere deshalb nicht aus, weil die Tatzeiten der beiden Fahrraddiebstähle etwa zehn Monate auseinanderliegen und auch nach der Art der innerhalb dieser Zeitspanne nicht näher eingrenzbaren drei Ladendiebstähle eine auf die Erzielung einer fortlaufenden, demnach für längere Zeit wirksamen (und den Bagatellbereich übersteigenden) Einnahmsquelle gerichtete Absicht nicht erschlossen werden kann.

Diese Mangelhaftigkeit (Z 5) zwingt insoweit zu einer teilweisen Verfahrenserneuerung in erster Instanz.

Keine Berechtigung kommt hingegen der Subsumtionsrüge (Z 10) zu, ist sie doch mit dem Einwand, der Angeklagte habe die Ladendiebstähle (II) nur zur Befriedigung eines Gelüstes an Sachen geringen Wertes begangen, weshalb es sich um Entwendungen handle, deren Verfolgung das Fehlen einer Ermächtigung der Geschädigten (Z 9 lit b) entgegenstehe, nicht gesetzmäßig ausgeführt. Eine Urteilsfeststellung über das behauptete Tatmotiv ist nämlich weder getroffen worden, noch war sie nach der Verantwortung des Angeklagten (S 149) und der Art der weggenommenen Gegenstände indiziert.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.

Mit der teilweisen Urteilsaufhebung sind die beiderseitigen Berufungen gegenstandslos.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.

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