OGH 6Ob555/94

OGH6Ob555/9423.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermann S*****, vertreten durch DDr.Manfred König, Rechtsanwalt in Saalfelden, wider die beklagten Parteien 1. Univ.Prof. Dr.Peter B*****, und 2. Stadt L***** in ihrer Eigenschaft als Trägerin des Allgemeinen Öffentlichen Krankenhauses der Stadt L*****, beide vertreten durch Dr.Zamponi/Weixelbaum & Partner, Rechtsanwälte OEG in Linz, wegen 854.731,20 S samt Nebenforderungen, monatliche Rente von 5.000 S und Feststellung (Teilstreitwert 50.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das zum Urteil des Landesgerichtes Linz vom 1.Juli 1993, GZ 4 Cg 106/93-20, ergangene Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 15.Dezember 1993, AZ 3 R 233/93(ON 28), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit 25.248,96 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer 4.208,16 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Nachdem Ende 1985 an dem damals 51 Jahre alten Patienten in einer Notoperation nach einem plötzlichen Zusammenbruch die Resektion eines dissezierenden thorocalen Aortenaneurysmus vorgenommen worden war, unterzog sich der Patient im Frühjahr 1988 in dem Krankenhaus, in dem er 1985 operiert worden war, einer Kontrolluntersuchung, bei der neuerlich ein thoraco-abdominales Aneurysma festgestellt wurde.

Der Vorstand der Krankenhausabteilung, der den Patienten 1985 erfolgreich operiert hatte, riet diesem wegen der Gefahr eines (neuerlichen) Aufplatzens der Aorta zur neuerlichen Operation noch vor dem Sommer.

Objektiv war nach dem Zustand des inzwischen fast 54 Jahre alt gewordenen Patienten die lebensbedrohende Ruptur der krankhaft erweiterten Aorta nur noch eine Frage der Zeit und die angeratene Operation die einzige bekannte erfolgversprechende, aber mit den typischen Operationsrisken eines Nierenversagens oder einer Querschnittlähmung behaftete Behandlungsmaßnahme.

Die Operationsrisken waren dem Patienten weder im Zusammenhang mit seiner Notoperation im Jahre 1985 noch anläßlich der Operationsempfehlung im Mai 1988 mitgeteilt worden, wohl aber der Ernst, der sich für den Patienten aus seinem medizinischen Zustandsbild ergab.

Nach dreiwöchiger häuslicher Bedenkzeit entschied sich der Patient zur neuerlichen Operation.

Er wurde zu diesem Zweck am 13.Juni 1988 in das Krankenhaus aufgenommen, für den Eingriff vorbereitet, der aber wegen Spitalsüberlastung letztlich erst für 22.Juni 1988 festgesetzt wurde. Dieser Termin wurde dem Patienten am Vortag mitgeteilt.

An diesem Tag suchte ein Oberarzt den Patienten, der bereits mit der Anästhesistin ein Gespräch geführt und auch technisch für die Operation vorbereitet war, kurz vor 18 Uhr auf und unterrichtete ihn über die Operationsrisken, insbesondere auch über ein mögliches Nierenversagen und eine mögliche Lähmung der Beine.

Der Patient war psychisch und intellektuell in der Lage, diese Mitteilung voll zu erfassen und danach etwa seine Einwilligung zur Operation zurückzunehmen. Nähere Aufklärungen forderte der Patient von dem ihn unterrichtenden Oberarzt nicht; seine Lage war ihm ausreichend bewußt, sein Vertrauen in den Primararzt, der ihn schon einmal erfolgreich operiert hatte, aufrecht.

Nach dem Aufklärungsgespräch telefonierte der Patient mit seiner Ehefrau, die ihm riet, von der Operation abzusehen und sofort heimzukehren.

Im Bewußtsein der ihm mitgeteilten Operationsrisken entschied sich der Patient aber zur Vornahme der Operation.

Trotz fachgerechter Ausführung dieses Eingriffes unter tunlichster Vorsorge gegen das Auftreten einer Querschnittslähmung trat beim Patienten als Operationsfolge eine (bleibende) Lähmung der unteren Gliedmaßen ein.

Der Patient macht den Operateur und den Krankenhausträger für die ihm nachteiligen Operationsfolgen schadenersatzrechtlich unter anderem und im Revisionsverfahren ausschließlich noch deswegen haftbar, weil die ihm erteilte ärztliche Aufklärung über die Operationsrisken inhaltlich unzulänglich und zeitlich zu spät erfolgt wäre. Im einzelnen begehrt der Kläger Schmerzengeld, den Ersatz von (Nach-)Behandlungskosten, Behindertenbehelfe und Verdienstentgang, ferner eine abstrakte Rente sowie die Feststellung der Schadenersatzhaftung der Beklagten.

Diese bestritten vor allem jeden haftungsbegründenden Tatbestand.

Das Prozeßgericht wies die Leistungs- und das Feststellungsbegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach dazu aus, daß eine Revisionszulässigkeitsvoraussetzung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vorliege.

Beide Vorinstanzen befanden die Aufklärung des Klägers über die mit der ihm bevorstehenden Operation verbundenen Risken nach der konkreten Fallgestaltung sowohl inhaltlich ausreichend als auch rechtzeitig, um eine überlegte Entscheidung des Patienten über die Einwilligung zur Operation treffen zu können. Die Vorinstanzen verneinten damit eine Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht.

Der Kläger ficht das bestätigende Berufungsurteil wegen qualifiziert unrichtiger Lösung der entscheidungswesentlichen Frage nach der Autorenschaft und der Vollständigkeit sowie Rechtzeitigkeit der Belehrung über die Operationsrisken mit einem Abänderungsantrag im Sinne der Klagebegehren sowie einen hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die Beklagten streben die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Kläger wurde am Vorabend der Operation vom Oberarzt der Abteilung, dessen Primar den schwerwiegenden Eingriff vornehmen sollte, mit unmißverständlicher Deutlichkeit davon in Kenntnis gesetzt, daß das - in der Folge beim Kläger tatsächlich eingetretene - Operationsrisiko einer Lähmung der unteren Gliedmaßen bestehe. Er hat sich darüber fernmündlich mit seiner Ehefrau besprochen und dann entgegen deren Rat zur Vornahme der an ihm geplanten Operation entschieden.

Gerade über das Risiko, das sich dann schicksalhaft verwirklichte, wurde der Patient aus fachkundigem Mund in Kenntnis gesetzt. Ein für die Beurteilung der klagweise erhobenen Ansprüche erheblicher Mangel am Inhalt der ärztlichen Aufklärung oder an der Person des Unterrichtenden ist daher nicht erkennbar.

Der Patient hat die fachärztliche Mitteilung über die mit der bevorstehenden Operation verbundenen Risken zum Anlaß genommen, sich darüber mit seiner Ehefrau zu besprechen und hat sich dann ungeachtet deren Einwendungen für die Operation entschieden.

Der Schluß der Vorinstanzen, daß der Patient die ärztliche Mitteilung voll erfaßt und sie auch seinem Entschluß zur Operation zugrunde gelegt hat, ist logisch unbedenklich.

Die psychische Zwangslage, in der sich der Kläger befand, lag nicht im Zeitpunkt der ärztlichen Aufklärung begründet, sondern in dem dem Patienten jedenfalls im Grund bewußten eigenen Krankheitsbild, das objektiv nur eine Wahlentscheidung zwischen der Inkaufnahme der Operationsrisken und einem mehr oder weniger untätigen Erwarten des nach medizinischer Erfahrung praktisch unausweichlichen Kreislaufzusammenbruches offen ließ. Diese Wahlentscheidung konnte der Patient auch noch am Vorabend der angesetzten Operation treffen und hat sie auch getroffen.

Eine Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht haben die Vorinstanzen zu Recht nicht angenommen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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