OGH 1Ob566/94

OGH1Ob566/9422.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Verlassenschaft nach Johann ***** P*****, verstorben am *****, und 2. Verlassenschaft nach Abraham P*****, verstorben am *****, beide vertreten durch den Verlassenschaftskurator Mag. Richard Forster, Feldkirch, Neustadt 8, dieser vertreten durch Dr. Reinhold Nachbaur, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei Johann ***** B*****, vertreten durch Dr. Alexander Matt, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Feststellung (Streitwert S 112.500,- -), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 24. Februar 1994, GZ 2 R 30/94-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 24. November 1993, GZ 4 Cg 176/93-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit S 8.365,50 (darin enthalten S 1.394,25 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Grundbuch H***** sind der am ***** verstorbene Johann ***** P***** sowie der am ***** verstorbene Abraham P***** je zur Hälfte als Miteigentümer der Liegenschaft EZ *****, bestehend aus dem Grundstück Nr.***** im Ausmaß von 7503 m2, eingetragen. Es handelt sich bei der EZ ***** KG H***** um eine landwirtschaftlich durch jährlich einmalige Mahd nutzbare Streuwiese. Am 24.4.1991 wurde Mag.Richard Forster in den Verlassenschaftssachen nach Johann ***** und Abraham P***** zum Verlassenschaftskurator mit der Aufgabe bestellt, Erben auszuforschen sowie den Nachlaß zu verwalten und zu vertreten. Das Bemühen um Ausforschung von Erben blieb ergebnislos.

Mit der vorliegenden Klage begehren die Klägerinnen die Feststellung, daß die je Hälfteanteile des Johann ***** P***** und des Abraham P***** an der EZ ***** KG H***** nicht im Eigentum des Beklagten stehen, sondern Vermögen der Klägerinnen seien. Der Beklagte behaupte, aufgrund eines Kaufvertrags vom 25.11.1983 von Heinrich R***** die streitgegenständliche Liegenschaft erworben zu haben und Eigentümer zu sein; er könne aber keine lückenlose Reihe von Eigentumserwerben nachweisen. Ersitzung käme nicht in Betracht, weil die Nachlässe nach Johann ***** P***** und Abraham P***** bis zum 24.4.1991 unvertreten gewesen seien.

Der Beklagte wendete ein, mit Kaufvertrag vom 25.11.1983 die Liegenschaft von Heinrich R***** erworben zu haben. Letzterer habe die Liegenschaft mit Kaufbrief vom 24.2.1941 von der Erbengemeinschaft des am 3.4.1939 verstorbenen Johann ***** P*****-F***** erworben. Dieser sei ein direkter Nachfahre und Rechtsnachfolger des Abraham P***** gewesen. Der Beklagte sei rechtmäßiger und redlicher Alleinbesitzer. Heinrich R***** habe die Liegenschaft 43 Jahre lang ebenfalls rechtmäßig und redlich besessen. Das Einbringen einer Feststellungsklage sei unzulässig, weil die Klägerinnen eine Leistungsklage mit der Behauptung, die Liegenschaft werde vom Beklagten titellos benützt, einbringen könnten. Es mangle den Klägerinnen auch am rechtlichen Interesse, da die erblose Verlassenschaft vom Fiskus sogleich eingezogen werden könnte.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Beklagte habe nicht beweisen können, an der streitgegenständlichen Liegenschaft vom rechtmäßigen Voreigentümer rechtswirksam Eigentum erworben zu haben. Er sei zwar rechtmäßiger, redlicher und echter Besitzer, es lägen auch die zeitlichen Voraussetzungen für eine Ersitzung seitens des Beklagten vor, doch scheitere diese an der Bestimmung es § 1494 ABGB, welche auch auf den ruhenden, nicht vertretenen Nachlaß anzuwenden sei. Zur Vermeidung des Eintritts der Verjährung nach Ablauf der in § 1494 ABGB normierten Frist bestehe ein rechtliches Interesse der Klägerinnen an der begehrten Feststellung. Die Liegenschaft könne vom Fiskus nicht „eingezogen“ werden, da vorerst zu klären sei, ob sie überhaupt den ruhenden Verlassenschaften zustehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen, insbesondere daß eine Weitergabe der streitgegenständlichen Liegenschaft im Erbwege nie erfolgt sei. Der Beklagte habe aber auch durch Ersitzung Eigentum nicht erworben, weil § 1494 ABGB analog auf den unvertretenen Nachlaß anzuwenden sei. Die Ersitzungs- oder Verjährungszeit könne nie früher als binnen zwei Jahren nach Behebung des Hindernisses des mangelnden gesetzlichen Vertreters vollendet werden. Zwischen der Bestellung des Verlassenschaftskurators (24.4.1991) und der Klagseinbringung (20.4.1993) lägen weniger als zwei Jahre. Das rechtliche Interesse der Klägerinnen an der Feststellung des Eigentumsrechtes sei zu bejahen, weil die Rechtslage der Klägerinnen durch den Besitz des Beklagten bzw. seine Behauptungen, er habe das Eigentum vertraglich oder im Wege der Ersitzung erworben, ernstlich gefährdet sei.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil lediglich eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, die die analoge Anwendung des § 1494 ABGB auf den unvertretenen ruhenden Nachlaß bejahe, unter Ablehnung der älteren Judikatur vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Richtig ist, daß eine Feststellungsklage nur zulässig ist, wenn ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Die Möglichkeit einer Leistungsklage schließt die Feststellungsklage aus, sofern durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch ausgeschöpft wird. Nach der Rechtsprechung ist ein Interesse an einer Feststellungsklage schon dann gegeben, wenn durch die Klarstellung der Rechtsverhältnisse künftige Streitigkeiten vermieden werden können. Nun hat sich der Beklagte eindeutig und ernstlich seines Eigentums an der streitgegenständlichen Liegenschaft berühmt und sich insbesondere auf deren Ankauf bzw. Ersitzung berufen. Die Rechtsposition der Klägerinnen, die ebenfalls Eigentum an der Liegenschaft in Anspruch nehmen, ist damit ernstlich gefährdet. Infolge des Verhaltens des Beklagten besteht eine erhebliche objektive Unklarheit über den Bestand des Rechtes, die durch die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils beseitigt werden kann. Durch die begehrte Feststellung des Eigentumsrechtes wird das strittige Rechtsverhältnis geklärt und solcherart der für beide Teile nachteilige Schwebezustand beendet. Die Klärung der Eigentumsverhältnisse ist auf keinem anderen Weg als dem der Feststellungsklage rechtlich möglich, denn jedes der vom Beklagten beispielsweise in seiner Berufung aufgezeigten Leistungsbegehren (siehe S. 4 der Berufung = AS 92) würde nicht die Eigentumsverhältnisse an der Liegenschaft EZ ***** KG H***** klären. Würde der Beklagte zur Unterlassung der Bewirtschaftung oder zur Räumung und Übergabe der Liegenschaft verurteilt werden, hätte dies nicht die Bedeutung, daß über die Eigentumsverhältnisse bindend abgesprochen wäre.

Das nach § 228 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Eigentumsrechtes der Klägerinnen ist sohin anzuerkennen (SZ 63/51; 8 Ob 550/92; 4 Ob 504/93; 1 Ob 518/92; 1 Ob 16/93; 6 Ob 626/92; 8 Ob 612/90 uva).

Der Beklagte hat bücherliches Eigentum an der streitgegenständlichen Liegenschaft nicht erworben. In der Revision ist nunmehr unstrittig, daß dem Beklagten der Nachweis der Rechtsnachfolge nach Johann ***** und Abraham P***** - sei es im Kauf- oder Erbweg - nicht gelungen ist. Strittig ist nur mehr, ob der Beklagte im Wege der Ersitzung Eigentum an der EZ ***** KG H***** erworben hat. Dies ist aber in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht der Vorinstanzen zu verneinen.

Nach § 1494 ABGB kann gegen solche Personen, welche aus Mangel ihrer Geisteskräfte ihre Rechte selbst zu verwalten unfähig sind, wie gegen Pupillen, Wahn- oder Blödsinnige, die Ersitzungs- oder Verjährungszeit, sofern diesen Personen keine gesetzlichen Vertreter bestellt sind, nicht anfangen. Die einmal angefangene Ersitzungs- oder Verjährungszeit läuft zwar fort; sie kann aber nie früher als binnen zwei Jahren nach den behobenen Hindernissen vollendet werden.

Die ältere Rechtsprechung hat die Anwendung des § 1494 ABGB auf erblose Verlassenschaften abgelehnt. Dies geschah mit der Begründung, daß es sich bei der zitierten Gesetzesstelle um eine Ausnahmevorschrift handle, die als solche streng auszulegen sei. Es können aber auch Ausnahmegesetze ausdehnend ausgelegt und analog angewendet werden. In der Entscheidung SZ 62/143 ist der Oberste Gerichtshof in der Frage der analogen Anwendung des § 1494 ABGB auf den erblosen Nachlaß von seiner ursprünglichen Judikatur abgegangen (Schubert in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 1494). Ratio der Ausnahmeregel des § 1494 ABGB sei es, den handlungsunfähigen Gläubiger vor der Gefahr eines Rechtsverlustes durch Verjährung zu schützen; dies treffe auch auf den unvertretenen Nachlaß zu. Nach der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertung müsse angenommen werden, daß der geregelte (handlungsunfähiger Gläubiger) und der ungeregelte Fall (unvertretener Nachlaß) in den maßgeblichen Voraussetzungen des Tatbestandes übereinstimmen, sodaß die vom Gesetzgeber an den geregelten Tatbestand geknüpfte Rechtsfolge auch beim ungeregelten Tatbestand eintreten solle. Die analoge Anwendung des § 1494 ABGB auf den unvertretenen Nachlaß sei daher geboten.

Der erkennende Senat schließt sich der in SZ 62/143 vertretenen Ansicht an. Die Ausführungen in der Revision sind nicht geeignet, diese Rechtsansicht zu erschüttern. Wenn der Revisionswerber meint, es handle sich im vorliegenden Fall um eine „besondere Härte“ für den Beklagten, so ist ihm entgegenzuhalten, daß er es verabsäumt hat, sich über die Eigentumsverhältnisse durch Einsichtnahme in das Grundbuch zu informieren, und daß auch die Interessenlage des ruhenden Nachlasses (ebenso wie bei einem Handlungsunfähigen) in der Zeit zwischen dem Tod des Erblassers und der Bestellung eines Nachlaßkurators bzw. der Betrauung des Erben mit der Verwaltung zu berücksichtigen ist. Wie der Oberste Gerichtshof schon in SZ 62/143 ausgeführt hat, verfolgt die Rechtsordnung mit der Verjährung mehrere Zwecke. Es soll dadurch die allgemeine Rechtssicherheit gefördert werden, ein Zustand, der lange Zeit unangefochten bestanden hat, soll von der Rechtsordnung anerkannt werden. Die Verjährung soll weiters allzu großen Beweisschwierigkeiten und damit umständlichen Prozessen vorbeugen. Schließlich kann man in der Verjährung ein erzieherisches Druckmittel zur Vermeidung von Nachlässigkeiten in der Rechtsausübung sehen. Wenn Eypeltauer zu JBl 1990, 177 = SZ 62/143 ausführt, das Ziel der Verjährung sei der Schutz des Schuldners, insbesondere vor Beweisschwierigkeiten, so nennt er eben nur eines dieser Ziele. Bejaht man die Schutzwürdigkeit des unvertretenen Nachlasses, dann ist - wie auch Eypeltauer erkennt (JBl. 1990, 118) - die im § 1494 ABGB normierte Ablaufhemmung zu berücksichtigen und darauf zurückzugreifen. Es ist dann aber nicht nachzuvollziehen, warum entgegen der im § 1494 ABGB normierten zweijährigen Frist die sechsmonatige Frist gemäß §§ 933, 1097 ABGB Anwendung finden sollte.

Die Prüfung der Frage, ob die Ersitzungszeit gemäß § 1494 erster Satz ABGB überhaupt begonnen hat, kann unterbleiben. Die Klage ist nämlich innerhalb der im § 1494 letzter Halbsatz ABGB genannten Frist von zwei Jahren nach der Bestellung des Verlassenschaftskurators erhoben worden, was zum Ergebnis führt, daß der Beklagte das Eigentumsrecht an der streitgegenständlichen Liegenschaft keinesfalls ersessen hat.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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