Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Ibrahim A***** wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1.) sowie des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB
(2.) schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.
Darnach hat er am 13.Oktober 1993 in S***** dadurch, daß er seine siebenjährige Enkeltochter Edina A***** entkleidete, auf eine Matratze legte, seinen eigenen Geschlechtsteil entblößte und sodann das Mädchen im Genitalbereich betastete und gleichzeitig onanierte,
(zu 1.) eine unmündige Person auf eine andere Weise als durch Beischlaf und
(zu 2.) eine seiner Aufsicht unterstellte minderjährige Person
zur Unzucht mißbraucht.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Bereits der Verfahrensrüge (Z 4), mit der der Beschwerdeführer die Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte durch die Ablehnung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Einholung eines jugendpsychologischen Gutachtens geltend macht, kommt Berechtigung zu.
Der Antrag zielte darauf ab, nachzuweisen, daß die nur vor Kriminalbeamten getätigte Aussage des Mädchens durch Angst vor der Polizei sowie durch Scham über das ihm (nach Darstellung des Angeklagten) widerfahrene Ungemach (Kotverschmutzung der Unterhose zur Tatzeit) motiviert gewesen sei.
Angesichts dessen, daß der bereits 75jährige, bislang unbescholtene Angeklagte die ihm angelastete Tathandlung stets gleichlautend in Abrede gestellt hat, seine siebenjährige Enkelin nur vor der Polizei, jedoch, zufolge vom Untersuchungsrichter angenommener Entschlagung (ON 9), weder von diesem noch vom erkennenden Gericht, vor das sie zwar geladen (s. Antrags- und Verfügungsbogen, S 3 b verso), dann aber nicht einmal aufgerufen worden war (ON 20), vernommen wurde, die Tatrichter daher überhaupt keinen persönlichen Eindruck von diesem Kind hatten, wäre das Schöffengericht verhalten gewesen, alle ihm angebotenen Beweise, die der Klärung des Sachverhaltes dienen, heranzuziehen. Der Hinweis des Erstgerichtes in der Begründung der Abweisung des Beweisantrages, daß auf Grund der Aussage eines Zeugen und des "in Zivil befindlichen" Beamten über die ihm gegenüber getätigten Angaben des Mädchens eine weitere Aufklärung des Geisteszustandes des Mädchens nicht notwendig sei, geht ins Leere, weil der Antrag nicht den Geisteszustand des Mädchens als solchen, sondern eine die Aussageehrlichkeit (angeblich) beeinflussende konkrete Situation zum Inhalt hatte, wozu die Zeugen nichts beizutragen vermochten.
Zur richtigen Auswertung der Angaben des Tatopfers vor der Polizei ist aber ein Sachverständiger (mit Zustimmung der Zeugin bzw ihres gesetzlichen Vertreters zu einer Untersuchung) jedenfalls dann beizuziehen, wenn diese von Fachkenntnissen abhängt, deren Vorliegen bei den Tatrichtern, denen im vorliegenden Fall sogar die Möglichkeit fehlte, sich einen persönlichen Eindruck von der Zeugin zu verschaffen und sie mit den behaupteten Vorbehalten zu konfrontieren, nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann (EvBl 1966/530).
Das angefochtene Urteil war daher bereits wegen Vorliegens des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 4 StPO bei einer nichtöffentlichen Beratung aufzuheben (§ 285 e StPO) und die Neudurchführung der Verhandlung anzuordnen.
Im zweiten Rechtsgang werden auch die zum Teil geänderten Bestimmungen der §§ 152 und 252 StPO zu beachten sein.
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