OGH 14Os68/94

OGH14Os68/9421.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Juni 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Würzburger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Raymond R***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 16.Februar 1994, GZ 20 z Vr 4.002/93-108, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kodek, und des Verteidigers Dr.Mayer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 18.Oktober 1946 geborene Raymond R***** auf Grund des einstimmigen Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 26.März 1993 in Wien nachgenannte Personen durch Abgabe gezielter Schüsse aus einer Pistole vorsätzlich getötet hat, und zwar

1. seine Ehegattin Anna R***** durch fünf Schüsse, insbesondere in den Schädel und in den Bauch

2. Helga K***** durch zwei Schüsse in den Bauch.

Die Geschworenen hatten die auf Mord gerichteten Hauptfragen A und B bejaht und folgerichtig die dazu gestellten Eventualfragen 1 und 2 nach Totschlag (§ 76 StGB) sowie die zur Hauptfrage B gestellte Eventualfrage 3 nach fahrlässiger Tötung der Helga K***** unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81 Z 1 StGB) unbeantwortet gelassen.

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO sowie mit Berufung.

Hinsichtlich des Schuldspruches wegen Mordes an Helga K***** (2.) hält er den erstgenannten Nichtigkeitsgrund (Z 6) durch Unterbleiben von weiteren Eventualfragen nach absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge (§ 87 Abs 1 und 2 StGB) und Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83 Abs 1, 86 StGB) für verwirklicht. Diese Rüge geht jedoch deshalb fehl, weil die Stellung von Eventualfragen nach § 314 StPO voraussetzt, daß in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht werden, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte. Weder in seiner Verantwortung, in der er die bewußte Abgabe von Schüssen auf Helga K***** überhaupt bestritten hat, noch sonst in den Beweisergebnissen der Hauptverhandlung sind jedoch Hinweise dafür hervorgekommen, daß seine Absicht oder sein Vorsatz bloß auf eine Verletzung gerichtet gewesen wäre. Den vom Beschwerdeführer angeführten Umständen, wonach es möglich sei, daß Helga K***** zufällig in die Schußrichtung geraten war, wurde durch die gestellte Eventualfrage 3 nach fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen ohnedies Rechnung getragen. Durch die Unterlassung weiterer Eventualfragen wurden die Vorschriften über die Fragestellung daher nicht verletzt.

Auch die vom Rechtsmittelwerber im Zusammenhang mit beiden Fällen vorsätzlicher Tötung vermißten Zusatzfragen nach dem Schuldausschließungsgrund des § 11 StGB waren nicht indiziert, weil einer der dort beschriebenen Zustände nach den Gutachten der Sachverständigen Dr.Q***** und Dr.P***** nicht vorlag und vom Angeklagten auch gar nicht behauptet wurde. Der von ihm in der Hauptverhandlung beschriebene Erregungszustand bei der Tat, der nach den - vorsorglich eingeholten - Sachverständigengutachten von der Qualität einer heftigen Gemütsbewegung sein konnte, wurde durch die Stellung von Eventualfragen nach Begehung beider Taten in einem Zustand allgemein begreiflicher heftiger Gemütsbewegung im Sinn des § 76 StGB ohnedies berücksichtigt. Mit der Erklärung, nicht mehr gewußt zu haben, was er tat, brachte der Angeklagte aber nur einen Affektsturm zum Ausdruck, wie er eben einer heftigen Gemütsbewegung entspricht. Konkrete Hinweise auf einen generellen Ausschluß der Zurechnungsfähigkeit ergeben sich daraus jedoch nicht, sodaß der behauptete Nichtigkeitsgrund auch insofern nicht vorliegt.

Der Instruktionsrüge (Z 8) zuwider ist die Rechtsbelehrung zur allgemeinen Begreiflichkeit der heftigen Gemütsbewegung, es müsse sich auch ein Durchschnittsmensch vorstellen können, unter den gegebenen Umständen des Einzelfalles in eine solche Gemütsverfassung zu geraten, ohne daß darüberhinaus noch ausdrücklich erklärt wurde, daß es auf die Begreiflichkeit der Tat nicht ankommt, nicht in einer Weise unvollständig, daß hiedurch die Geschworenen über den anzulegenden objektiv-normativen Maßstab und darüber irregeleitet werden konnten, daß ein allgemeines Verständnis für die Tat nicht erforderlich ist. Daß aber bei der Beurteilung der allgemeinen Begreiflichkeit der heftigen Gemütsbewegung vom konkreten Fall mit seinen Besonderheiten (nur unter Ausklammerung des Täterscharakters) auszugehen ist, ergibt sich eindeutig aus der klaren und daher gerade für die Laien durchaus verständlichen Diktion der Rechtsbelehrung.

Zu Unrecht rügt der Beschwerdeführer auch, daß die Belehrung über die allgemein begreifliche Gemütsbewegung nicht schon zur Hauptfrage nach Mord gegeben wurde. Für den Mord stellte sie nämlich kein Tatbestandsmerkmal dar und war daher dort nicht zu erläutern. Im übrigen wurde der Unterschied zwischen den Tatbeständen der Hauptfragen einerseits und der Eventualfragen 1 und 2 andererseits bei der Erklärung des Totschlages klar herausgestellt. Da die Rechtsbelehrung von den Geschworenen als Ganzes zur Kenntnis zu nehmen und daher als eine Einheit zu betrachten ist (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 50 zu § 345 Z 8), genügte diese Belehrung über Abgrenzung von Mord und Totschlag.

Unbegründet ist schließlich auch die Kritik an der Rechtsbelehrung zur Eventualfrage 3 (Vergehen nach § 81 Z 1 StGB), weil die Instruktion rechtlich einwandfrei das Kriterium hoher Unfallwahrscheinlichkeit an Hand eines zutreffenden Beispiels erläutert. Eine weitere Verdeutlichung war nicht geboten.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB (ersichtlich unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB) zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Dabei wertete es die Ermordung zweier Personen, die mehrfache Schußabgabe auf die bereits zusammengebrochene Ehegattin und die Tötung einer völlig unbeteiligten, ihm unbekannten Frau, welche sich in die Auseinandersetzung zwischen ihm und seiner Gattin eingemengt hatte, als erschwerend; als mildernd berücksichtigte es das Tatsachengeständnis.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine zeitliche Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Mit seinen fast ausschließlich auf einen psychischen Ausnahmezustand zur Tatzeit abstellenden Ausführungen verkennt der Berufungswerber, daß nur eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung einen besonderen Milderungsgrund bewirkt (§ 34 Z 8 StGB), die Geschworenen aber eine solche verneint haben. Im übrigen hat der Angeklagte das Scheitern seiner Ehe durch sein jahrelanges ehewidriges Verhalten weitgehend selbst zu verantworten, weshalb er einen mit dem Scheidungsentschluß seiner Ehefrau begründeten Affekt nicht als schuldmindernd ins Treffen führen kann. Auch sonst vermag der Angeklagte nichts vorzubringen, was den ihn treffenden schweren Schuldvorwurf (§ 32 StGB) entlasten könnte. Die Verhängung einer (bloß) zeitlichen Freiheitsstrafe kam im vorliegenden Fall nicht in Betracht.

Auch der Berufung war sohin ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

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