OGH 13Os4/94

OGH13Os4/9421.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Juni 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Mayrhofer, Dr. Ebner und Dr. Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Czedik‑Eysenberg als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gottfried K* wegen der Verbrechen nach §§ 3 a Z 2 und 3 g VG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 29. September 1993,  GZ 20 w Vr 6643/89‑171, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0130OS00004.9400000.0621.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

I Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschworenen zu den Hauptfragen I, II/1‑2, II/5 sowie das darauf beruhende Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen der Verbrechen nach § 3 a Z 2 VG (I des Urteilssatzes) und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

II Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

III Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

IV Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

 

Mit dem bekämpften Urteil (das auch unangefochten gebliebene Freisprüche enthält) wurde Gottfried K* auf Grund des einhelligen Wahrspruches der Geschworenen der Verbrechen nach § 3 a Z 2 VG (I) und § 3 g VG (II) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien und anderen Orten Österreichs

(zu I)

1. im Jahre 1986 eine Verbindung, nämlich die Volkstreue Außerparlamentarische Opposition (VAPO), deren Zweck es ist, durch Betätigung ihrer Mitglieder im nationalsozialistischen Sinn die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Österreich zu untergraben, gegründet;

2. sich danach in dieser Verbindung führend betätigt, indem er als Bereichsleiter der VAPO

a) sogenannte Gaubeauftragte einsetzte, zumindest jedoch diese bestätigte, die für die Errichtung einzelner Kameradschaften zu sorgen hatten, wodurch er schließlich die Gründung von Kameradschaften in Wien, Langenlois, Krems, St.Pölten, Eichgraben, Wiener Neustadt, Salzburg und Gmunden und damit die Anwerbung zahlreicher Mitglieder erreichen konnte;

b) Versammlungen von Gauleitern, sogenannte "Führerthinge", leitete und organisierte, monatliche Gauappelle sowie ideologische Schulungen einzelner Mitglieder anordnete bzw organisierte und für die Ausarbeitung und Bereitstellung von Propagandamaterial mit nationalsozialistischem Inhalt sorgte, das die einzelnen Kameradschaften für Flugblatt‑ und Plakatieraktionen verwendeten;

c) am 30.November oder 1.Dezember 1991 in Langenlois ein Interview für den deutschen Sender "Tele 5" gab, welches am 8.Dezember 1991 ausgestrahlt wurde und auch in Österreich empfangen werden konnte, in dem er erklärte, daß das Ziel der von ihm geleiteten Bewegungen eine Zulassung der NSDAP als Wahlpartei und damit ein Antreten zu Wahlen und eine Teilnahme an machtpolitischen Situationen sei;

(zu II.) sich dadurch auf andere als die in den §§ 3 a bis 3 f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, daß er

1. in in Österreich aufgenommenen Fernsehinterviews, die in den USA ausgestrahlt und auch in Österreich empfangen werden konnten,

a) in einer Sendung des Senders ABC‑News‑Nightline Nr. 2757 vom 17.Dezember 1991 zum Thema "Neo‑Nazis in Deutschland" äußerte: "Adolf Hitler war einer der größten Männer in der Geschichte Deutschlands, besonders in der Geschichte des 20.Jahrhunderts ... er verlor und mit ihm verlor ganz Deutschland den Zweiten Weltkrieg, aber die Ideologie war sehr gut und es war eine äußerst nationale Ideologie und ich denke, daß sie für die ganze Welt gut ist ... er gab der deutschen Nation einen neuen Aufstieg, und er gab ihr die Mehrheit in ihrem eigenen Land, und das ist für ihre eigene Identität sehr notwendig ... (und auf die Frage des Journalisten Ted Koppel: "Herr K*, Sie sind sicherlich nicht der Meinung, daß der Holocaust überhaupt nicht stattgefunden hat. Es handelt sich nur um die Anzahl der Opfer ‑ oder behaupten Sie wirklich, daß das, was hunderte, ja tausende amerikanische Soldaten als Zeugen sahen, als sie nach dem Zweiten Weltkrieg in die Konzentrationslager kamen, eine Einbildung gewesen sein soll"). Nein, die Konzentrationslager hat es gegeben, aber es hat dort niemals ein organisiertes Töten oder organisiertes Vergasen gegeben" (in englischer Sprache);

b) in der Sendung des Senders ABC‑News‑Primetime vom 2.Jänner 1992 über die neue Nazi‑Bewegung in Deutschland: auf die Frage des Journalisten Chris Wallace äußerte: ("Sie erschrecken nicht, wenn Sie ein Nazi genannt werden, oder?") ... Nein ... (und Herr K*, sind Sie ein Rassist?) Selbstverständlich bin ich das, ja ... (sie schrecken nicht davor zurück, ein Nazi genannt zu werden, nicht wahr?) Nein (Sie sind stolz darauf?) Ich bin stolz darauf, selbstverständlich. Ja ... (Möchten Sie einen anderen Holocaust erleben?) Ich glaube nicht an den ersten ... (Sie glauben nicht, daß es eine organisierte Ausrottung der Juden gab?) Nein. Selbstverständlich nicht. Ich glaube das nicht, (Da war kein Vergasen?) Nein (Da wurden keine Juden in Öfen geschoben?) Nein ... (und angesprochen auf die Publikationen des Leiters der NSDAP‑AO Gary L* in den USA, wie etwa "Kauf nicht bei Juden, Ausländer raus, Hitler hatte recht, Bekämpft die Judenpartei" sowie eine "Nazizeitung", die in tausenden von Kopien nach Deutschland geschmuggelt würde) ... die Existenz einer nationalsozialistischen Presse ist sehr wichtig für eine Partei, vor allem für eine Partei, die nicht legal ist (in englischer Sprache);

c) in der Sendung "60 Minutes" des Senders CBS‑News, die am 26.April 1992 ausgestrahlt wurde, äußerte: (auf die Frage eines Journalisten, ob er glaube, daß es Auschwitz gab) ... "Natürlich gab es Auschwitz, aber es gab kein organisiertes Morden ... keine Gaskammern ... keine Todeslager, nein";

2. am 21.November 1990 in der Sendung "Zick Zack" des ORF‑Hörfunk, Ö 3, im Zuge eines Berichtes über den Aufmarsch der VAPO‑Aktivisten in St.Pölten äußerte: "Sie waren in Mauthausen? Können Sie sich an die Türe erinnern am Eingang zur sogenannten Gaskammer? ... Ich zeige Ihnen dieselbe Tür zweimal. Einmal in der Badeanstalt des ehemaligen E‑Traktes des Untersuchungshauses in Wien. Genau die gleiche Tür, und eine zweite Tür ist zufälligerweise in meiner Wohnung ‑ im 18.Bezirk, in dem Haus befindet sich kein Luftschutzkeller, sondern ein Schutzkeller, der ist also absolut nicht gasdicht oder was, der hat die gleiche Tür drinnen. ... diese Tür ist sicherlich zu allem dienlich nur net zum Abhalten von Giftgas", ... sowie "Das war ein ganz normales Konzentrationslager, wie es mehrere gegeben hat, ... Arbeitslager, kein Sanatorium, keine Frage ..." und "... (auf die Frage der Sprecherin: Gottfried K* politische Standortbestimmung?): Also wir sind ganz bewußt nicht rechts und nicht links, ah, Nationalsozialist ...";

3. in der Fernsehsendung "Klartext" vom 8.Dezember 1990 auf Befragen durch einen Reporter äußerte: "Hitler war der größte deutsche Politiker seit Bismarck" ... und (auf das Stichwort "Österreich"): "Österreich ist ein Teil Deutschlands".

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft die Schuldsprüche mit einer formell auf die Gründe der Z 3, 5, 6, 8, 10 a und 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Die erfolgreiche Geltendmachung des Verfahrensmangels (nominell Z 3 und 5, der Sache jedoch ausschließlich Z 5), den der Angeklagte in der gegen seinen Widerspruch erfolgten Vorführung von Video‑ und Tonbändern erblickt, scheitert bereits am Mangel formaler Voraussetzungen. Denn nicht schon ein Widerspruch gegen eine Beweisaufnahme macht diese nichtig, sondern nur ein gegen den Widerspruch des Angeklagten gefälltes Zwischenerkenntnis (des Schwurgerichtshofes), bei dem Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet worden sind. Ein Zwischenerkenntnis des Schwurgerichtshofes über die relevierte Vorführung von Medien wurde aber in der (gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten) Hauptverhandlung vom 27. bis 29.September 1993 gar nicht gefällt und auch nicht beantragt. Damit, daß der Angeklagte gegen die prozeßleitende Verfügung des Vorsitzenden (vom 27.September), namentlich genannte Bänder am folgenden Verhandlungstag vorzuführen, schlicht vorbrachte: "Ich halte meinen Einspruch aufrecht" (V/499, 501), ohne dessen Inhalt kundzutun, hat er nämlich eine Beschlußfassung des Schwurgerichtshofes nicht begehrt (vgl Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 345 Z 5 ENr 1; § 281 Z 4 ENr 4 und 6). Im übrigen wird durch eine (sogar beschlußmäßig gedeckte) Aufnahme eines an sich gesetzlich zulässigen Beweises, nur weil diese gegen den Widerspruch einer Partei erfolgte, der in Rede stehende Nichtigkeitsgrund grundsätzlich nicht hergestellt (Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 345 Z 5 ENr 26). Eine Verletzung der Grundsätze eines fairen Verfahrens fand aber im vorliegenden Fall umsoweniger statt, als nicht der in der Beschwerde kritisierte Gesamteindruck der Sendungen zur Diskussion stand, sondern lediglich die darin dokumentierten Äußerungen des Angeklagten, deren Authentizität nie in Zweifel gezogen wurde. Inwieweit aber (gesendete) Ausschnitte aus einem längerdauernden Interwiev als Beweis dienen können, was der Angeklagte im Sinne einer unzulässigen Beweisregel generell bestreitet, hatten allein die Geschworenen zu entscheiden.

Soweit der Beschwerdeführer das Unterbleiben der Verlesung der dem Gericht vorliegenden deutschsprachigen Übersetzungen der englischen Video‑ und Interwievtexte (ON 51, sub ON 8 bzw ON 80 und ON 47) moniert, zeigt er keine mit Nichtigkeit bedrohte Vorgangsweise auf, weil selbst eine Verletzung der Vorschrift des § 252 Abs 2 StPO, die der Beschwerdeführer ersichtlich im Auge hat, keine Nichtigkeit begründet.

Der der Sache nach reklamierte Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 4 StPO liegt daher ebenfalls nicht vor.

Die gegen die Fragestellung gerichtete Verfahrensrüge (Z 6), mit der der Nichtigkeitswerber die Unterlassung der ‑ von ihm in erster Instanz nicht beantragten ‑ Stellung einer Eventualfrage nach § 246 StGB zu den Hauptfragen I, II 1 und II 2 (= I 1, I 2 a und I 2 b des Schuldspruches) moniert, bedarf schon deshalb keiner sachlichen Erledigung, weil der davon betroffene Schuldspruch nach § 3 a Z 2 VG bereits aus einem anderen Grund mit Nichtigkeit behaftet ist.

Denn die Beschwerde ist insofern berechtigt, als sie eine einer Unrichtigkeit gleichkommende Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung zu § 3 a Z 2 VG behauptet. Die Rechtsbelehrung erschöpft sich diesbezüglich nämlich zur Gänze in einer bloßen Wiedergabe des Gesetzestextes (Rechtsbelehrung B./5). Damit entspräche sie dem Gesetz (§ 321 Abs 2 StPO) allenfalls dann, wenn auf Grund der Allgemeinverständlichkeit aller gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf die die Frage gerichtet ist, sowie der darin vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes eine weitere Erläuterung entbehrlich wäre. Dies gilt jedoch grundsätzlich nur für deskriptive, dem allgemeinen Sprachgebrauch entnommene und daher jedermann verständliche Begriffe, während normative Tatmerkmale, also eigentliche Rechtsbegriffe und solche, die eine Wertausfüllung erfordern, regelmäßig einer besonderen Explikation bedürfen. Unterbleibt diese, dann ist die darin gelegene Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung einer ‑ Nichtigkeit begründenden ‑ Unrichtigkeit gleichzusetzen.

Im vorliegenden Fall hätte es, wie der Beschwerde zuzugeben ist, bereits einer Erklärung des in § 3 a Z 2 VG enthaltenen gesetzlichen Merkmals der "Verbindung" bedurft. Dessen rechtsbegrifflicher Inhalt deckt sich jedoch keineswegs mit der nach allgemeiner Vorstellung ihm zugeordneten Bedeutung (vgl Leukauf‑Steininger Komm3 § 246 RN 5 und die dort umfassend angeführten Literatur‑ und Judikaturzitate, vgl auch Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 321 ENr 7). Gegen die Übernahme dieser Auslegungshilfen unter Berücksichtigung des im § 3 a Z 2 VG geforderten Zweckes der Verbindung hätte kein Einwand bestanden. Dies unterblieb jedoch.

Die Wortfolge "im nationalsozialistischen Sinn", dessen Erläuterung die Beschwerde an sich ebenfalls zutreffend in der Rechtsbelehrung zu § 3 a Z 2 VG vermißt, ist tatsächlich nur in der zu § 3 g VG getrennt abgefaßten Rechtsbelehrung besprochen. Eine Zusammenfassung der diesbezüglich gleichartigen Rechtsbelehrung zu beiden Fragenkomplexen wäre statthaft gewesen (Mayerhofer‑Rieder3 § 321 StPO ENr 5), ist aber unterblieben.

Aber auch die dem Staats‑ und Völkerrecht zuzuordnenden Begriffe der Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Republik Österreich hätten ebenso wie die Beschreibung der Tathandlung "untergraben" der Darlegung ihres Bedeutungsinhaltes bedurft, geht doch aus keinem dieser Begriffe jene Bedeutung, die ihnen nach § 3 a Z 2 VG zukommt, schon allein aus dem Wortsinn unmißverständlich hervor.

Die in § 3 a Z 2 VG geschützten Rechtsgüter der Unabhängigkeit und Selbstständigkeit der Republik Österreich entsprechen insgesamt dem Begriff der Souveränität, die nach herrschender Ansicht als völkerrechtliche und als innerstaatliche Souveränität ausgeprägt ist. Bedeutet letztere, daß ein Staat für seine Angehörigen und auf seinem Gebiet der höchste Herrschaftsverband ist, gegen dessen Anordnungen und Entscheidungen an keine höhere Stelle appelliert werden kann, so liegt die Bedeutung der völkerrechtlichen Souveränität in der Tatsache, daß der souveräne Staat keinem anderen Staat untergeordnet, in diesem Sinne also unabhängig ist (Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3 S 29 f).

Angesichts der verschiedenartigen Integrationsbestrebungen von Staaten (im Sinne der Einrichtung von supranationalen Staatenverbindungen bzw der Bildung internationaler Organisationen) ist zu beachten, daß ein Staat auch dann souverän bleibt, wenn er durch Völkerrechtsvertrag einen Teil seiner Hoheitsgewalt auf supranationale Organe übertragen hat, sofern er nach Völkerrechtsgrundsätzen oder aber auch auf Grund des Vertrages selbst aus diesem wieder austreten kann (Koja, Allgemeine Staatslehre, S 42, Verdross/Simma aaO S 31).

Souverän (und damit unabhängig und selbständig) ist ein Staat somit dann, wenn er ausschließlich und allein dem Völkerrecht untersteht, volle Völkerrechtssubjektivität genießt und über das Schwergericht der politischen Entscheidungsgewalt verfügt (Bindschedler in FS Guggenheim S 174, Koja aaO S 43).

Diese (äußere und innere) Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Republik Österreich untergräbt, wer es darauf anlegt, die völkerrechtliche Souveränität oder die innerstaatliche, auf der Verfassung beruhende Rechtsordnung der Republik Österreich zu beseitigen oder sonst in ihrem Bestand zu gefährden.

Das gänzliche Unterbleiben einer Rechtsbelehrung über die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf die die Hauptfragen I und II gerichtet waren, begründet deren einer Unrichtigkeit gleichkommende Unvollständigkeit (Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 345 Abs 1 Z 8, ENr 66) und damit die (allerdings nicht die Hauptfragen II 3 und 4 und damit den Freispruch betreffende) vom Angeklagten insoweit zutreffend geltend gemachte Nichtigkeit.

Da sohin die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber nicht einzutreten hat, war der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten im aufgezeigten Umfang gemäß §§ 285 e, 344, 349 Abs 2 StPO Folge zu geben und insoweit der Wahrspruch der Geschworenen zu den Hauptfragen I, II 1, II 2 und II 5 und das darauf beruhende Urteil zu den Schuldsprüchen I 1, II 2 a‑c und demgemäß auch der Strafausspruch aufzuheben und Verfahrenserneuerung anzuordnen.

Im erneuerten Verfahren wird aber auch auf eine dem Gesetz entsprechende Fragestellung Bedacht zu nehmen sein.

Nach § 312 StPO muß die Hauptfrage nicht nur den in der Anklage angeführten gesetzlichen Tatbestand, sondern auch die dort näher bezeichneten Umstände zur deutlichen Umschreibung der unter Anklage stehenden Tat zum Ausdruck bringen. Der Zweck dieser Vorschrift erschöpft sich nicht bloß in der Vermeidung einer Doppelverurteilung (in Wahrung des Grundsatzes "ne bis in idem") durch die gebotene Individualisierung der Tat, es bedarf darüber hinaus auch einer ‑ wenngleich nicht bis zur Spezialisierung reichenden ‑ näheren Konkretisierung: neben den abstrakten Tatbestands‑ und Qualifikationsmerkmalen sind jeweils auch jene konkreten Tatsachen in die Frage aufzunehmen, die diese Merkmale im Einzelfall verwirklichen (SSt 55/82, 12 Os 53,54/92), um hiedurch eine Überprüfung der von den Geschworenen vorgenommenen Subsumtion zu ermöglichen (E.Steininger, Handbuch der Nichtigkeitsgründe im Strafverfahren, S 139 RN 13‑15; 9 Os 132/85).

Dazu zählen Hinweise tatsächlicher Art wie sie etwa zur Hauptfrage II angeführt wurden, aus denen der tatbestandswesentliche Verbindungszweck ableitbar und nachvollziehbar ist.

Mit seiner Tatsachenrüge (Z 10 a) sowie mit seiner Rechtsrüge (Z 11 lit a), soweit diese sich gegen den Schuldspruch I und den zugrundeliegenden Wahrspruch richtet, ist der Beschwerdeführer auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Im übrigen aber entbehrt die weiters gegen den Schuldspruch (II) nach § 3 g VG und den zugrundeliegenden Wahrspruch erhobene Nichtigkeitsbeschwerde (Z 8 und Z 11 lit a) einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Denn den erstgenannten Nichtigkeitsgrund führt die Beschwerde nicht dahin aus, daß (auch) die schriftliche Rechtsbelehrung zu § 3 g VG Fehler aufweise. Der Beschwerdeführer beschränkt sich jeweils nur auf Überlegungen, "inwiefern" die dem Beschuldigten vorgeworfenen Verhaltensweisen auch die in den Fragen aufgenommenen gesetzlichen Merkmale erfüllt hätten. Das aber ist nicht Gegenstand der schriftlichen Rechtsbelehrung, sondern vielmehr im Anschluß an dieselbe vom Vorsitzenden gemäß § 323 Abs 2 StPO mit den Geschworenen zu besprechen.

Die Rechtsrüge wiederum ist deshalb nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil sie mit dem Einwand, es könne "nicht rechtswidrig sein, unter welchen Umständen immer Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten" seien, nicht auf den Inhalt der entsprechenden Wahrsprüche Bezug nimmt. Von wem aber die Initiative zu den anklagegegenständlichen Interwievs ausgegangen ist, ist nicht entscheidungswesentlich.

Die gegen den Schuldspruch nach § 3 g VG und gegen den diesem zugrundeliegenden Wahrspruch gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde war daher ebenfalls (§§ 285 d, 344 StPO) bei einer nichtöffentlichen Beratung sogleich zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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