OGH 5Ob3/94

OGH5Ob3/9421.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1.) Rudolf M*****, Steuerberater, ***** und 2.) Franziska M*****, Angestellte, ***** beide vertreten durch Dr.Gert Seeber, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider den Antragsgegner Siegfried M*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Walter Suppan, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Zustimmung zu Änderungen einer im Wohnungseigentum stehenden Wohnung nach § 26 Abs 1 Z 2 WEG (§ 13 Abs 2 WEG), infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15.November 1993, GZ 1 R 405, 528, 529/93‑56, womit u.a. der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 1.Juni 1993, GZ 14 Msch 17/90‑45, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0050OB00003.940.0621.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Ersatz der Kosten für die Beantwortung des Revisionsrekurses wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragsteller haben auf den ihren Eigentumswohnungen Nr 20 (Erstantragsteller) und Nr 18 (Zweitantragstellerin) im Haus F***** in K***** vorgelagerten Flachdächern eigenmächtig Dachterrassen durch Verlegung von Waschbetonplatten geschaffen. Während die übrigen Wohnungseigentümer mit dem geschaffenen Zustand einverstanden sind, wehrt sich der Antragsgegner, sodaß die Antragsteller die Ersetzung seiner Zustimmung zur Errichtung der Dachterrassen durch das Gericht begehren. Der Antragsgegner argumentiert damit, daß die Antragsteller für die Vergrößerung ihrer Wohnflächen ausschließlich gemeinsame Teile der Liegenschaft heranziehen. Die Änderungen würden eine Veränderung aller Nutzwerte bewirken, der Übung des Verkehrs entgegenstehen und auch keine wichtigen Interessen der Antragsteller berühren. Der Antragsgegner sei beeinträchtigt, das äußere Erscheinungsbild des Hauses verändere sich, es entstehe eine Gefahr für die Sicherheit der Hausbewohner, eine Gesundheitsgefährdung und eine Beeinträchtigung des Familienlebens sowie eine erhöhte Lärm‑ und Schmutzbelastung.

Das Erstgericht ersetzte die Zustimmung des Antragsgegners zur Errichtung der Dachterrassen und stellte fest: Die Wohnhausanlage besteht aus einem zwei‑ bzw dreigeschossigen Baukörper, der mit einem Flachdach, das als Preßkiesdach ausgebildet ist, abgedeckt wird. Vor der Wohnung des Erstantragstellers im zweiten Obergeschoß ist nach Osten hin auf das davorliegende Flachdach die Terrasse im Ausmaß von rund 80 m2 aus Waschbetonplatten errichtet und zur übrigen Dachfläche mit einem Holzzaun eingefriedet. Die Terrasse der Zweitantragstellerin ist rund 45 m2 groß, schließt nördlich an die Terrasse des Erstantragstellers an und ist um ein halbes Geschoß tiefer gelegen. Unter den Terrassen befindet sich ein Foliendach und darauf auf Gummilagern verlegte Waschbetonplatten. Unter den Terrassenbelägen ist die Sanfilo‑Folie verstärkt ausgeführt. Die Wohnung des Antragsgegners liegt unter der Terrasse der Zweitantragstellerin. Direkt unter dem Terrassenausgang befindet sich die Diele der Wohnung des Antragsgegners. Im Osten schließen sich das Kinderzimmer, die Bauernstube, das Wohnzimmer und das Schlafzimmer an. Aus der Summierung der beiden Terrassenflächen ergibt sich eine Änderung der Nutzwerte von mehr als 2 %. Der Ausbau bewirkt eine Erhöhung der Bau‑ und Ertragswerte der Wohnungen der Antragsteller. Eine Beeinträchtigung des Bau‑ und Ertragswerts des (Gesamt‑) Objektes liegt nicht vor. Die Trittschallschutzmessungen entsprechen den Anforderungen der Ö‑Norm B 8115 und bieten überwiegend einen wesentlich höheren Trittschallschutzstandard als die Ö‑Norm‑Anforderungen für erhöhten Schallschutz. Das Begehen der Terrassen ist in der Wohnung des Antragsgegners "nahezu" nicht hörbar. Das Verrücken von Liegestühlen direkt auf den Waschbetonplatten wird in der Wohnung des Antragsgegners deutlich wahrgenommen, "doch soll die Auflage eines Rasenteppichs auf den Platten erfolgen." Bei fachgerechter Durchführung der Baumaßnahmen kann eine erhöhte Lärmbelastung vermieden werden und besteht keine Gefahr für die Sicherheit. Es kommt auch zu keiner erhöhten Schmutz‑ und Lärmbelastung. Das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes wird verändert, jedoch nicht beeinträchtigt. Eine Gesundheitsgefährdung und Beeinträchtigung des Familienlebens durch die Baumaßnahmen und deren Folgen wird nicht herbeigeführt.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, durch die vorgenommenen Änderungen seien berechtigte Interessen der Antragsgegner nicht beeinträchtigt; das äußere Erscheinungsbild (des Hauses) werde zwar verändert, aber gleichfalls nicht beeinträchtigt. Die Inanspruchnahme auch gemeinschaftlicher Teile der Liegenschaft diene wichtigen Interessen der Antragsteller, indem der Wohn‑ und Verkehrswert ihrer Wohnungen erhöht werde. Die Veränderung der Nutzwerte (von mehr als 2 %) falle nicht ins Gewicht und mindere den Wert der Wohnung des Antragsgegners nicht, zumal der Verkehrswert einer Wohnung sich nicht nach den ideellen Miteigentumsanteilen bemesse.

Dem gegen diesen Sachbeschluß erhobenen Rekurs des Antragsgegners gab das Rekursgericht Folge; es änderte ihn iS der Abweisung des Antrages auf Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners zur Errichtung der beiden Dachterassen ab.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, da eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen (§ 13 Abs 2 Z 1 WEG) des Antragsgegners vorliege, sei der Antrag abzuweisen. Der Antragsgegner habe beim Erwerb der Wohnung darauf vertrauen können, daß keine Terrasse oberhalb seiner Wohnung errichtet werde; das Interesse an einer möglichst lärmarmen Wohnmöglichkeit sei schutzwürdig. Wenn auch durch allenfalls weitere ‑ keineswegs präzisierte ‑ Baumaßnahmen sowie durch Auflage eines Rasenteppichs eine erhöhte Lärmbelastung in der Wohnung des Antragsgegners vermindert werden könnte, bewirke die zu erwartende Verwendung der Terrasse für "kommunikative Zwecke" und festliche Veranstaltungen zwangsläufig und unvermeidbar eine erhöhte Lärmbelastung.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Rechtsfrage, ob für eine Änderung iSd § 13 Abs 2 WEG auch ausschließlich gemeinsame Teile der Liegenschaft in bedeutendem Ausmaß in Anspruch genommen werden können, bisher noch nicht beantwortet sei.

Gegen diesen Sachbeschluß richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, daß die Zustimmung des Antragsgegners zur Errichtung der Dachterrassen der Antragsteller ersetzt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Rechtsmittelwerber erklärten eingangs ihres Rechtsmittels wohl, die Rekursentscheidung "ihrem vollen Inhalte nach" zu bekämpfen, das Rechtsmittel enthält aber zu der in die Entscheidung auch aufgenommenen Erledigung eines weiteren Rekurses keinerlei Ausführungen, so daß diese Teile des Beschlusses als nicht angefochten anzusehen sind.

In seinem Revisionsrekurs vertreten die Antragsteller zusammengefaßt die Ansicht, bei der "Feststellung" des Rekursgerichtes, es liege in der Natur von Wohnungen vorgelagerter Terrassen, daß es durch die Benützung zwangsläufig und unvermeidbar zu einer erhöhten Lärmbelästigung komme, handle es sich um eine im konkreten Fall nicht zutreffende Allgemeinfeststellung. Richtigerweise hätte das Rekursgericht feststellen müssen, daß mangels einer Lärmbelästigung des Antragsgegners eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen nicht gegeben sei; die Antragsteller hätten ein wichtiges Interesse an der Errichtung der Dachterrassen zur Erhöhung des Wohnwertes ihrer Wohnungen; dies entspreche dem gehobenen Wohnungsstandard. Die Weigerung des Antragsgegners sei auch schikanös.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des Ausspruches des Rekursgerichtes über seine Zulässigkeit unzulässig, weil die Entscheidung dieser Rechtssache von der Beantwortung der vom Rekursgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage der Möglichkeit der Inanspruchnahme ausschließlich gemeinsamer Teile der Liegenschaft für eine Änderung iS des § 13 Abs 2 Z 2 WEG gar nicht abhängt.

Das Rekursgericht hat eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Antragsgegners durch die Lärmbelästigung ausgehend von den Dachterrassen angenommen. Dabei handelt es sich nicht um eine "Allgemeinfeststellung", sondern um das Ergebnis einer rechtlichen Beurteilung. Das Vorliegen einer solchen Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen stehe gemäß § 13 Abs 2 Z 1 WEG der von den Antragstellern gewünschten Änderung entgegen.

Bei dem Begriff der "Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen" handelt es sich um einen unbestimmten Gesetzesbegriff, durch den dem Gesetzesanwender ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wird. Solange dieser bei der Beurteilung nicht verlassen wird, liegt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO vor (vgl WoBl 1991/78 = MietSlg 42.436).

Diesen Beurteilungsspielraum hat das Rekursgericht bei der Beurteilung, es würden schutzwürdige Interessen des Antragsgegners dadurch beeinträchtigt, daß sich oberhalb seiner Wohnung statt eines Daches ohne weitere Wohngeräusche (Lärm) eine Terrasse befindet, von der unvermeidlich Immissionen durch ihre Nutzung ausgehen (Lärm durch Verwendung zu kommunikativen Zwecken und geselligen Veranstaltungen) nicht überschritten. Dabei handelt es sich auch um keine Schikane, weil die mit Geselligkeit verbundenen Immissionen von an diesen nicht teilnehmenden Personen vielfach als störend empfunden werden. Erweist sich damit der Revisionsrekurs schon mangels Erfüllung der in § 13 Abs 2 Z 1 WEG normierten Voraussetzungen als unberechtigt, so kann die vom Rekursgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage auf sich beruhen.

Für die Beantwortung des Revisionsrekurses gebührt gemäß § 37 Abs 3 Z 19 MRG iVm § 26 Abs 2 WEG kein Rechtsanwaltskostenersatz; überdies wurde verabsäumt, auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hinzuweisen.

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