OGH 2Ob55/93

OGH2Ob55/9316.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Prof.Alois H*****, Beamter, *****vertreten durch Dr.Bernhard Aschauer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1.) Alfred P*****, Versicherungsangestellter,***** 2.) *****Versicherungs AG, *****vertreten durch Dr.Roman Moser und Dr.Andrea Gesinger, Rechtsanwälte in Thalgau, wegen S 53.382 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 10.Mai 1993, GZ 21 R 37/93-20, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Thalgau vom 22.Oktober 1992, GZ C 355/92 -12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.783,68 (darin enthalten S 797,28 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 22.2.1992 verursachte Erik Alexander P*****, der Sohn des Erstbeklagten, mit dessen PKW im Ortsgebiet von H***** einen Verkehrsunfall, durch den dem Kläger ein Schaden an seinem Fahrzeug in der Höhe des Klagsbetrages entstand. Der Kläger verfügt gegen Erik Alexander P***** über einen rechtskräftigen Zahlungstitel über den Klagsbetrag.

Der Kläger nimmt den Erstbeklagten als Halter und die Zweitbeklagte als dessen Haftpflichtversicherer in Anspruch.

Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage; es liege eine Schwarzfahrt des Erik Alexander P***** im Sinne des § 6 EKHG vor. Der Sohn habe das Fahrzeug des Erstbeklagten mit einem selbst angefertigten Schlüssel aufgesperrt und entwendet. Ein Verschulden des Erstbeklagten an der Schwarzfahrt sei nicht gegeben, da er nicht mit der widerrechtlichen Aneignung des Fahrzeuges durch seinen Sohn rechnen habe müssen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es ging dabei von nachstehendem wesentlichen Sachverhalt aus:

Der am 20.9.1971 geborene Erik Alexander P***** besaß zum Unfallszeitpunkt keinen Führerschein. Er hatte sich das Fahrzeug seines Vaters am 30.1.1992 dadurch angeeignet, daß er es mit einem von ihm selbst angefertigten Duplikatschlüssel in Betrieb setzte und bis zum Unfallszeitpunkt laufend benutzte. Er hatte sich im Herbst/Winter 1991/1992 einen Gipsabdruck vom Originalfahrzeugschlüssel gemacht und eine Schlüsselkopie aus Lötzinn hergestellt. Erik Alexander P*****, der damals im Familienverband in Hof bei seinen Eltern wohnte, hatte Zugang zu den Originalschlüsseln des Fahrzeuges, die sich am Schlüsselbund des Vaters bzw an jenem der Mutter befanden. Der Schlüsselbund der Mutter steckte normalerweise, jedem frei zugänglich, an der Innenseite der Haustür. Eine besondere Verwahrung der Fahrzeugschlüssel gab es nicht. Erik Alexander P***** hatte nie besonderes Interesse gezeigt, einen Führerschein zu erwerben oder mit einem Fahrzeug zu fahren. Er hat aber in Abwesenheit seiner Eltern im Sommer 1991 das Fahrzeug des Vaters mit dem Originalschlüssel eine Woche lang benützt und dabei auch auf den Fahrzeugsitzen Zigarettenbrandlöcher verursacht. Der Sohn erklärte dem Vater, dem die Veränderungen am Benzin- und Tachostand und die Brandstellen aufgefallen waren, daß mit dem Fahrzeug niemand gefahren sei und die Brandflecken beim Autoputzen entstanden wären. Der Vater fand diese Aussage für glaubwürdig und ließ es dabei bewenden. Weder im Sommer 1991 noch in weiterer Folge wurden innerhalb der Familie P***** Vorsichtsmaßnahmen zur Sicherung der Fahrzeugschlüssel gemacht. Die Fahrzeugpapiere befanden sich im Fahrzeug. Mit Erik Alexander P***** gab es in der Zeit vor 1991/92 Probleme, da er sich Dinge, die er gerne haben wollte, einfach aneignete. Es kam auch zu Diebstählen. Der Vater rechnete nicht damit, daß sein Sohn das Auto stehlen würde, sondern hatte vielmehr den Eindruck, daß sich nach Abschluß der Lehre im Sommer 1991 alles zum Besseren wenden werde. Erik Alexander P***** hatte im Herbst 1991 den Entschluß gefaßt, sich das Fahrzeug des Vaters anzueignen und sich dafür einen Ersatzschlüssel anzufertigen, da das Verschwinden des Originalschlüssels aufgefallen wäre. Er wußte auch, daß seine Mutter jeden Donnerstag das Fahrzeug benutzte und es an einer bestimmten Stelle in Salzburg abstellte. Dort sperrte er es auch nach und nahm es in Betrieb. Innerhalb der Familie fiel zu keiner Zeit der Verdacht auf den Sohn.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß der Erstbeklagte die Schwarzfahrt seines Sohnes zu verantworten bzw dadurch schuldhaft ermöglicht habe, daß innerhalb des Familienverbandes keinerlei Sicherungen gegen die unbefugte Inbesitznahme des Originalfahrzeugschlüssels getroffen worden seien. Dem Erstbeklagten sei die auffällige Persönlichkeitsstruktur seines Sohnes bekannt gewesen, er habe sich im Sommer 1991 mit einer einfachen Ausrede begnügt, als ihm der Verdacht der unerlaubten Benützung seines Fahrzeuges gekommen sei.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der beklagten Parteien Folge. Es traf nach Beweiswiederholung nachstehende ergänzende Feststellungen:

Erik Alexander P***** lebte im Sommer 1991 als auch im hier gegenständlichen Unfallszeitpunkt im elterlichen Haushalt in H*****. Er hatte nie ein besonderes Interesse am Lenken von Kraftfahrzeugen zu erkennen gegeben und auch keine Anstalten zum Erwerb eines Führerscheines gemacht. Schwierigkeiten, wie sie sich zu Beginn seiner Kochlehre in bezug auf kleinere Eigentumsdelikte, vornehmlich zu Lasten von Arbeitskollegen, ergeben hatten, lagen bereits rund drei Jahre zurück. Er nahm während des dreiwöchigen Sommerurlaubes seiner Eltern im August 1991 unter Zuhilfenahme eines Originalschlüssels den bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten Leasingwagen des Erstbeklagten in Betrieb. Vor Rückkehr seiner Eltern aus dem Urlaub ließ er den Kilometerzähler um die von ihm zurückgelegten rund 1.000 km zurückdrehen, um keinen Verdacht auf sich zu lenken. Vom Erstbeklagten nach der Urlaubsrückkehr auf Zigarettenbrandflecken an den Autositzen angesprochen, erklärte er, daß diese beim Autoputzen entstanden seien. Diese Erklärung verwunderte zwar den Erstbeklagten ob des besonderen Fleißes seines Sohnes, doch schien sie ihm letztlich plausibel, weil der Sohn damals tatsächlich rauchte. Der Erstbeklagte war sich auch über den genauen Kilometerstand seines Fahrzeuges und der vor dem Urlaub im Tank zurückgelassenen Benzinmenge selbst nicht so sicher, um einen nachhaltigen Verdacht gegen seinen Sohn aufrecht zu erhalten. Er traute seinem Sohn schon mangels eines eigenen Führerscheines nicht zu, das Auto gefahren zu haben, wobei ihm kleinere Fahrten in der nächsten Umgebung durch im Führerscheinbesitz befindliche Freunde seines Sohnes noch eher wahrscheinlich erschienen, die aber gleichfalls von Erik Alexander P***** in Abrede gestellt wurden. Der Erstbeklagte, der keine Möglichkeit gesehen hatte, allfällige Ungereimtheiten aufzudecken oder letzte Zweifel zu beseitigen, ließ es schließlich dabei bewenden. Daß ihm sein Sohn das Auto stehlen oder er sich einen Nachschlüssel anfertigen würde, kam dem Erstbeklagten nicht in den Sinn. Er beließ auch die Fahrzeugpapiere grundsätzlich im Wagen, da seine Gattin das Fahrzeug regelmäßig benutzte. Die Fahrzeugschlüssel wurden auch nicht anders als andere Schlüssel im Wohnbereich des Erstbeklagten verwahrt.

Rechtlich erörterte das Berufungsgericht, daß dem Erstbeklagten ein Verschulden an der Ermöglichung der Schwarzfahrt durch dessen Sohn nicht anzulasten sei. Der Erstbeklagte habe bis Sommer 1991 tatsächlich nicht den geringsten Verdacht haben müssen, daß sein Sohn, der sich jederzeit Zugang zu den Fahrzeugschlüsseln verschaffen konnte, mit dem Gedanken spiele, Spritzfahrten mit dem Auto zu unternehmen. Trotz der vom Erstbeklagten selbst geschilderten negativen Charaktereigenschaften seines Sohnes, sich bestimmte fremde Sachen anzueignen, mußte sich für den Erstbeklagten keinesfalls eine zwingende Verbindung mit einem allfälligen unerlaubten Gebrauch seines Fahrzeuges aufdrängen, weil es dem Sohn bis dahin an jeglichem Interesse für Fahrzeuge mangelte und er auch nicht im Besitze eines Führerscheines war.

Dem Erstbeklagten sei nicht vorzuwerfen, daß er die Fahrzeugschlüssel nicht unter besonderem Verschluß gehalten habe, weil er ohne stichhaltige gegenteilige Anhaltspunkte nicht damit rechnen mußte, daß sein am Autofahren nach außen hin völlig desinteressierter Sohn in seinem Inneren bereits Gegenteiliges plante bzw schon einmal bis hin an die Grenze des Entdecktwerdens durchgeführt hatte. Der Erstbeklagte sei daher nicht verpflichtet gewesen, die Fahrzeugschlüssel in einem Tresor oder dergleichen unerreichbar zu verwahren.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil die Frage, wie weit die Pflichten zur Verwahrung eines Fahrzeugschlüssels innerhalb des familiären Wohnbereiches zu gehen hätten, wenn ein über 18jähriger, wenngleich führerscheinloser Sohn im Familienverband lebt, von grundsätzlichem Interesse erscheine.

Der Kläger bekämpft die Entscheidung mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, sie im Sinn einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach der zutreffenden Ansicht der Vorinstanzen haftet der Fahrzeughalter nach § 6 Abs 1 EKHG nur dann für den aus einer Schwarzfahrt entspringenden Schaden, wenn er die Benützung des Fahrzeuges durch sein Verschulden ermöglicht hat (JBl 1987, 785) das heißt eine für die unbefugte Benützung günstige Bedingung gesetzt hat (ZVR 1985/174; Apathy EKHG Rz 13 zu § 6; Koziol2 II 539). Beweispflichtig für die schuldhafte Ermöglichung der Schwarzfahrt ist der Kläger. Er muß dazu einen Sachverhalt nachweisen, der eine Sorgfaltswidrigkeit des Halters hinsichtlich der Ermöglichung der Schwarzfahrt nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge als gegeben erscheinen läßt. Dem beklagten Halter obliegt dann der Beweis der Umstände, die ein Verschulden auszuschließen geeignet sind, sowie der zur Verhinderung von Schwarzfahrten getroffenen Maßnahmen (Apathy aaO; ZVR 1981/221). Der Halter muß daher bis an die Grenze des unabwendbaren Zufalles alles tun, was ihm billigerweise zur Verhütung von Schwarzfahrten zugemutet werden kann. An dessen Sorgfaltspflicht sind die strengsten Anforderungen zu stellen (Koziol aaO; ZVR 1982/279 ua). Was aber zur Sicherung des Fahrzeuges vor unbefugter Benützung geschehen muß, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (EvBl 1975/46, ZVR 1978/78). Ein besonderes Maß an Sorgfalt und Vorsicht muß dann verlangt werden, wenn mit der Möglichkeit einer Schwarzfahrt durch Personen gerechnet werden muß, die mit dem Fahrzeughalter in einer besonderen, eine solche Fahrt erleichternden Beziehung stehen, wie zB Angehörige und daher eine besondere Gefahr der Schwarzfahrt besteht (ZVR 1976/234; ZVR 1977/129, ZVR 1978/78; ZVR 1978/25; ZVR 1985/174; Koziol2 II, 540, Apathy EKHG Rz 20 zu § 6). Die Sicherungsmaßnahmen müssen aber in jedem Fall nicht nur möglich und zumutbar, sondern auch als erforderlich erkennbar sein (ZVR 1968/81; ZVR 1976/234). Ist daher dem Fahrzeughalter bekannt, daß Angehörige schon Schwarzfahrten unternommen haben, so sind zur Verhinderung des unbefugten Gebrauchs von Kraftfahrzeugen weitergehendere Maßnahmen geboten als gegenüber Außenstehenden (ZVR 1969/150; ZVR 1976/234; ZVR 1978/78). Auch die fahrlässige Ermöglichung der Anfertigung eines Zweitschlüssels kann unter Umständen zur Haftung des Halters führen, wenn ihm die Autoleidenschaft des im Familienverband befindlichen Jugendlichen bekannt war und daher weitergehende Vorkehrungen erforderlich waren (ZVR 1975/17).

Diese, eine weitergehende Verwahrungs- und Sorgfaltspflicht begründenden Umstände liegen nicht vor. Der Erstbeklagte hatte - im Gegensatz zu den vorher zitierten Entscheidungen - von einer besonderen Autoleidenschaft seines Sohnes keine Kenntnis. Dieser zeigte keinerlei Interesse an Fahrzeugen und war auch nicht im Besitz eines Führerscheines. Bis zum Sommer 1991 bestanden daher keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Sohn des Erstbeklagten das Fahrzeug seines Vaters unbefugt in Betrieb nehmen könnte. Es bestand daher kein Anlaß, die Autoschlüssel, die sich am Schlüsselbund des Erstbeklagten bzw seiner Ehegattin befanden, gesondert zu verwahren. Aber auch nach dem Sommer 1991 mußte dem Erstbeklagten nicht aufgefallen sein, daß das Fahrzeug von seinem Sohn unbefugt in Betrieb genommen wurde, weil sich diesbezügliche Hinweise weder aus dem Kilometerstand noch dem Tankinhalt ableiten ließen. Auch wenn ein solcher Verdacht zunächst auf den Sohn des Erstbeklagten fiel, konnte der Erstbeklagte aber aus den konkreten Umständen keine positive Kenntnis davon haben, daß das Fahrzeug durch seinen Sohn tatsächlich benützt wurde bzw daß sein Sohn die Absicht hegte, es auch in Zukunft zu benützen. Er konnte daher nicht damit rechnen, daß weitergehende Schutzmaßnahmen insbesondere zur Verhinderung der Anfertigung eines Nachschlüssels erforderlich sein würden.

Dem Berufungsgericht ist daher beizupflichten, daß die Verwahrung des Originalschlüssels am Schlüsselbund des Klägers bzw seiner Gattin im konkreten Fall als ausreichend anzusehen ist.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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