OGH 15Ns9/94

OGH15Ns9/9416.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Juni 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Dr.Mayrhofer, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Würzburger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Helmfried V***** wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 6 E Vr 958/93 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz (11 Bs 47/94 des Oberlandesgerichtes Graz), über den Ablehnungs- und Delegierungsantrag des Genannten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Dem Antrag auf Ablehnung des Oberlandesgerichtes Graz einschließlich seines Präsidenten wird nicht Folge gegeben.

2. Der Ablehnungsantrag im übrigen sowie der Delegierungsantrag werden zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Gegen Helmfried V***** ist beim Landesgericht für Strafsachen Graz zum AZ 6 E Vr 958/93 ein Strafverfahren anhängig; mit Urteil dieses Gerichtes vom 19.August 1993 wurde er der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1 und 84 Abs 2 Z 4 StGB schuldig erkannt und zu einer (unbedingten) Geldstrafe sowie einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe und auch zur Bezahlung von Schmerzengeldbeträgen verurteilt. Sogleich nach Verkündung des Urteils meldete der Genannte Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe sowie gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche an. Mit am 1.Februar 1994 datiertem Vorlagebericht hat das Landesgericht für Strafsachen Graz dem Oberlandesgericht Graz den erwähnten Strafakt zur Entscheidung über die (nicht ausgeführte) Berufung des Beschuldigten vorgelegt.

Am 9.Mai 1994 langte beim Oberlandesgericht Graz ein Schriftsatz des Helmfried V***** zum AZ 11 Bs 47/94 (das ist jenes Aktenzeichen des bei diesem Gerichtshof zweiter Instanz anhängigen Berufungsverfahrens) ein, in welchem unter der Bezeichnung "Betreff" angeführt wird:

"Ablehnung aller Richter des Gerichtes wegen Befangenheit der Grazer Richterschaft - Delegierung des Verfahrens." Der daran anschließende "Antrag" lautet wie folgt: "Beantragt wird die Ablehnung aller Richter des Gerichtsstandortes Graz und der im Einflußbereich der steirischen Justiz gelegenen Gerichtsstandorte. Weiters wird die Überprüfung des Verfahrens gemäß des Textes § 33 (2) StPO und in dessen Sinn sowie die anschließende Delegierung des Verfahrens an einen anderen Gerichtsstandort, der ein uneinvorgenommenes und faires Verfahren zuläßt".

Die Anträge sind teils unzulässig, teils nicht berechtigt.

Da sich die Eingabe des Beschuldigten, wie aus der Anführung des Aktenzeichens 11 Bs 47/94 erhellt, auf das beim Oberlandesgericht Graz anhängige Berufungsverfahren bezieht, andere Richter als jene des Oberlandesgerichtes Graz in dieser Sache im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht zu einer Entscheidung berufen sind, sodaß eine konkret aktuelle Kompetenz dieser Richter in dieser Strafsache nicht besteht, liegen die Voraussetzungen für eine Ablehnung dieser Richter nicht vor. Demnach war der Antrag des Beschuldigten auf Ablehnung jener Richter, die nicht beim Oberlandesgericht Graz tätig sind, als unzulässig zurückzuweisen (vgl die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 17.November 1986, AZ 10 Ns 22/86-5).

Das gleiche Schicksal trifft den Antrag auf "Delegierung des Verfahrens", weil dieser Antrag jeglicher Substantiierung und Begründung entbehrt; dies abgesehen davon, daß über eine behauptete Befangenheit ausschließlich nach den Spezialbestimmungen der §§ 72 bis 74 a StPO zu entscheiden ist und in diesem Zusammenhang die Delgierungsbestimmungen der §§ 62 und 63 StPO nicht heranzuziehen sind (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 62 E 12).

Was den Antrag auf Ablehnung sämtlicher Richter des Oberlandesgerichtes Graz (einschließlich seines Präsidenten) betrifft, so ist dieser zwar zulässig, aber nicht begründet. Eine erfolgreiche Ablehnung hätte zur Voraussetzung, daß der Beschuldigte außer den in den §§ 67 bis 69 StPO bezeichneten Fällen (der Ausschließung) andere Gründe anzugeben und darzutun vermag, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit sämtlicher Mitglieder dieses Gerichtshofes in Zweifel zu setzen (§ 72 Abs 1 StPO). Die Ablehnung eines Richters ist nur dann gerechtfertigt, wenn Umstände vorliegen, die - objektiv (aus der Sicht eines verständigen, außenstehenden Betrachters) - die volle Unvoreingenommenheit des Betreffenden in Zweifel ziehen und zur Befürchtung Anlaß geben, der Abgelehnte könnte sich bei der Entscheidung von anderen als sachlichen Gründen leiten lassen (EvBl 1973/326 uva).

In der Begründung seiner Eingabe vermag der Antragsteller mit Bezugnahme auf das Oberlandesgericht Graz als Befangenheitsgründe lediglich ins Treffen zu führen, daß in Kreisen der Grazer Rechtsanwälte das Oberlandesgericht Graz den "Ruf einer Bestätigungsinstanz" habe, und - sofern sich dieses Vorbringen allenfalls auf Richter des Oberlandesgerichtes Graz beziehen sollte -, daß die "bisherigen Akteure uneingebunden und rücksichtslos" seien, "alle Gesetze mißachteten" sowie daß die Zustände der "Grazer Rechtsstaatlichkeit korrupt, verkommen und von der Gewaltenteilung aufgehoben" seien. Alle anderen Einwände der Begründung beziehen sich erkennbar nicht auf beim Oberlandesgericht Graz tätige Richter.

Die wiedergegebenen Ablehnungsgründe sind völlig unsubstantiierte, durch nichts glaubhaft gemachte Pauschalverdächtigungen gegen das Oberlandesgericht Graz in seiner Gesamtheit, die jeder realen Grundlage entbehren. Deshalb ist auch die Einholung von Äußerungen der Richter des Oberlandesgerichtes Graz (§ 183 Abs 3 Geo) seitens des Präsidenten dieses Gerichtshofes mit Recht unterblieben, weil schon nach dem Parteienvorbringen von solchen Stellungnahmen keine sachdienlichen Aufklärungen zu erwarten waren.

Dem Ablehnungsantrag war daher ein Erfolg zu versagen.

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