OGH 10ObS131/94

OGH10ObS131/9414.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Carl Hennrich (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Darmstädter (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Konrad R*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr.Jörg Hobmeier und Dr.Hubertus Schumacher, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr.Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9.März 1994, GZ 6 Rs 2/94-81, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 6.Oktober 1993, GZ 45 Cgs 114/93s-77, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Hinsichtlich des ersten Rechtsganges wird auf den hg Beschluß vom 15. 6. 1993, 10 Ob S 102/93 Bezug genommen, mit dem das klagestattgebende Urteil des Erstgerichtes und das klageabweisende Urteil des Berufungsgerichtes aufgehoben wurden und die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde.

Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht das auf eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 3. 1990 gerichtete Klagebegehren ab. Der am 23. 8. 1941 geborene Kläger gelte nicht als invalid iS des § 255 Abs 1 und Abs 2 ASVG, weil er als "Schaler" keinen angelernten Beruf iS dieser Gesetzesstellen ausgeübt habe. Er gelte aber auch nicht als invalid iS des Abs 3, weil er durch mehrere seinem körperlichen und geistigen Zustand entsprechende Verweisungstätigkeiten das in der genannten Gesetzesstelle umschriebene Entgelt erwerben könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers, in der unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht wurde, nicht Folge. Es führte aus, daß der Kläger zwar über alle handwerklich praktischen Kenntnisse und Fertigkeiten sowohl eines Schalungs- als auch eines Betonbauers, nicht aber über die Kenntnisse eines gelernten Schalungs- oder Betonbauers verfüge, die über die reine Handfertigkeit hinausgehen. Zum theoretischen Bereich der Berufsbilder dieser Lehrberufe zählten ua das einfache Skizzieren, das Vermessen von einfachen Bauteilen, die Feststellung des Materialbedarfs, das Aufreissen und Einmessen von Schalformen sowie das Ausfüllen von Ausmaß- und Arbeitsbestätigungen, welche Aufgaben der Kläger nicht beherrsche. Wenn auch am Bau eine Teilung der Arbeit zwischen Theorie und Praxis üblich sei, so daß die technischen Arbeiten wie Vermessen, Aufreissen udgl in der Regel vom Polier verrichtet würden, während auch ein gelernter Beton- oder Schalungsbauer zum überwiegenden Teil nur für die handwerklichen Arbeiten zuständig sei, übe letzterer nicht ausschließlich solche Arbeiten aus. Deshalb könne der theoretische Teil dieser Berufsbilder nicht mit der Begründung vernachläßigt werden, daß er im praktischen Berufsleben bzw in der Praxis auf dem Bau nur etwa 10 % einnehme. Eine solche "quantitative" Betrachtung werde dem Stellenwert der für jeden angelernten Beruf wesentlichen nichtmanuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht gerecht, die - auch wenn sie zeitlich nur von untergeordneter Bedeutung seien - vielfach eine unentbehrliche Voraussetzung für die Verrichtung der Arbeit seien. Dazu komme noch, daß die vom Kläger durch praktische Arbeit erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht als qualifiziert iS des § 255 Abs 2 ASVG bezeichnet werden könnten. Der nicht überwiegend in erlernten oder angelernten Berufen tätig gewesene Kläger gelte aber auch nicht als invalid iS des Abs 3 leg cit.

In der Revision macht der Kläger unrichtige rechtliche Beurteilung (der Sache) geltend und beantragt, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung die Bestätigung des Berufungsurteils.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 46 Abs 3 ASGG zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß der Kläger in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag bei einer Baufirma als "Schaler" eine Tätigkeit ausgeübt habe, für die es nicht erforderlich gewesen sei, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten seien, ist richtig. Auch daß der Kläger infolgedessen nicht als invalid iS des § 255 Abs 1 und Abs 2 ASVG gelte, entspricht der Rechtslage (§ 48 ASGG). Die Entscheidung des Berufungsgerichtes beruht auf der dem Aufhebungsbeschluß des Revisionsgerichtes vom 15. 6. 1993, 10 Ob S 102/93 zu Grunde gelegten rechtlichen Beurteilung, an die die Vorinstanzen nach § 511 Abs 1 ZPO bei der weiteren Behandlung und Entscheidung gebunden waren.

Der Revision ist zuzugestehen, daß der Kläger durch seine überwiegende praktische Arbeit als "Schaler" auch gewisse theoretische Kenntnisse der genannten Lehrberufe erworben haben wird. Die Rechtsrüge läßt aber in diesem Zusammenhang insbesondere die Feststellung unbeachtet, daß beim Kläger die von einem gelernten "Schalungsbauer" oder "Betonbauer" geforderten theoretischen Kenntnisse nicht vorliegen. Deshalb hat das Berufungsgericht die durch praktische Arbeit des Klägers erworbenen Kenntnisse oder Fähigkeiten zutreffend nicht als so qualifiziert beurteilt, daß sie jenen in einem erlernten Berufe gleichzuhalten sind. Die vom Kläger erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten gehen wohl über die eines einfachen Bauhilfsarbeiters hinaus, erreichen jedoch nicht das Niveau eines vergleichbaren Baufacharbeiters.

Daß der Kläger nicht als invalid iS des § 255 Abs 3 ASVG gilt, wird in der Revision nicht mehr bekämpft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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