Spruch:
1. Der Antrag des Revisionswerbers, der Oberste Gerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung des § 131 Abs 1 lit d GSVG beantragen, und der als "Ergänzung der Revision" bezeichnete Schriftsatz ON 21 werden zurückgewiesen.
2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 25.10.1990 sprach die Beklagte aus, daß die dem Kläger gewährte vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§ 131 GSVG) ab 1.12.1989 nicht gebühre. Als Begründung führte sie an, die Pension falle mit dem Tag der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit weg, wenn das monatliche Erwerbseinkommen den im § 5 Abs 2 ASVG angeführten Grenzbetrag übersteige.
Das Begehren der fristgerecht erhobenen Klage richtet sich nach Einschränkung in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 21.6.1993 (ON 7 AS 14) auf die vorzeitige Alterspension im gesetzlichen Ausmaß vom 1.12.1989 bis 28.1.1991. Es stützt sich darauf, daß der Kläger keinerlei Einkommen beziehe. Insbesondere habe er während seiner Funktion als Geschäftsführer der Dr.H. L***** GesellschaftmbH aus dieser Geschäftsführertätigkeit keinerlei Einkommen bezogen (Fortsetzungsantrag ON 5 AS 10).
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die vorzeitige Alterspension weger langer Versicherungsdauer sei weggefallen, weil der Kläger eine die Pflichtversicherung nach dem GSVG begründende Erwerbstätigkeit ausübe (§ 131 Abs 2 GSVG).
Mit Beschluß vom 4.3.1991 ON 4 wurde das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die strittige Vorfrage der Versicherungspflicht des Klägers als Hauptfrage im damals bereits anhängigen Verfahren in Verwaltungssachen (einschließlich eines Verwaltungsgerichtshofsverfahrens) unterbrochen.
Mit rechtskräftigem Bescheid der Beklagten vom 6.8.1990 wurde festgestellt, daß der Kläger vom 2.11.1989 "bis laufend" gemäß § 2 Abs 1 Z 3 GSVG in der Kranken- und Pensionsversicherung pflichtversichert ist. Er sei handelsrechtlicher Geschäftsführer und laut seinen Angaben auch Gesellschafter der "F***** S***** Dr.H. L***** GmbH", die seit 2.11.1989 eine Gewerbeberechtigung für Spediteure im Standort W***** besitze. Der Einspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid des Amtes des Wiener Landesregierung vom 4.10.1990 als unbegründet abgewiesen. Nach dem klaren Wortlaut des § 2 Abs 1 Z 3 GSVG komme es für den Eintritt der Pflichtversicherung nur auf formelle Kriterien und nicht auf die Ausübung einer Tätigkeit oder die Entgeltlichkeit derselben an. Nach Abweisung des Antrages des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen diesen Einspruchsbescheid und Abweisung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde das unterbrochene Verfahren fortgesetzt.
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 21.6.1993 (ON 7 AS 14) legte der Kläger eine Bestätigung der "R***** F***** Dr.L***** GmbH". ./A vor, nach der er vom 1.7.1989 bis 28.1.1991 handelsrechtlicher Geschäftsführer dieser GesmbH ohne Zahlung jeglichen Arbeitsentgeltes oder sonstiger Arbeitsbezüge war.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte ua fest, daß der Kläger vom 1.7.1989 bis 28.1.1991 handelsrechtlicher Geschäftsführer der "beklagten Partei" (richtig der "R***** F***** Dr.L***** GmbH") war, ohne dafür irgend ein Entgelt zu beziehen. Er bezog im genannten Zeitraum weder selbständiges noch unselbständiges Erwerbseinkommen, war jedoch vom 1.12.1989 bis 28.1.1981 (richtig 1991) in die Pflichtversicherung der Kranken- und Pensionsversicherung einbezogen. Mit Bescheid vom 19.6.1991 gewährte die Beklagte dem Kläger die vorzeitige Alterspension wieder ab 29.1.1991.
Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes sei die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach § 131 GSVG in der anzuwendenden Fassung BGBl 1987/610 mit dem Tag weggefallen, an dem der Versicherte eine Erwerbstätigkeit angenommen habe, die das Entstehen eines Anspruchs nach Abs 1 lit d leg cit ausschließe. Dies sei bei einer die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG begründenden selbständigen Erwerbstätigkeit der Fall.
Das Berufungsgericht gab der auf Abänderung im klagestattgebenen Sinn gerichteten Berufung des Klägers nicht Folge.
Nach § 131 Abs 1 lit d GSVG idF der 13. GSVGNov (BGBl 1987/610) sei eine die Pflichtversicherung begründende Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen. Die nach dem GSVG pflichtversicherten, zu Geschäftsführern bestellten Gesellschafter einer GmbH übten unabhängig vom Ausmaß ihrer tatsächlichen Beteiligung an der Geschäftsführung eine selbständige Erwerbstätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn aus.
Rechtliche Beurteilung
In der Revision macht der Kläger unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern. Weiters beantragt er, der Oberste Gerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung des § 131 Abs 1 lit d GSVG stellen. In einem als "Ergänzung der Revision" bezeichneten Schriftsatz beantragt er, der Oberste Gerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof auch die Aufhebung des § 130 Abs 2 lit e GSVG beantragen.
Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Der in der Revision gestellte Antrag, der Oberste Gerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung des § 131 Abs 1 lit d GSVG beantragen, ist zurückzuweisen, weil der Revisionswerber nicht das Recht hat, vom Revisionsgericht eine solche Antragstellung zu begehren (zB SSV-NF 6/51).
Der als "Ergänzung der Revision" bezeichnete Schriftsatz ON 21 ist zurückzuweisen, weil dem Kläger nur ein Rechtsmittel zusteht und die Voraussetzungen einer Verbesserung nach § 84 Abs 3 ZPO nicht vorliegen (zB SSV-NF 2/5).
Die Revision ist im übrigen nach § 46 Abs 3 ASGG zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Nach § 131 GSVG in der im vorliegenden Fall anzuwendenden F der 13. GSVGNov BGBl 1987/610 hatte der Versicherte nach Vollendung des 60. Lebensjahres Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer, wenn ... d) er am Stichtag (§ 113 Abs 2) weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig war und die weitere Voraussetzung des § 130 Abs 2 erfüllt war. Eine die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG nicht begründende selbständige Erwerbstätigkeit sowie eine unselbständige Erwerbstätigkeit blieb unberücksichtigt, wenn aus dieser Erwerbstätigkeit ein Erwerbseinkommen bezogen wurde, das das nach § 5 Abs 2 lit c ASVG jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen nicht überstieg (Abs 1). Die Pension gemäß Abs 1 fiel mit dem Tag weg, an dem der Versicherte eine Erwerbstätigkeit aufnahm, die das Entstehen eines Anspruches nach Abs 1 lit d ausschloß. War die Pension aus diesem Grund weggefallen und endete die Erwerbstätigkeit, so lebte die Pension auf die dem Versicherungsträger erstattete Anzeige über das Ende der Erwerbstätigkeit im früher gewährten Ausmaß mit dem dem Ende der Erwerbstätigkeit folgenden Tag wieder auf (Abs 2).
Nach § 2 Abs 1 GSVG sind auf Grund dieses BG, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen ua pflichtversichert: 3. die zu Geschäftsführern bestellten Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sofern diese Gesellschaft Mitglied einer der in Z 1 bezeichneten Kammern ist und diese Personen nicht bereits aufgrund ihrer Beschäftigung als Geschäftsführer der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG unterliegen...
Daß der Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum vom 1.12.1989 bis 28.1.1991 nach § 2 Abs 1 Z 3 GSVG in der Kranken- und in der Pensionsversicherung pflichtversichert war, ist bis 6.8.1990 durch den bindenden rechtskräftigen Bescheid der Beklagten vom 6.8.1990 festgestellt und wurde für die folgende Zeit bis 28.2.1991 in der Revision ausdrücklich zugestanden.
Der erkennende Senat hat bereits in der E SSV-NF 2/4 ausgesprochen, daß die nach dem GSVG pflichtversicherten, zu Geschäftsführern bestellten Gesellschafter einer GmbH unabhängig vom Ausmaß ihrer tatsächlichen Beteiligung an der Geschäftsführung eine selbständige Erwerbstätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn ausüben. Selbständige Erwerbstätigkeit ist ja der Inbegriff der in persönlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit verrichteten Arbeitsleistungen, welche die Schaffung von Einkünften in Geld oder Güterform bezwecken, wobei es zB nicht entscheidend ist, ob dieser Zweck regelmäßig erfüllt und in welchem Ausmaß er erreicht wird, und ob sich die Arbeitsleistungen etwa auf die Betriebsleistung beschränken.
Auch nach der E SSV-NF 3/1 liegt eine selbständige Erwerbstätigkeit (im sozialversicherungsrechtlichen Sinn) jedenfalls dann vor, wenn der Versicherte etwa nach dem GSVG oder dem BSVG pflichtversichert ist. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß alle Personen, die auf Grund der näher umschriebenen Tatbestände (zB § 2 Abs 1 GSVG) pflichtversichert sind, zu den selbständig Erwerbstätigen gehören.
Die auf die Begründung der genannten E nur wenig eingehenden Revisionsausführungen sind nicht geeignet, den erkennenden Senat zu einem Abgehen von seiner vom Berufungsgericht beachteten bisherigen Rsp zu veranlassen.
Die Revision beachtet insbesondere zu wenig, daß nach § 131 Abs 1 lit c GSVG nur eine die Pflichtversicherung nach dem GSVG nicht begründende selbständige Erwerbstätigkeit sowie eine unselbständige Erwerbstätigkeit unberücksichtigt bleibt, wenn aus dieser Erwerbstätigkeit ein Erwerbseinkommen bezogen wurde, das nach § 5 Abs 2 lit c ASVG jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen nicht übersteigt. Dies rechtfertigt den schon vom Erstgericht gezogenen Umkehrschluß, daß eine die Pflichtversicherung nach dem GSVG begründende Pflichtversicherung selbst dann nicht unberücksichtigt blieb, wenn aus der Erwerbstätigkeit überhaupt kein Erwerbseinkommen oder nur ein solches bezogen wurde, das den erwähnten Grenzbetrag nicht überstieg.
Soweit der Revisionswerber es als rechtswidrig ansieht, eine Person allein deshalb als "selbständig erwerbstätig" anzusehen, weil sie geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH ist, ist darauf hinzuweisen, daß dieser Umstand für sich allein auch dazu führt, daß eine solche Person auf Grund des GSVG in der Kranken- und Pensionsversicherung pflichtversichert ist.
(Die Geschäftsführereigenschaft eines Gesellschafters einer GmbH stellt nur ein formelles Merkmal dar, das das Bestehen einer Pflichtversicherung nach dem GSVG nach sich zieht. Diese Pflichtversicherung wird - im Gegensatz zum ASVG - unabhängig davon ausgelöst, ob die Tätigkeit des Geschäftsführers entgeltlich oder unentgeltlich ausgeübt wird und welche Vereinbarungen im Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer getroffen wurden.) Die Geschäftsführer einer GmbH haben im Innenverhältnis deren Geschäfte zu führen und im Außenverhältnis die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Als Organe und verantwortliche Leiter einer Kapitalgesellschaft, also einer juristischen Person, haben sie vielfältige Tätigkeiten auszuüben. Sie werden daher unter den im § 2 Abs 1 Z 3 GSVG genannten Voraussetzungen, also insbesondere sofern die Gesellschaft Mitglied einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft ist, zutreffend als in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätige hinsichtlich der Kranken- und der Pensionsversicherung in die Pflichtversicherung einbezogen.
Der erkennende Senat hat daher gegen die im vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmungen des GSVG, insbesondere gegen § 2 Abs 1 Z 3 sowie gegen § 131 Abs 1 lit d und Abs 2, aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit keine Bedenken und sieht sich auch durch die Ausführungen der Revision nicht veranlaßt, nach Art 89 Abs 2 bzw Abs 3 B-VG beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung dieser Gesetzesstellen zu beantragen bzw die Entscheidung zu begehren, daß bereits außer Kraft getretene Fassungen dieser Rechtsvorschriften verfassungswidrig waren (vgl auch SSV-NF 4/86 zu § 253b Abs 2 ASVG). Bei ihren Überlegungen zum Gleichbehandlungsgrundsatz übersieht die Revision, daß die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach allen Sozialversicherungsgesetzen wegfällt, wenn der Pensionist eine die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem jeweiligen Sozialversicherungsgesetz begründende Erwerbstätigkeit aufnimmt. Daß zB eine unselbständige Erwerbstätigkeit, auf Grund derer ein Erwerbseinkommen bezogen wird, das das nach § 5 Abs 2 lit c ASVG jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen nicht übersteigt, hiebei unberücksichtigt bleibt, hängt damit zusammen, daß Dienstnehmer nach § 5 Abs 1 Z 2 ASVG hinsichtlich einer Beschäftigung, die nach Abs 2 leg cit als geringfügig anzusehen ist, von der Vollversicherung nach § 4 ASVG, insbesondere von der Pensionsversicherung, ausgenommen sind. Hingegen ist die Pflichtversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen und der in der Land- und Forstwirtschaft selbständig Erwerbstätigen in der Pensionsversicherung nach dem GSVG und dem BSVG davon unabhängig, ob ein die Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs 2 lit c ASVG übersteigendes Einkommen bezogen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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