Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei hat ihre Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hat ihre Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft nach italienischem Recht und eine weltbekannte Automobilherstellerin. Sie ist Inhaberin (ua) der internationalen Marken ALFA 75 mit der (nationalen) Priorität 11.3.1985, ALFA 90 mit der (nationalen) Priorität 30.5.1984 und ALFA mit der (nationalen) Priorität 21.6.1984. Der Schutz dieser Marken erstreckt sich auf die Warenklassen 7, 9 und 12. Die Warenklasse 12 umfaßt: Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft und auf dem Wasser, deren Bestandteile, Ersatzteile und Zubehör, soweit in dieser Klasse enthalten.
Diese Marken sind von der Anmelderin, der weithin bekannten italienischen Automobilherstellerin ALFA ROMEO S.p.A., Mailand, am 22.5.1989 auf die ALFA LANCIA S.r.L. bzw ALFA LANCIA S.p.A. und von dieser am 2.2.1991 auf die Klägerin übergegangen.
Die Beklagte ist eine in Österreich seit 16.9.1991 registrierte Gesellschaft mbH. Sie vertreibt seit verhältnismäßg kurzer Zeit Autos des koreanischen Herstellers H***** in Österreich.
In Österreich werden ALFA ROMEO-Automobile von der ALFA ROMEO GmbH, die ihren Sitz in Wien hat, vertrieben. Die Klägerin hält 95 % des Stammkapitals dieser Gesellschaft.
Die auch in den letzten fünf Jahren vertriebenen ALFA ROMEO-Fahrzeuge haben Bezeichnungen wie zB "ALFA 155" oder "ALFA 164"; unter dieser Bezeichnung wird für sie auch in Prospekten geworben. Im Jahre 1990 betrug der Reingewinn der Vertriebsgesellschaft S 109,907.593.
Die Beklagte wirbt für die "S-Coupes" von H***** mit einer Werbebroschüre. In deren Innerem finden sich ua folgende Textstellen:
"DER NEUE 12 V-ALPHA-MOTOR - TECHNOLOGIE DER 90-ER JAHRE.
Die fortschrittliche Motorentechnologie des 12-V-Alpha-Motors verbessert die Leistungsfähigkeit des S-Coupes entscheidend ....
Powerplay, die Turboaufladung, macht den 12-V-Alpha-Motor mit einer Motorleistung von 85 kW (116 PS) zu einem Kraftpaket ....
Die neueste Motorengeneration von H*****, der eigenentwickelte Alpha-Motor mit 12 Ventilen, verbindet höhere Motorleistungswerte und schnelleres Ansprechverhalten mit geringerem Treibstoffverbrauch und niedrigeren Abgaswerten.
Die GT-Version mit dem Alpha 12-V-Turbo-Motor beinhaltet ....".
Auf der letzten Seite ist (ua) zu lesen:
"Das gute Aussehen wurde nun kombiniert mit einer H*****-Eigenentwicklung, dem neuen Alpha-Motor mit 12 Ventilen ....".
Mit Schreiben vom 1.4.1993 forderte die Klägerin die Beklagte ua auf, die irreführende Verwendung des Wortes "Alpha" zur Bezeichnung von Motoren zu unterlassen. Dies lehnte der koreanische Mutterkonzern - die H***** C***** - ab.
Die H***** C***** hat den von ihr entwickelten Motoren die Buchstaben des griechischen Alphabets zugeteilt. "Alpha" ist die Code-Bezeichnung für kleine Motoren, "Beta" bezeichnet mittelgroße Motoren usw.
Die Klägerin behauptet, daß die Beklagte mit der Verwendung der Bezeichnung "Alpha" für ihren Motor die Gefahr von Verwechslungen mit dem berühmten Markenzeichen "ALFA" der Klägerin herbeiführe; dieses Zeichen werde von den Konsumenten im Zusammenhang mit Autos jedenfalls dem Konzern der Klägerin zugeordnet. Die Klägerin begehrt zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung ALFA bzw ALPHA, insbesondere in der Form "12-V-Alpha-Motor", im Zusammenhang mit der Ankündigung, dem Verkauf und dem Vertrieb von Kraftfahrzeugen und deren Bestandteilen, insbesondere Motoren, zu verwenden.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Buchstaben - auch solche des griechischen Alphabets - seien nicht unterscheidungskräftig und daher nicht schutzfähig. Die Eintragung der Marken sei daher rechtswidrig. Die Verwendung einzelner Buchstaben des Alphabets, insbesondere in einer ordnenden und klassifizierenden Funktion, könne niemandem verwehrt werden. Überdies seien "ALFA" und "ALPHA" nicht verwechselbar. Selbst wenn man aber die Schutzfähigkeit von "ALFA" bejahen wollte, so wäre dieses Wort nur ein außerordentlich schwaches Zeichen, so daß schon geringfügige Abweichungen - etwa in der Schreibweise oder durch den Zusatz "12-V-Motor" - die Gefahr einer Verwechslung ausschlössen. Da im Prospekt ausdrücklich mitgeteilt werde, daß der Motor eine Eigenproduktion von H***** sei, sei eine Irreführung des Publikums nicht zu besorgen.
Der Erstrichter gab dem Sicherungsantrag (unter Einfügung des Wortes "kennzeichenmäßig" vor: "zu verwenden") statt und wies das Mehrbegehren auf Unterlassung auch der nicht kennzeichenmäßigen Verwendung von ALFA bzw ALPHA ab; er trug der Klägerin auf, Sicherheit von S 500.000 zu leisten. Der Klägerin stehe das Markenrecht am Wort "ALFA" in Österreich zu; die Klagemarken würden in Österreich in ständigem und ausreichendem Umfang im Sinne des § 33 a MSchG verwendet. Die Beklagte gebrauch das Wort "ALPHA" kennzeichenmäßig zur Bezeichnung eines Motors. Der Zusatz "12-V" sei für sich allein nicht unterscheidungskräftig, weil er nur aussage, daß der Motor über 12 Ventile verfüge. Das Wort "ALFA" sei weder absolut schutzunfähig nach § 4 Abs 2 Z 3 MSchG noch falle es unter § 3 MSchG. Es habe zwar als ausgeschriebener Buchstabe des griechischen Alphabets nur schwache Kennzeichnungskraft; doch seien auch schwache Zeichen gegen mißbräuchliche Verwendung geschützt. Zwischen der Marke der Klägerin und der von der Beklagten gewählten Bezeichnung für ihren Motor bestehe in phonetischer Hinsicht völlige Übereinstimmung; nur orthographisch bestehe ein geringer Unterschied. Durch die Verwendung des Wortes "ALPHA" werde der Anschein besonderer Nahebeziehung wirtschaftlicher oder organisatorischer Art zwischen der Klägerin und H***** herbeigeführt.
Die Klägerin erlegte die ihr aufgetragene Sicherheit (ON 7).
Infolge Widerspruches der Beklagten hielt der Erstrichter seine einstweilige Verfügung aufrecht. Der Widerspruch enthalte nichts, was zu einer Ergänzung oder Änderung der in der einstweiligen Verfügung getroffenen Feststellungen führen müßte. Auch die rechtliche Beurteilung sei beizubehalten.
Das Rekursgericht gab in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses dem Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung vom 7.7.1993 Folge und wies den Sicherungsantrag ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Marken könnten auch nur aus einem Buchstaben bestehen. Das gelte auch für einen ausgeschriebenen Buchstaben des griechischen Alphabets. Die Klägerin könnte somit grundsätzlich den Ausstattungsschutz des § 9 UWG in Anspruch nehmen. Hier sei jedoch die Gefahr von Verwechslungen zu verneinen. Dem Kauf von Kraftfahrzeugen gehe nämlich regelmäßig ein kritischer Vergleich der in Frage kommenden Fabrikate und Typen voran, so daß wegen der dabei aufgewendeten Aufmerksamkeit auch kleinere Unterschiede der Kennzeichen der Hersteller auffielen und die Gefahr von Verwechslungen beseitigen könnten. Für die Klägerin seien die Marken "ALFA 90" und "ALFA 75" geschützt; die Beklagte verwende keiner dieser Bezeichnungen, sondern nenne den Motor der Autotype 'S-Coupe' "12-V-Alpha-Motor". Zu beachten sei auch, daß im deutschen Sprachraum der erste Buchstabe des griechischen Alphabets "ALPHA" geschrieben wird, während "ALFA" eine Grasart bezeichne, so daß auch vom Sinngehalt her ein Unterschied gegeben sei.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und berechtigt.
Die Klägerin stützt ihren Unterlassungsanspruch vor allem auf ihr Markenrecht (§ 9 Abs 3 UWG). Daß der Löschungsgrund nach § 33 a MSchG für die seit mehr als fünf Jahren eingetragenen Marken nicht vorliegt, hat die Klägerin glaubhaft gemacht (§ 55 MSchG), kann doch kein Zweifel daran bestehen, daß das Zeichen "ALFA" von der ALFA-ROMEO GmbH mit Zustimmung der Klägerin, die zu 95 % am Stammkapital dieser Gesellschaft beteiligt ist, in angemessenem Umfang auch in den letzten fünf Jahren ständig gebraucht wurde (§ 33 a Abs 1 MSchG). Mit Recht kommt daher die Beklagte auf ihren ursprünglich erhobenen Einwand, die Klägerin sei ihrer Bescheinigungspflicht gemäß § 55 MSchG nicht nachgekommen, im Revisionsrekursverfahren nicht mehr zurück.
Nach § 1 Abs 1 MSchG dienen Marken dazu, zum Handelsverkehr bestimmte Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von gleichartigen Waren und Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Sie müssen also - wie auch die anderen Zeichen des § 9 UWG - unterscheidungskräftig sein (Hohenecker/Friedl 47 und 162; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, 1233 Rz 28, 1270 Rz 103 je zu § 16 dUWG; dieselben, Warenzeichenrecht12, 67 Rz 19 zu § 1 WZG). Nach Lehre und Rechtsprechung muß bei der Beurteilung der Kennzeichnungskraft von Buchstaben oder Ziffern sowie von Buchstaben- und Zifferngruppen berücksichtigt werden, daß solche Zeichen erfahrungsgemäß von vielen Unternehmungen im innerbetrieblichen Geschäftsverkehr zur Bezeichnung bestimmter Warenmerkmale (Größe, Sorte, Qualität) verwendet werden. Sie sind daher - außer im Fall des Beweises der Verkehrsgeltung - nur ausnahmsweise zur Erwerbung eines Alleinrechts durch Registrierung als Marken geeignet, nämlich dann, wenn ihre Anordnung oder Ausführung so eigenartig ist, daß sie dem Zeichen bildhafte Wirkung verleiht und es so zur Bildmarke macht (Hohenecker/Friedl aaO 165; Baumbach/Hefermehl, Warenzeichenrecht12 327 ff Rz 56 ff zu § 4 WZG). Auch phonetisch ausgeschriebene einzelne Buchstaben sind nach jüngerer herrschender Ansicht grundsätzlich schutzunfähig (dazu ausführlich Baumbach/Hefermehl aaO 329 Rz 57 und 58; vgl auch OPM PBl 1987, 223). Solche Zeichen können aber jedenfalls durch Verkehrsgeltung Namensfunktion und damit Schutzfähigkeit erlangen (Hohenecker/Friedl aaO; Baumbach/Hefermehl aaO 328 Rz 57; ÖBl 1986, 127; MR 1992, 37 ua). Auch wenn man die Marke der Klägerin "ALFA" als Bezeichnung des ersten Buchstabens des griechischen Alphabets in italienischer oder um Modernität bemühter deutscher Schreibweise auffaßt und dem Zeichen deshalb an sich die Unterscheidungsfähigkeit absprechen wollte, wäre doch für die Beklagte daraus nichts zu gewinnen, weil die Verkehrsgeltung dieses Zeichens zugunsten der Klägerin zu bejahen ist. Daß exakte Feststellungen über die Höhe des Bekanntheits-, Kennzeichnungs- und allenfalls des Zuordnungsgrades (Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2 II 150 f) fehlen, schadet nichts. Es ist nämlich offenkundig (§ 269 ZPO), daß "ALFA" von breitesten Bevölkerungsschichten - jedenfalls von so gut wie allen, die an Autos interessiert sind - (auch) als Automarke eines bestimmten Unternehmens bekannt ist. Fahrzeuge der Type ALFA-ROMEO - kurz ALFA genannt - sind durchaus nicht selten und daher für jeden an Kraftfahrzeugen Interessierten ein Begriff. Ganz abgesehen davon, daß dies zweifellos schon zur Zeit der Eintragung der Marken der Klägerin in Österreich der Fall war, muß dieses hohe Maß an Verkehrsgeltung jedenfalls für den Zeitpunkt angenommen werden, da die Beklagte erstmals mit ihrem "12-V-Alpha-Motor" auf den österreichischen Markt gekommen ist. Selbst wenn die Marken zu Unrecht eingetragen worden wären, käme der Klägerin doch auf Grund ihres Zeitvorranges vor der Beklagten der Ausstattungsschutz nach § 9 Abs 3, zweiter Fall, UWG zu.
Im Hinblick auf das gerichtsbekannt hohe Maß der Verkehrsgeltung des Zeichens "ALFA" im Zusammenhang mit Autos kann auch nicht von einem schwachen Zeichen gesprochen werden. Schon deshalb sind die unterschiedlichen Zusätze - ALFA ROMEO, ALFA 75 und ALFA 90 einerseits und 12-V-Alpha-Motor andererseits - nicht geeignet, die Gefahr von Verwechslungen hintanzuhalten. Hört man davon, daß das S-Coupe der Beklagten einen "Alpha"-Motor hat, dann kann das ohne weiteres die Assoziation zu den "ALFA"-Fahrzeugen der Klägerin auslösen und den Eindruck erwecken, das koreanische Fahrzeug enthalte einen italienischen "Alfa"-Motor. Das läßt aber einen - in der Automobilindustrie nicht seltenen - wirtschaftlichen und organisatorischen Zusammenhang zwischen den Streitteilen vermuten, so daß jedenfalls die Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn (Hohenecker/Friedl aaO 50) zu bejahen ist. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, daß die Beklagte in ihrem Werbeprospekt den 12-V-Alpha-Motor als eigene Entwicklung anpreist. Die Klägerin will der Beklagten ja nicht die Verbreitung dieses Prospektes als irreführend untersagen; vielmehr geht es nur um die Verwechslungseignung des Namens, den die Beklagte ihrem Motor gegeben hat. Da dieser Name notwendigerweise auch außerhalb des Prospektes (und seiner Erläuterungen) gebraucht werden wird, bleibt die Verwechslungsgefahr bestehen.
Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, daß sie auf die Bezeichnung "ALPHA" angewiesen wäre. Ihr kann durchaus zugemutet werden, ihren angeblich kleinsten Motor im geschäftlichen Verkehr anders zu benennen. Daß ihr der nicht kennzeichenmäßige Gebrauch des griechischen Buchstabens " " gestattet ist, bedarf keiner näheren Ausführung.
Der vom Rekursgericht herangezogenen Entscheidung ÖBl 1991, 93 - "quattro"/"Quadra" lag kein gleichartiger Sachverhalt zugrunde. Ganz abgesehen davon, daß sich die Wörter "quattro" und "Quadra" viel stärker unterscheiden als "ALFA" und "ALPHA", ist "quattro" das italienische Wort für 4, wogegen "Quadra" ein Kunstwort ohne Bedeutung ist, das bestenfalls Assoziationen zu "4" auslösen kann. Außerdem ging es dort um die Gefahr von Verwechslungen zwischen verschiedenen Automarken und nicht - wie im vorliegenden Fall - darum, daß der Eindruck entstehen kann, ein Bestandteil der Fahrzeuge der Beklagten stamme von der Klägerin.
Aus diesen Erwägungen war in Stattgebung des Revisionsrekurses der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten der Beklagten gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO; §§ 40, 50 Abs 1, § 52 ZPO, jener über die Kosten der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO.
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