OGH 11Os66/94

OGH11Os66/947.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Juni 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Würzburger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Heinz K***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20.Oktober 1993, GZ 6 b Vr 5116/93-28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt II des Urteilssatzes sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen die auf den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Heinz K***** (zu I/A) des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG, (zu I/B) des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG und (zu II) des Vergehens der Unterlassung der Hilfeleistung nach § 95 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er (I) in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte (A) in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, indem er

(1.) in der Zeit von August 1991 bis Ende Mai/Anfang Juni 1993 (a) 8 kg Haschisch an Unbekannte, (b) nicht mehr feststellbare Mengen im Bereich einiger Dekagramm Haschisch an Dejan H*****, Alexander S*****, Marion H***** und Claudia K***** sowie (2.) in der Zeit von Anfang 1992 bis Juni 1993 insgesamt ca 15 Gramm Heroin an Attila S*****, Sabine M*****, Alfred P*****, Herbert B*****, Dejan H***** und Alexander S***** verkaufte;

(B) während eines nicht mehr genau feststellbaren Zeitraumes von Anfang 1984 bis Anfang 1993 Haschisch und Heroin erworben und besessen;

(II.) in der Nacht vom 15. auf den 16.Mai 1993 in Purbach am See dadurch, daß er es hinsichtlich des an einer akuten Morphinvergiftung leidenden Alexander S***** unterlassen hat, die "Rettung" rechtzeitig zu benachrichtigen, die Rettung des Alexander S***** aus der Gefahr des Todes oder einer beträchtlichen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung unterlassen.

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf Z 5 (Faktum II), 9 lit a (Faktum II und I/B) und 10 (I/B) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

In der gegen den Schuldspruch nach § 16 Abs 1 SGG gerichteten Rechtsrüge (Z 9 lit a bzw 10) moniert er, "daß das erstgerichtliche Urteil keine Feststellungen enthalte, in welchem Verhältnis die zum Faktum I/B vorgeworfenen Handlungen mit denjenigen zum Faktum I/A stünden, sodaß nicht beurteilt werden könne, ob die Subsidiaritätsklausel des § 16 Abs 1 SGG anzuwenden sei", übergeht dabei aber, daß die Tatrichter beim Faktum I/A ausdrücklich vom Verkauf der in US 3, 5 und 6 detailliert beschriebenen Suchtgiftarten und -mengen ausgingen, beim Faktum B/I. hingegen vom Erwerb und Besitz weiterer (der Art nach ebenfalls beschriebener Suchtgiftmengen) für den Eigenkonsum (US 3, 6, 7, 10). Damit gelangt die Rüge nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil sie nicht - was Voraussetzung für die gesetzmäßige Dartuung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes wäre - den gesamten Urteilssachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht.

In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Berechtigt hingegen ist der zu den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 95 Abs 1 StGB (Faktum II) erhobene Einwand eines Begründungsmangels (Z 5). Im Sinn der Beschwerdeargumentation trifft es nämlich zu, daß die Urteilsannahme, der Angeklagte sei nicht von der Notwendigkeit über die tatsächlich geleistete "Erste Hilfe" hinausgehender Hilfeleistung überzeugt gewesen (US 8), mit den weiteren Urteilsausführungen, die offenbar erforderliche Hilfeleistung sei von ihm vorsätzlich unterlassen worden (US 12), unvereinbar ist. Die eine entscheidende Tatsache betreffende Urteilsbegründung ist demnach undeutlich und mit sich selbst im Widerspruch (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 5 ENr 101 ff).

Da sich sohin schon auf Grund des dargelegten Begründungsmangels bei der nichtöffentlichen Beratung über die Nichtigkeitsbeschwerde zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war - ohne daß es eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdeeinwände bedarf - mit spruchgemäß partieller Urteilsaufhebung und (insoweit) Anordnung der Verfahrenserneuerung vorzugehen (§ 285 e StPO).

Mit seiner hiedurch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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