OGH 15Os58/94

OGH15Os58/9426.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Mai 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Würzburger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dipl.Ing.Christine B***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Finanzamtes für Körperschaften gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15.September 1993, GZ 6 a Vr 10645/90-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und des Finanzamtes für Körperschaften werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem bekämpften Urteil wurde Dipl.Ing.Christine B***** (im zweiten Rechtsgang erneut) des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt, weil sie als Geschäftsführerin der I*****GesmbH zwischen März 1983 (im Urteilsspruch versehentlich 1993) bis Februar 1988 vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen, nämlich durch Abgabe unrichtiger, lediglich Vorsteuerbeträge, aber nicht Erlöse (gemeint: Entgelte) ausweisender Voranmeldungen, Verkürzungen von Vorauszahlungen von Umsatzsteuer in der Gesamthöhe von 1,317.615 S bewirkte und dies (zu ergänzen: nicht nur für möglich, sondern) für gewiß hielt.

Der gegen den Schuldspruch gerichteten, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Unter dem zuerst genannten Nichtigkeitsgrund (Z 5) rügt die Beschwerdeführerin das angefochtene Urteil als mangelhaft begründet, weil sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen (US 6 zweiter Absatz, zweiter und dritter Satz) nicht ergebe, welche Umsätze die von der Angeklagten als Geschäftsführerin geleitete Kapitalgesellschaft im Tatzeitraum getätigt habe; Konstatierungen über die Höhe der jeweiligen Umsätze wären (nach Ansicht der Nichtigkeitswerberin) aber notwendig gewesen, weil zwischen den vom Steuerberater erklärten Umsätzen und den vom gerichtlichen Sachverständigen anhand von Ausgangsrechnungen ermittelten Umsätzen doch erhebliche Unterschiede bestünden, wobei als Beispiel das Jahr 1983 angeführt wird.

Der Beschwerde zuwider war das Schöffengericht mangels Relevanz fallbezogen nicht verhalten, in den Entscheidungsgründen detailliert aufgeschlüsselte Feststellungen über das Ausmaß der von der bezeichneten Handelsgesellschaft im aktuellen Zeitraum erzielten Umsätze zu treffen. Genug daran, daß das Erstgericht die Konstatierungen über das Vorliegen steuerpflichtiger Umsätze im Deliktszeitraum sowie über die Höhe der (durch Vorlage unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen) von der Angeklagten zugunsten der Firma I***** bewirkten Gutschriften von insgesamt 1,317.615 S traf, die es auf die Gesamtheit der Verfahrensergebnisse, insbesonders das Gutachten (ON 27) und Ergänzungsgutachten (ON 40) des Buchsachverständigen Mag.Z*****, die (von der Beschwerdeführerin erstellten) Umsatzsteuervoranmeldungen sowie die (vom Steuerberater jeweils erst im Jahre 1987 beim Finanzamt für Körperschaften eingereichten) Steuererklärungen für die Jahre 1983 bis 1987, die Anzeige des genannten Finanzamtes und die finanzbehördlichen Erhebungen gestützt (US 4, 7 f) und demzufolge die Verantwortung der Angeklagten, das in Rede stehende Unternehmen habe im inkriminierten Zeitraum (überhaupt) keine Umsätze erzielt, mit denkmöglicher und aktengetreuer Begründung als widerlegt beurteilt hat (US 9 f).

Im übrigen pönalisiert § 33 Abs 2 lit a FinStrG die von der Rechtsmittelwerberin durch Abgabe unrichtiger Voranmeldungen (vorliegend durch wissentliche Einsetzung einer "0" in die für Entgelte vorgesehene Spalte und durch Eintragung frei erfundener, relativ hoher Beträge in jene für die Vorsteuerbeträge vorgesehene Rubrik der Umsatzsteuervoranmeldungsformulare) wissentlich herbeigeführte Verkürzung der Vorauszahlungen an Umsatzsteuer, sodaß die Tatrichter bei der mängelfrei konstatierten Höhe des strafbestimmenden Wert-(Verkürzungs-)Betrages zu Recht von den in den Jahressteuererklärungen ausgewiesenen Entgelten ausgegangen sind (US 3, 5 ff).

Die in der Beschwerde hervorgekehrten "doch erheblichen Unterschiede" zwischen den vom Steuerberater in die Erklärungen aufgenommenen Umsätzen von 1,661.677,76 S und den vom gerichtlichen Sachverständigen anhand der (letzterem nur unvollständig zur Verfügung gestellten) Ausgangsrechnungen ermittelten Umsätzen von 1,744.349,24 S, somit insgesamt eine Differenz von (nur) 82.671,48 S (Ergänzungsgutachten S 319), wurden in den Urteilsgründen ebenso eingehend erörtert (und in denkmöglicher Deduktion ausgeführt, daß der Steuerberater die Umsatzsteuer an Hand der ihm zur Verfügung stehenden vollständigen Belege ermittelt hatte), wie die Möglichkeit unterschiedlicher Rechtsauffassungen zwischen Sachverständigem und Steuerberater hinsichtlich der Umsatzsteuerpflicht für Teilleistungen (abermals S 319; US 7 iVm US 8). Dieses Vorbringen sowie die ohnehin bloß auf - durch keinerlei Beweisergebnisse gedeckte - hypothetische Annahmen gestützte Beschwerdevermutung, es stehe nicht fest, "daß die vom Sachverständigen seinem Gutachten zugrunde gelegten Ausgangsrechnungen nicht bereits in vor 1983 gelegten Teilrechnungen enthalten waren", stellt sich der Sache nach bloß als unzulässiger und demnach unbeachtlicher Versuch dar, nach Art einer in den Prozeßgesetzen gegen kollegialgerichtliche Urteile nicht vorgesehenen Schuldberufung die zum Nachteil der Beschwerdeführerin ausgefallene Beweiswürdigung des Schöffengerichtes in Frage zu stellen.

Soweit die Nichtigkeitswerberin behauptet, "die vom Sachverständigen lediglich stichprobenartig für einzelne Monate des Tatzeitraumes durchgeführte Überprüfung der geltend gemachten Vorsteuerbeträge reiche nicht aus, um verläßliche Feststellungen über die Höhe der zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuer zu treffen", bringt sie den angerufenen formellen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Denn das Urteil ist nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO nur dann nichtig, wenn das Gericht die erhobenen Beweise unvollständig gewürdigt, nicht aber, wenn es (wie hier nach Meinung der Beschwerdeführerin) eine vorhandene Beweisquelle unvollständig ausgeschöpft hat. Eine solche Mangelhaftigkeit des Verfahrens könnte nur aus dem Grunde des § 281 Abs 1 Z 4 StPO gerügt werden, wenn in der Hauptverhandlung entsprechende Anträge gestellt worden sind (vgl Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 82 ff). Anträge der Angeklagten auf Ergänzung des Gutachtens über die stichprobenweise Prüfung hinaus sind jedoch in der gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung vom 15.September 1993, auf die es allein ankommt, nicht gestellt worden (ON 46).

Nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt ist der sowohl im Rahmen der Mängelrüge als auch unter Punkt 1. der Rechtsrüge (Z 9 lit a) erneut erhobene Vorwurf, "das Erstgericht hätte die zu Unrecht geltend gemachte Vorsteuer im Tatzeitraum exakt feststellen müssen". Übersieht die Beschwerdeführerin damit doch zum einen, daß dem Sachverständigen die vollständigen Buchhaltungsunterlagen nicht zur Verfügung standen, und übergeht zum andern die - wie dargelegt - formell einwandfrei begründeten Konstatierungen über den Umfang der tatsächlichen Verkürzungsbeträge (US 3, 6 f). Der geltend gemachte formelle Begründungsmangel haftet demnach dem bekämpften Urteil nicht an.

In der Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach teilweise auch Z 5) bestreitet die Nichtigkeitswerberin unter Berufung auf ihre (vom Schöffengericht in den Entscheidungsgründen ausführlich erörterte und mit zureichender Begründung als unglaubwürdig verworfene) Verantwortung einen "auf die Verkürzung von Abgaben gerichteten Vorsatz" und wirft dem Erstgericht vor, es habe "auch keine bzw nur unzureichende Feststellungen hinsichtlich der der Angeklagten zum Vorwurf gemachten Wissentlichkeit der Abgabenverkürzung" getroffen; es hätte (nach Meinung der Beschwerdeführerin) nachvollziehbarer Konstatierungen bedurft, "aus welchem konkreten Verhalten der Angeklagten sich die Wissentlichkeit der Verkürzung von Abgaben ergibt".

Mit dieser Argumentation verfehlt die Beschwerdeführerin indes eine prozeßordnungsgemäße Darstellung des (vermeintlichen) materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes, weil sie nicht vom gesamten wesentlichen Tatsachensubstrat ausgeht, demzufolge die Tatrichter der Angeklagten die für die Verwirklichung des hier aktuellen Finanzvergehens nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG erforderliche spezifische Schuldform der "Wissentlichkeit" (§ 5 Abs 3 StGB) unmißverständlich konstatiert haben (US 3, 6 f und 13), und auch alle jene auf tragende Beweisergebnisse gestützten, denkmöglich und nachvollziehbaren Erwägungen in den Urteilsgründen (US 9-11) unberücksichtigt läßt, aus denen der Schöffensenat diesen besonderen dolus im Sinne des § 5 Abs 3 StGB erschlossen hat, sondern die Feststellungen zur subjektiven Tatseite glattweg negiert.

Die teils offenbar unbegründete, teils nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten war daher - in Übereinstimmung mit dem Antrag der Generalprokuratur - schon bei einer nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285 a Z 2 StPO sofort zurückzuweisen.

Daraus folgt, daß über die Berufungen der Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und des Finanzamtes für Körperschaften das Oberlandesgericht Wien abzusprechen haben wird (§ 285 i StPO).

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